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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Robert Mushet schlug vor, die Reinigung des Eisens von
Schwefel und Phosphor beim Bessemern dadurch zu bewirken, dass
man wiederholt reines Spiegeleisen zusetzt und dann wieder Luft durch-
bläst, bis das Metall genügend gereinigt ist (Patent vom 9. März 1865).
James Henderson wollte dies schon im Hochofen durch Zusatz
von Manganerzen, besonders aber durch Franklinit bewirken.

H. Bessemer nahm am 3. November ein neues Patent, dessen
Hauptzweck war, das Parrysche Verfahren, welches in Südwales
Eingang gefunden hatte, in den Bereich seiner Privilegien mit ein-
zubeziehen. Er erreichte dies dadurch, dass er das Feinen oder
Puddeln in einem neuerfundenen oscillierenden Gaspuddelofen
vornahm. Es sei auch nicht nötig, das Metall in Luppen zu formen,
dagegen empfiehlt er, die gepuddelte Masse dadurch zu zängen und
die Schlacke auszupressen, dass er sie zwischen wassergekühlte hori-
zontale Walzen durchgleiten lässt, wodurch sie zu Kuchen geformt
wird. Diese werden in einem Schachtofen mit Koks unter Zuleitung
von Kohlenoxydgas oder einem Gasflammofen wieder zu Roheisen
umgeschmolzen und dann mit etwas grauem Gusseisen vermischt in
der Birne verblasen.

Grill teilt mit, dass Bessemer im Jahre 1865 aus seinen Patent-
gebühren wöchentlich schon 1000 £. bezog, welche Summe sich in
kurzem auf 3000 £. erhöhen dürfte.

Über die Fortschritte der Bessemerindustrie im Jahre 1866
liegen gute Berichte von Ulrich, Wiebmer und Dressler 1), die in
diesem Jahre im Auftrag der preussischen Regierung England bereisten,
und von P. Tunner 2) vor. Letzterer konstatiert, dass in England
mehr, in Frankreich und Deutschland mindestens ebensoviel Bessemer-
metall erzeugt werde als in Schweden. Ein Zusatz von 10 bis
20 Prozent Spiegeleisen sei in den obengenannten Ländern allgemein
gebräuchlich. Die in Frankreich eingeführte Bewegung der Birne
durch Dampfkraft bezeichnet er als eine wesentliche Verbesserung.
Die selbstthätige Windabsperrung habe sich nicht bewährt. Die guten
Erfolge mit halbiertem Roheisen bewiesen, dass das Roheisen nicht
unbedingt grau und gar zu sein brauche. Man habe gelernt, die
Thonformen durch starkes Pressen und Brennen haltbarer zu machen.
Nach seiner Ansicht verdiene bei reinem Holzkohlenroheisen die
schwedische Methode den Vorzug, weil sie einfacher und billiger sei,
dagegen gewähre die englische grössere Sicherheit.


1) Preuss. Zeitschrift 1866.
2) Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1866, S. 173.
Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

Robert Mushet schlug vor, die Reinigung des Eisens von
Schwefel und Phosphor beim Bessemern dadurch zu bewirken, daſs
man wiederholt reines Spiegeleisen zusetzt und dann wieder Luft durch-
bläst, bis das Metall genügend gereinigt ist (Patent vom 9. März 1865).
James Henderson wollte dies schon im Hochofen durch Zusatz
von Manganerzen, besonders aber durch Franklinit bewirken.

H. Bessemer nahm am 3. November ein neues Patent, dessen
Hauptzweck war, das Parrysche Verfahren, welches in Südwales
Eingang gefunden hatte, in den Bereich seiner Privilegien mit ein-
zubeziehen. Er erreichte dies dadurch, daſs er das Feinen oder
Puddeln in einem neuerfundenen oscillierenden Gaspuddelofen
vornahm. Es sei auch nicht nötig, das Metall in Luppen zu formen,
dagegen empfiehlt er, die gepuddelte Masse dadurch zu zängen und
die Schlacke auszupressen, daſs er sie zwischen wassergekühlte hori-
zontale Walzen durchgleiten läſst, wodurch sie zu Kuchen geformt
wird. Diese werden in einem Schachtofen mit Koks unter Zuleitung
von Kohlenoxydgas oder einem Gasflammofen wieder zu Roheisen
umgeschmolzen und dann mit etwas grauem Guſseisen vermischt in
der Birne verblasen.

