Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
fach beschriebenen Prozess in grossartigem Massstabe eingerichtet. Es standen vier Birnen, die mit Gas angeheizt wurden, im Betrieb. Man schmolz alte Schienen und alle Abfälle der Schienenfabrikation im Kupolofen um, wobei das Eisen bis 2 Prozent Kohlenstoff aufnehmen musste.
Auf der neuen Bessemeranlage Mersey-Steel-Works bei Liverpool hatte man den Gasbetrieb eingeführt und schmolz den Einsatz von 10 Tonnen Roheisen in der Birne mit Gas ein.
In der zweiten Hälfte des Oktober 1866 erfolgte auf dem neuen Werke von Bessemer & Sons zu East-Greenwich der Guss einer Ambossschale von 2000 Centner (100 Tonnen). Es geschah dies in der Weise, dass alle 20 Minuten eine Charge von 4 Tonnen in die versenkte Form der Dampfhammer-Chabotte entleert wurde.
Die Verarbeitung der grossen Stahlgussblöcke erforderte viel stärkere Apparate, Maschinen und Werkzeuge, als sie früher bei dem Eisenwalzbetrieb gebräuchlich waren. Da man den Stahl nur bis zur hellen Rotglut erwärmen durfte, baute man die Schweissöfen, die nur mässige Hitze und keine oxydierende Flamme haben durften, sehr geräumig, gab ihnen doppelt so grosse Roste mit beschränktem Luft- zutritt, so dass nur eine unvollkommene Verbrennung stattfand.
In Deutschland war das Bessemerwerk der Königin-Marienhütte bei Zwickau in diesem Jahre vollendet worden.
In Österreich hatten die grossen mährischen Eisenwerke Witkowitz und Zöptau ihr Roheisen im Jahre 1865 in England bei Bessemer probieren lassen und, nachdem die Versuche günstig ausgefallen waren, 1866 Bessemerwerke unter englischer Leitung errichtet, ebenso geschah es zu Reschitza. In Zeltweg wurde eine Bessemeranlage unter der Leitung des Grazer Werkes ausgeführt.
Neuberg erzielte 1866 sehr günstige Resultate. Daselbst wurden 607 Chargen verblasen und 30690 Centner reine Blöcke ausgebracht. In Prozenten betrug das Ausbringen an gereinigten Blöcken 83,36, Stahlabfall 1,96, Auswurf 0,78, Kamineisen 0,81, der Kalo 13,09. In der Heft erzielte man 82,67 Prozent reine Blöcke.
Die Herstellung blasenfreier Güsse war, um zuverlässiges Material zu erzeugen und den Abfall zu vermindern, von solcher Wichtigkeit, dass zahlreiche Versuche und Erfindungen gemacht wurden, um diesen Zweck zu erreichen.
G. H. Benson führte kohlenhaltige Stoffe in die entkohlte Masse ein, um dadurch gebildete Eisenoxyde wieder zu zerlegen. Nach Caron tritt nämlich Spratzen und Blasenbildung im Moment des
Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
fach beschriebenen Prozeſs in groſsartigem Maſsstabe eingerichtet. Es standen vier Birnen, die mit Gas angeheizt wurden, im Betrieb. Man schmolz alte Schienen und alle Abfälle der Schienenfabrikation im Kupolofen um, wobei das Eisen bis 2 Prozent Kohlenstoff aufnehmen muſste.
Auf der neuen Bessemeranlage Mersey-Steel-Works bei Liverpool hatte man den Gasbetrieb eingeführt und schmolz den Einsatz von 10 Tonnen Roheisen in der Birne mit Gas ein.
In der zweiten Hälfte des Oktober 1866 erfolgte auf dem neuen Werke von Bessemer & Sons zu East-Greenwich der Guſs einer Amboſsschale von 2000 Centner (100 Tonnen). Es geschah dies in der Weise, daſs alle 20 Minuten eine Charge von 4 Tonnen in die versenkte Form der Dampfhammer-Chabotte entleert wurde.
Die Verarbeitung der groſsen Stahlguſsblöcke erforderte viel stärkere Apparate, Maschinen und Werkzeuge, als sie früher bei dem Eisenwalzbetrieb gebräuchlich waren. Da man den Stahl nur bis zur hellen Rotglut erwärmen durfte, baute man die Schweiſsöfen, die nur mäſsige Hitze und keine oxydierende Flamme haben durften, sehr geräumig, gab ihnen doppelt so groſse Roste mit beschränktem Luft- zutritt, so daſs nur eine unvollkommene Verbrennung stattfand.
