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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Den preussischen Hütteningenieuren Ulrich, Wiebmer und
Dressler fiel in England zunächst die auf allen Werken eingeführte
Vergrösserung der Frischbirnen auf. Schneider, Hanay & Co.
in Barrow hatten 12 Birnen zu 10 Tonnen Einsatz. Eine Birne zu
10 Tonnen hatte 12 Ferne zu 13 Öffnungen von 3/8 Zoll Durchmesser.
Die neuen Flammöfen zum Einschmelzen des Roheisens waren nach
dem Patent von John Clayton in West-Bromwich erbaut. Sie
zeichneten sich durch einen gewölbten Rost, durch den die Luft von
allen vier Seiten eintreten konnte, aus. Der Rost war 5 Fuss im
Quadrat, der Herd 5 Fuss breit und 12 Fuss lang. Das Einschmelzen
dauerte 31/2 bis 5 Stunden. Die grösseren Einsätze der Birnen er-
forderten keine längere Blasezeit. Diese dauerte bei J. Brown nur
121/2 Minuten. Auch entkohlte man nicht immer mehr vollständig,
sondern unterbrach früher. Dies erforderte freilich grössere Auf-
merksamkeit, man ersparte aber an Abbrand und Spiegeleisenzusatz.
Auch in England war es Gebrauch geworden, das fertige Metall noch
eine Zeit lang in der Birne stehen zu lassen, um dadurch dichtere
Güsse zu bekommen. Letzteres wurde ausserdem befördert durch das
Giessen mit unterbrochenem Strahl, wobei man das Metall in der
Form nur bis zu einer gewissen Marke aufsteigen liess, dann
den Guss unterbrach und erst nachfüllte, wenn sich das Metall
gesetzt und beruhigt hatte. Die Coquillen wurden mit gelöschtem
Kalk ausgestrichen. Bei vollem Betrieb machte man vier Chargen
den Tag. Sofortige Weiterverarbeitung fand meist noch nicht statt,
man liess vielmehr die Güsse erkalten. Eisenbahnschienen, Rad-
kränze, Schiffswellen und Geschosse waren Hauptartikel. Sehr wichtig
war aber auch bereits die Verwendung für Panzerplatten und Schiffs-
baumaterial.

Bei der Verarbeitung unterschied man zwei Systeme, bei dem
einen wurden alle Blöcke erst geschmiedet und dann gewalzt, bei dem
anderen erfolgte das Auswalzen unmittelbar. Das letztere Verfahren
war in Dowlais bei der Schienenfabrikation mit gutem Erfolg ein-
geführt worden. Das Vorwalzen erfolgte in einer Trio-Blockwalze
(Blooming mill) von 3 bis 4 Kalibern, wobei man die Blöcke bis auf
6 Quadratzoll zusammenpresste. Nach dem Vorstrecken und Wärmen
wurden die Güsse durch 11 Kaliber mit nur einem Stauchkaliber in
einer Hitze durchgewalzt -- Auf dem Eisenwalzwerk der Südbahn in
Graz hatte man ebenfalls dieses System des Walzens der Güsse zu
Blöcken ohne Vorschmieden eingeführt.

Auf dem Victoriawerk zu Ebbw-Vale hatte Parry seinen mehr-

Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Den preuſsischen Hütteningenieuren Ulrich, Wiebmer und
Dreſsler fiel in England zunächst die auf allen Werken eingeführte
Vergröſserung der Frischbirnen auf. Schneider, Hanay & Co.
in Barrow hatten 12 Birnen zu 10 Tonnen Einsatz. Eine Birne zu
10 Tonnen hatte 12 Ferne zu 13 Öffnungen von ⅜ Zoll Durchmesser.
Die neuen Flammöfen zum Einschmelzen des Roheisens waren nach
dem Patent von John Clayton in West-Bromwich erbaut. Sie
zeichneten sich durch einen gewölbten Rost, durch den die Luft von
allen vier Seiten eintreten konnte, aus. Der Rost war 5 Fuſs im
Quadrat, der Herd 5 Fuſs breit und 12 Fuſs lang. Das Einschmelzen
dauerte 3½ bis 5 Stunden. Die gröſseren Einsätze der Birnen er-
forderten keine längere Blasezeit. Diese dauerte bei J. Brown nur
12½ Minuten. Auch entkohlte man nicht immer mehr vollständig,
sondern unterbrach früher. Dies erforderte freilich gröſsere Auf-
merksamkeit, man ersparte aber an Abbrand und Spiegeleisenzusatz.
Auch in England war es Gebrauch geworden, das fertige Metall noch
eine Zeit lang in der Birne stehen zu lassen, um dadurch dichtere
Güsse zu bekommen. Letzteres wurde auſserdem befördert durch das
Gieſsen mit unterbrochenem Strahl, wobei man das Metall in der
Form nur bis zu einer gewissen Marke aufsteigen lieſs, dann
den Guſs unterbrach und erst nachfüllte, wenn sich das Metall
gesetzt und beruhigt hatte. Die Coquillen wurden mit gelöschtem
Kalk ausgestrichen. Bei vollem Betrieb machte man vier Chargen
den Tag. Sofortige Weiterverarbeitung fand meist noch nicht statt,
man lieſs vielmehr die Güsse erkalten. Eisenbahnschienen, Rad-
kränze, Schiffswellen und Geschosse waren Hauptartikel. Sehr wichtig
war aber auch bereits die Verwendung für Panzerplatten und Schiffs-
baumaterial.

