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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Flammofenstahlschmelzen.
dicken Schutzdecke flüssiger Schlacken gelang es ihm, bis 40 Centner
Stahl auf einmal zu schmelzen. Dieser Erfolg erregte in Frankreich
bedeutendes Aufsehen und veranlasste die Ernennung einer kaiser-
lichen Kommission zur Begutachtung des Prozesses. Der Bericht
der Kommissare Beaulieu, Deville und Caron sprach sich sehr
günstig darüber aus. Er stellte beträchtliche Ersparnisse gegenüber
der Tiegelgussstahlfabrikation in Aussicht. In Wirklichkeit war aber
die Hauptschwierigkeit, die rasche Zerstörung der Ofenwände, nicht
überwunden und infolgedessen das Verfahren nichts weniger als billig.

Zu derselben Zeit machte ein Offizier Namens Alexandre zu
Villeneuve auf Veranlassung der Kaiserlichen Marine ebenfalls Stahl-
schmelzversuche. Der Stahl aber, der dabei erzeugt wurde, war
schlecht; infolgedessen wurden diese Versuche 1862 geschlossen. Ähn-
liche ungünstige Resultate erzielte Lan in Rive de Gier.

Einen anderen Weg hatte A. B. Berard mit seinem 1862 paten-
tierten Verfahren zur Reinigung des Roheisens und zur Stahlbereitung
eingeschlagen, das im wesentlichen darin bestand, Roheisen abwechselnd
und wiederholt oxydierenden und kohlenden Schmelzen auszusetzen.
Sein Ofen hatte zwei auf Rädern laufende Herde. Das flüssige Eisen-
bad in denselben sollte einmal der Wirkung frischender, das andere
Mal der kohlender Gase ausgesetzt werden, was durch Umschaltung
für die beiden Herde kontinuierlich geschehen konnte. Es sollte
dabei Wasserstoff und Kohlenoxydgas angewendet werden. -- Die
Versuche, die mit diesem Verfahren in Frankreich gemacht wurden,
erfüllten aber die darauf gesetzten Hoffnungen keineswegs.

Dasselbe ist von der 1863 veröffentlichten Methode der Stahl-
bereitung von Jules Cajanave-Sabatier zu sagen. Dieser wollte,
ähnlich wie der Amerikaner Martien, das Eisen dadurch reinigen,
dass er es in geschmolzenem Zustande in dünnen Strahlen der Ein-
wirkung von Wasserdämpfen aussetzte, wodurch es gereinigt und
entkohlt werden sollte.

Die Erzeugung von Flammofenflussstahl schien fast als hoffnungs-
los aufgegeben zu sein, als im Jahre 1864 die Brüder Emile und
Pierre Martin zu Sireuil bei Angouleme mit ihrer Erfindung
hervortraten, welche darin bestand, dass sie Gussstahl in Flammöfen,
welche mit Siemens' Generatorfeuerungen geheizt wurden, darstellten.
Zu diesem Ziel, das so leicht zu erreichen schien, nachdem die Er-
findungen von Heath und von Siemens vorausgegangen waren,
gelangten die Brüder Martin erst nach zahlreichen und vielen ver-
geblichen Versuchen. Neues war in dem Verfahren eigentlich nicht

Flammofenstahlschmelzen.
dicken Schutzdecke flüssiger Schlacken gelang es ihm, bis 40 Centner
Stahl auf einmal zu schmelzen. Dieser Erfolg erregte in Frankreich
bedeutendes Aufsehen und veranlaſste die Ernennung einer kaiser-
lichen Kommission zur Begutachtung des Prozesses. Der Bericht
der Kommissare Beaulieu, Deville und Caron sprach sich sehr
günstig darüber aus. Er stellte beträchtliche Ersparnisse gegenüber
der Tiegelguſsstahlfabrikation in Aussicht. In Wirklichkeit war aber
die Hauptschwierigkeit, die rasche Zerstörung der Ofenwände, nicht
überwunden und infolgedessen das Verfahren nichts weniger als billig.

Zu derselben Zeit machte ein Offizier Namens Alexandre zu
Villeneuve auf Veranlassung der Kaiserlichen Marine ebenfalls Stahl-
schmelzversuche. Der Stahl aber, der dabei erzeugt wurde, war
schlecht; infolgedessen wurden diese Versuche 1862 geschlossen. Ähn-
liche ungünstige Resultate erzielte Lan in Rive de Gier.