In Deutschland war das Bessemerwerk der Königin-Marienhütte bei Zwickau in diesem Jahre vollendet worden.
In Österreich hatten die groſsen mährischen Eisenwerke Witkowitz und Zöptau ihr Roheisen im Jahre 1865 in England bei Bessemer probieren lassen und, nachdem die Versuche günstig ausgefallen waren, 1866 Bessemerwerke unter englischer Leitung errichtet, ebenso geschah es zu Reschitza. In Zeltweg wurde eine Bessemeranlage unter der Leitung des Grazer Werkes ausgeführt.
Neuberg erzielte 1866 sehr günstige Resultate. Daselbst wurden 607 Chargen verblasen und 30690 Centner reine Blöcke ausgebracht. In Prozenten betrug das Ausbringen an gereinigten Blöcken 83,36, Stahlabfall 1,96, Auswurf 0,78, Kamineisen 0,81, der Kalo 13,09. In der Heft erzielte man 82,67 Prozent reine Blöcke.
Die Herstellung blasenfreier Güsse war, um zuverlässiges Material zu erzeugen und den Abfall zu vermindern, von solcher Wichtigkeit, daſs zahlreiche Versuche und Erfindungen gemacht wurden, um diesen Zweck zu erreichen.
G. H. Benson führte kohlenhaltige Stoffe in die entkohlte Masse ein, um dadurch gebildete Eisenoxyde wieder zu zerlegen. Nach Caron tritt nämlich Spratzen und Blasenbildung im Moment des
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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
fach beschriebenen Prozeſs in groſsartigem Maſsstabe eingerichtet. Es
standen vier Birnen, die mit Gas angeheizt wurden, im Betrieb. Man
schmolz alte Schienen und alle Abfälle der Schienenfabrikation im
Kupolofen um, wobei das Eisen bis 2 Prozent Kohlenstoff aufnehmen
muſste.
Auf der neuen Bessemeranlage Mersey-Steel-Works bei Liverpool
hatte man den Gasbetrieb eingeführt und schmolz den Einsatz von
10 Tonnen Roheisen in der Birne mit Gas ein.
In der zweiten Hälfte des Oktober 1866 erfolgte auf dem neuen
Werke von Bessemer & Sons zu East-Greenwich der Guſs einer
Amboſsschale von 2000 Centner (100 Tonnen). Es geschah dies in
der Weise, daſs alle 20 Minuten eine Charge von 4 Tonnen in die
versenkte Form der Dampfhammer-Chabotte entleert wurde.
Die Verarbeitung der groſsen Stahlguſsblöcke erforderte viel
stärkere Apparate, Maschinen und Werkzeuge, als sie früher bei dem
Eisenwalzbetrieb gebräuchlich waren. Da man den Stahl nur bis zur
hellen Rotglut erwärmen durfte, baute man die Schweiſsöfen, die nur
mäſsige Hitze und keine oxydierende Flamme haben durften, sehr
geräumig, gab ihnen doppelt so groſse Roste mit beschränktem Luft-
zutritt, so daſs nur eine unvollkommene Verbrennung stattfand.
In Deutschland war das Bessemerwerk der Königin-Marienhütte
bei Zwickau in diesem Jahre vollendet worden.
In Österreich hatten die groſsen mährischen Eisenwerke Witkowitz
und Zöptau ihr Roheisen im Jahre 1865 in England bei Bessemer
probieren lassen und, nachdem die Versuche günstig ausgefallen waren,
1866 Bessemerwerke unter englischer Leitung errichtet, ebenso geschah
es zu Reschitza. In Zeltweg wurde eine Bessemeranlage unter der
Leitung des Grazer Werkes ausgeführt.
Neuberg erzielte 1866 sehr günstige Resultate. Daselbst wurden
607 Chargen verblasen und 30690 Centner reine Blöcke ausgebracht.
In Prozenten betrug das Ausbringen an gereinigten Blöcken 83,36,
Stahlabfall 1,96, Auswurf 0,78, Kamineisen 0,81, der Kalo 13,09. In
der Heft erzielte man 82,67 Prozent reine Blöcke.
Die Herstellung blasenfreier Güsse war, um zuverlässiges Material
zu erzeugen und den Abfall zu vermindern, von solcher Wichtigkeit,
daſs zahlreiche Versuche und Erfindungen gemacht wurden, um diesen
Zweck zu erreichen.
G. H. Benson führte kohlenhaltige Stoffe in die entkohlte Masse
ein, um dadurch gebildete Eisenoxyde wieder zu zerlegen. Nach
Caron tritt nämlich Spratzen und Blasenbildung im Moment des
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/169>, abgerufen am 24.11.2024.
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