Bei der Verarbeitung unterschied man zwei Systeme, bei dem
einen wurden alle Blöcke erst geschmiedet und dann gewalzt, bei dem
anderen erfolgte das Auswalzen unmittelbar. Das letztere Verfahren
war in Dowlais bei der Schienenfabrikation mit gutem Erfolg ein-
geführt worden. Das Vorwalzen erfolgte in einer Trio-Blockwalze
(Blooming mill) von 3 bis 4 Kalibern, wobei man die Blöcke bis auf
6 Quadratzoll zusammenpreſste. Nach dem Vorstrecken und Wärmen
wurden die Güsse durch 11 Kaliber mit nur einem Stauchkaliber in
einer Hitze durchgewalzt — Auf dem Eisenwalzwerk der Südbahn in
Graz hatte man ebenfalls dieses System des Walzens der Güsse zu
Blöcken ohne Vorschmieden eingeführt.

Auf dem Victoriawerk zu Ebbw-Vale hatte Parry seinen mehr-

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[152/0168] Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Den preuſsischen Hütteningenieuren Ulrich, Wiebmer und Dreſsler fiel in England zunächst die auf allen Werken eingeführte Vergröſserung der Frischbirnen auf. Schneider, Hanay & Co. in Barrow hatten 12 Birnen zu 10 Tonnen Einsatz. Eine Birne zu 10 Tonnen hatte 12 Ferne zu 13 Öffnungen von ⅜ Zoll Durchmesser. Die neuen Flammöfen zum Einschmelzen des Roheisens waren nach dem Patent von John Clayton in West-Bromwich erbaut. Sie zeichneten sich durch einen gewölbten Rost, durch den die Luft von allen vier Seiten eintreten konnte, aus. Der Rost war 5 Fuſs im Quadrat, der Herd 5 Fuſs breit und 12 Fuſs lang. Das Einschmelzen dauerte 3½ bis 5 Stunden. Die gröſseren Einsätze der Birnen er- forderten keine längere Blasezeit. Diese dauerte bei J. Brown nur 12½ Minuten. Auch entkohlte man nicht immer mehr vollständig, sondern unterbrach früher. Dies erforderte freilich gröſsere Auf- merksamkeit, man ersparte aber an Abbrand und Spiegeleisenzusatz. Auch in England war es Gebrauch geworden, das fertige Metall noch eine Zeit lang in der Birne stehen zu lassen, um dadurch dichtere Güsse zu bekommen. Letzteres wurde auſserdem befördert durch das Gieſsen mit unterbrochenem Strahl, wobei man das Metall in der Form nur bis zu einer gewissen Marke aufsteigen lieſs, dann den Guſs unterbrach und erst nachfüllte, wenn sich das Metall gesetzt und beruhigt hatte. Die Coquillen wurden mit gelöschtem Kalk ausgestrichen. Bei vollem Betrieb machte man vier Chargen den Tag. Sofortige Weiterverarbeitung fand meist noch nicht statt, man lieſs vielmehr die Güsse erkalten. Eisenbahnschienen, Rad- kränze, Schiffswellen und Geschosse waren Hauptartikel. Sehr wichtig war aber auch bereits die Verwendung für Panzerplatten und Schiffs- baumaterial. Bei der Verarbeitung unterschied man zwei Systeme, bei dem einen wurden alle Blöcke erst geschmiedet und dann gewalzt, bei dem anderen erfolgte das Auswalzen unmittelbar. Das letztere Verfahren war in Dowlais bei der Schienenfabrikation mit gutem Erfolg ein- geführt worden. Das Vorwalzen erfolgte in einer Trio-Blockwalze (Blooming mill) von 3 bis 4 Kalibern, wobei man die Blöcke bis auf 6 Quadratzoll zusammenpreſste. Nach dem Vorstrecken und Wärmen wurden die Güsse durch 11 Kaliber mit nur einem Stauchkaliber in einer Hitze durchgewalzt — Auf dem Eisenwalzwerk der Südbahn in Graz hatte man ebenfalls dieses System des Walzens der Güsse zu Blöcken ohne Vorschmieden eingeführt. Auf dem Victoriawerk zu Ebbw-Vale hatte Parry seinen mehr-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/168>, abgerufen am 26.04.2024.