Einen anderen Weg hatte A. B. Bérard mit seinem 1862 paten-
tierten Verfahren zur Reinigung des Roheisens und zur Stahlbereitung
eingeschlagen, das im wesentlichen darin bestand, Roheisen abwechselnd
und wiederholt oxydierenden und kohlenden Schmelzen auszusetzen.
Sein Ofen hatte zwei auf Rädern laufende Herde. Das flüssige Eisen-
bad in denselben sollte einmal der Wirkung frischender, das andere
Mal der kohlender Gase ausgesetzt werden, was durch Umschaltung
für die beiden Herde kontinuierlich geschehen konnte. Es sollte
dabei Wasserstoff und Kohlenoxydgas angewendet werden. — Die
Versuche, die mit diesem Verfahren in Frankreich gemacht wurden,
erfüllten aber die darauf gesetzten Hoffnungen keineswegs.

Dasselbe ist von der 1863 veröffentlichten Methode der Stahl-
bereitung von Jules Cajanave-Sabatier zu sagen. Dieser wollte,
ähnlich wie der Amerikaner Martien, das Eisen dadurch reinigen,
daſs er es in geschmolzenem Zustande in dünnen Strahlen der Ein-
wirkung von Wasserdämpfen aussetzte, wodurch es gereinigt und
entkohlt werden sollte.

Die Erzeugung von Flammofenfluſsstahl schien fast als hoffnungs-
los aufgegeben zu sein, als im Jahre 1864 die Brüder Emile und
Pierre Martin zu Sireuil bei Angoulème mit ihrer Erfindung
hervortraten, welche darin bestand, daſs sie Guſsstahl in Flammöfen,
welche mit Siemens’ Generatorfeuerungen geheizt wurden, darstellten.
Zu diesem Ziel, das so leicht zu erreichen schien, nachdem die Er-
findungen von Heath und von Siemens vorausgegangen waren,
gelangten die Brüder Martin erst nach zahlreichen und vielen ver-
geblichen Versuchen. Neues war in dem Verfahren eigentlich nicht

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[172/0188] Flammofenstahlschmelzen. dicken Schutzdecke flüssiger Schlacken gelang es ihm, bis 40 Centner Stahl auf einmal zu schmelzen. Dieser Erfolg erregte in Frankreich bedeutendes Aufsehen und veranlaſste die Ernennung einer kaiser- lichen Kommission zur Begutachtung des Prozesses. Der Bericht der Kommissare Beaulieu, Deville und Caron sprach sich sehr günstig darüber aus. Er stellte beträchtliche Ersparnisse gegenüber der Tiegelguſsstahlfabrikation in Aussicht. In Wirklichkeit war aber die Hauptschwierigkeit, die rasche Zerstörung der Ofenwände, nicht überwunden und infolgedessen das Verfahren nichts weniger als billig. Zu derselben Zeit machte ein Offizier Namens Alexandre zu Villeneuve auf Veranlassung der Kaiserlichen Marine ebenfalls Stahl- schmelzversuche. Der Stahl aber, der dabei erzeugt wurde, war schlecht; infolgedessen wurden diese Versuche 1862 geschlossen. Ähn- liche ungünstige Resultate erzielte Lan in Rive de Gier. Einen anderen Weg hatte A. B. Bérard mit seinem 1862 paten- tierten Verfahren zur Reinigung des Roheisens und zur Stahlbereitung eingeschlagen, das im wesentlichen darin bestand, Roheisen abwechselnd und wiederholt oxydierenden und kohlenden Schmelzen auszusetzen. Sein Ofen hatte zwei auf Rädern laufende Herde. Das flüssige Eisen- bad in denselben sollte einmal der Wirkung frischender, das andere Mal der kohlender Gase ausgesetzt werden, was durch Umschaltung für die beiden Herde kontinuierlich geschehen konnte. Es sollte dabei Wasserstoff und Kohlenoxydgas angewendet werden. — Die Versuche, die mit diesem Verfahren in Frankreich gemacht wurden, erfüllten aber die darauf gesetzten Hoffnungen keineswegs. Dasselbe ist von der 1863 veröffentlichten Methode der Stahl- bereitung von Jules Cajanave-Sabatier zu sagen. Dieser wollte, ähnlich wie der Amerikaner Martien, das Eisen dadurch reinigen, daſs er es in geschmolzenem Zustande in dünnen Strahlen der Ein- wirkung von Wasserdämpfen aussetzte, wodurch es gereinigt und entkohlt werden sollte. Die Erzeugung von Flammofenfluſsstahl schien fast als hoffnungs- los aufgegeben zu sein, als im Jahre 1864 die Brüder Emile und Pierre Martin zu Sireuil bei Angoulème mit ihrer Erfindung hervortraten, welche darin bestand, daſs sie Guſsstahl in Flammöfen, welche mit Siemens’ Generatorfeuerungen geheizt wurden, darstellten. Zu diesem Ziel, das so leicht zu erreichen schien, nachdem die Er- findungen von Heath und von Siemens vorausgegangen waren, gelangten die Brüder Martin erst nach zahlreichen und vielen ver- geblichen Versuchen. Neues war in dem Verfahren eigentlich nicht

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/188>, abgerufen am 18.04.2024.