Grill teilt mit, daſs Bessemer im Jahre 1865 aus seinen Patent-
gebühren wöchentlich schon 1000 £. bezog, welche Summe sich in
kurzem auf 3000 £. erhöhen dürfte.

Über die Fortschritte der Bessemerindustrie im Jahre 1866
liegen gute Berichte von Ulrich, Wiebmer und Dreſsler 1), die in
diesem Jahre im Auftrag der preuſsischen Regierung England bereisten,
und von P. Tunner 2) vor. Letzterer konstatiert, daſs in England
mehr, in Frankreich und Deutschland mindestens ebensoviel Bessemer-
metall erzeugt werde als in Schweden. Ein Zusatz von 10 bis
20 Prozent Spiegeleisen sei in den obengenannten Ländern allgemein
gebräuchlich. Die in Frankreich eingeführte Bewegung der Birne
durch Dampfkraft bezeichnet er als eine wesentliche Verbesserung.
Die selbstthätige Windabsperrung habe sich nicht bewährt. Die guten
Erfolge mit halbiertem Roheisen bewiesen, daſs das Roheisen nicht
unbedingt grau und gar zu sein brauche. Man habe gelernt, die
Thonformen durch starkes Pressen und Brennen haltbarer zu machen.
Nach seiner Ansicht verdiene bei reinem Holzkohlenroheisen die
schwedische Methode den Vorzug, weil sie einfacher und billiger sei,
dagegen gewähre die englische gröſsere Sicherheit.


1) Preuſs. Zeitschrift 1866.
2) Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1866, S. 173.
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[151/0167] Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Robert Mushet schlug vor, die Reinigung des Eisens von Schwefel und Phosphor beim Bessemern dadurch zu bewirken, daſs man wiederholt reines Spiegeleisen zusetzt und dann wieder Luft durch- bläst, bis das Metall genügend gereinigt ist (Patent vom 9. März 1865). James Henderson wollte dies schon im Hochofen durch Zusatz von Manganerzen, besonders aber durch Franklinit bewirken. H. Bessemer nahm am 3. November ein neues Patent, dessen Hauptzweck war, das Parrysche Verfahren, welches in Südwales Eingang gefunden hatte, in den Bereich seiner Privilegien mit ein- zubeziehen. Er erreichte dies dadurch, daſs er das Feinen oder Puddeln in einem neuerfundenen oscillierenden Gaspuddelofen vornahm. Es sei auch nicht nötig, das Metall in Luppen zu formen, dagegen empfiehlt er, die gepuddelte Masse dadurch zu zängen und die Schlacke auszupressen, daſs er sie zwischen wassergekühlte hori- zontale Walzen durchgleiten läſst, wodurch sie zu Kuchen geformt wird. Diese werden in einem Schachtofen mit Koks unter Zuleitung von Kohlenoxydgas oder einem Gasflammofen wieder zu Roheisen umgeschmolzen und dann mit etwas grauem Guſseisen vermischt in der Birne verblasen. Grill teilt mit, daſs Bessemer im Jahre 1865 aus seinen Patent- gebühren wöchentlich schon 1000 £. bezog, welche Summe sich in kurzem auf 3000 £. erhöhen dürfte. Über die Fortschritte der Bessemerindustrie im Jahre 1866 liegen gute Berichte von Ulrich, Wiebmer und Dreſsler 1), die in diesem Jahre im Auftrag der preuſsischen Regierung England bereisten, und von P. Tunner 2) vor. Letzterer konstatiert, daſs in England mehr, in Frankreich und Deutschland mindestens ebensoviel Bessemer- metall erzeugt werde als in Schweden. Ein Zusatz von 10 bis 20 Prozent Spiegeleisen sei in den obengenannten Ländern allgemein gebräuchlich. Die in Frankreich eingeführte Bewegung der Birne durch Dampfkraft bezeichnet er als eine wesentliche Verbesserung. Die selbstthätige Windabsperrung habe sich nicht bewährt. Die guten Erfolge mit halbiertem Roheisen bewiesen, daſs das Roheisen nicht unbedingt grau und gar zu sein brauche. Man habe gelernt, die Thonformen durch starkes Pressen und Brennen haltbarer zu machen. Nach seiner Ansicht verdiene bei reinem Holzkohlenroheisen die schwedische Methode den Vorzug, weil sie einfacher und billiger sei, dagegen gewähre die englische gröſsere Sicherheit. 1) Preuſs. Zeitschrift 1866. 2) Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1866, S. 173.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/167>, abgerufen am 26.04.2024.