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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Frankreich.
Meurthe et Moselle zu gemeinschaftlichem Verkauf ihrer Roheisen-
erzeugung (Syndikat).

F. Gautier wies 1887 zuerst auf die planmässige Verwendung
von Ferrosilicium in der Eisengiesserei hin. 1888 hielt er hierüber
bei der Maiversammlung des Iron and Steel Institute in London einen
Vortrag.

Zu Imphy stellte man 1887 eine Eisen-Nickellegierung mit
25 Prozent Nickel im Tiegel dar. Zu Longwy wurde 1887 in zwei
Thomasbirnen zu 15 Tonnen Einsatz ein guter, weicher Stahl erzeugt,
der als "Special Longwy" bezeichnet wurde. Das Roheisen wurde
flüssig vom Hochofen in Pfannenwagen zur Birne gebracht, und man
schmolz nur noch das Spiegeleisen im Kupolofen um.

1888 erfanden Mesure und Nouel ihr optisches Pyrometer
(lunette pyrometrique).

1889 fand die vierte Weltausstellung in Paris statt, die an Umfang
alle früheren übertraf, in der die Eisenindustrie aber sehr unvoll-
ständig zur Darstellung kam, weil infolge der ungünstigen politischen
Lage die Beteiligung des Auslandes gering war. Um so aus-
giebiger hatte die französische Eisenindustrie1) ausgestellt, und auch
diese Ausstellung bildet einen Markstein ihrer Entwickelung. Das
grosse Schaustück der Ausstellung war der ganz aus Eisen erbaute
300 m hohe Eiffelturm. Der Riesenbau bestand aus 12000 Eisen-
teilen, die mit 21/2 Millionen Nieten verbunden waren; das Eisengewicht
betrug 9 Millionen Kilogramm, die Herstellungskosten 61/2 Millionen Frcs.
Das Eisen war von Fould-Dupont zu Pompey (Meurthe et Moselle) ge-
liefert. Das gesamte Eisenwerk wurde in den Eiffelschen Werken
zu Levallois Perret fertiggestellt.

Von praktischerem Wert und kaum weniger grossartig war die
eiserne Maschinenhalle2) von 105 m Spannweite, 48 m Höhe und 420 m
Länge. Es war die grösste Halle der Welt und dabei doch schön.
Die Ausführung der Mittelhalle war von zwei Gesellschaften: Fives-
Lille und Cail übernommen worden.

In der Ausstellung war der Süden Frankreichs, der aus reichen,
reinen Erzen Qualitätseisen erzeugt, besser vertreten als das
mittlere und nördliche Frankreich, welches mehr die Minetteerze des
Mosel- und Maasgebietes zu Massenartikeln verarbeitete. -- Von den
Werken aus dem südlichen Frankreich thaten sich besonders die

1) Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 692, 852, 907.
2) A. a. O. 1889, S. 564.

Frankreich.
Meurthe et Moselle zu gemeinschaftlichem Verkauf ihrer Roheisen-
erzeugung (Syndikat).

F. Gautier wies 1887 zuerst auf die planmäſsige Verwendung
von Ferrosilicium in der Eisengieſserei hin. 1888 hielt er hierüber
bei der Maiversammlung des Iron and Steel Institute in London einen
Vortrag.

Zu Imphy stellte man 1887 eine Eisen-Nickellegierung mit
25 Prozent Nickel im Tiegel dar. Zu Longwy wurde 1887 in zwei
Thomasbirnen zu 15 Tonnen Einsatz ein guter, weicher Stahl erzeugt,
der als „Special Longwy“ bezeichnet wurde. Das Roheisen wurde
flüssig vom Hochofen in Pfannenwagen zur Birne gebracht, und man
schmolz nur noch das Spiegeleisen im Kupolofen um.

1888 erfanden Mesuré und Nouel ihr optisches Pyrometer
(lunette pyrométrique).

1889 fand die vierte Weltausstellung in Paris statt, die an Umfang
alle früheren übertraf, in der die Eisenindustrie aber sehr unvoll-
ständig zur Darstellung kam, weil infolge der ungünstigen politischen
Lage die Beteiligung des Auslandes gering war. Um so aus-
giebiger hatte die französische Eisenindustrie1) ausgestellt, und auch
diese Ausstellung bildet einen Markstein ihrer Entwickelung. Das
groſse Schaustück der Ausstellung war der ganz aus Eisen erbaute
300 m hohe Eiffelturm. Der Riesenbau bestand aus 12000 Eisen-
teilen, die mit 2½ Millionen Nieten verbunden waren; das Eisengewicht
betrug 9 Millionen Kilogramm, die Herstellungskosten 6½ Millionen Frcs.
Das Eisen war von Fould-Dupont zu Pompey (Meurthe et Moselle) ge-
liefert. Das gesamte Eisenwerk wurde in den Eiffelschen Werken
zu Levallois Perret fertiggestellt.

Von praktischerem Wert und kaum weniger groſsartig war die
eiserne Maschinenhalle2) von 105 m Spannweite, 48 m Höhe und 420 m
Länge. Es war die gröſste Halle der Welt und dabei doch schön.
Die Ausführung der Mittelhalle war von zwei Gesellschaften: Fives-
Lille und Cail übernommen worden.

In der Ausstellung war der Süden Frankreichs, der aus reichen,
reinen Erzen Qualitätseisen erzeugt, besser vertreten als das
mittlere und nördliche Frankreich, welches mehr die Minetteerze des
Mosel- und Maasgebietes zu Massenartikeln verarbeitete. — Von den
Werken aus dem südlichen Frankreich thaten sich besonders die

1) Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 692, 852, 907.
2) A. a. O. 1889, S. 564.
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[1092/1108] Frankreich. Meurthe et Moselle zu gemeinschaftlichem Verkauf ihrer Roheisen- erzeugung (Syndikat). F. Gautier wies 1887 zuerst auf die planmäſsige Verwendung von Ferrosilicium in der Eisengieſserei hin. 1888 hielt er hierüber bei der Maiversammlung des Iron and Steel Institute in London einen Vortrag. Zu Imphy stellte man 1887 eine Eisen-Nickellegierung mit 25 Prozent Nickel im Tiegel dar. Zu Longwy wurde 1887 in zwei Thomasbirnen zu 15 Tonnen Einsatz ein guter, weicher Stahl erzeugt, der als „Special Longwy“ bezeichnet wurde. Das Roheisen wurde flüssig vom Hochofen in Pfannenwagen zur Birne gebracht, und man schmolz nur noch das Spiegeleisen im Kupolofen um. 1888 erfanden Mesuré und Nouel ihr optisches Pyrometer (lunette pyrométrique). 1889 fand die vierte Weltausstellung in Paris statt, die an Umfang alle früheren übertraf, in der die Eisenindustrie aber sehr unvoll- ständig zur Darstellung kam, weil infolge der ungünstigen politischen Lage die Beteiligung des Auslandes gering war. Um so aus- giebiger hatte die französische Eisenindustrie 1) ausgestellt, und auch diese Ausstellung bildet einen Markstein ihrer Entwickelung. Das groſse Schaustück der Ausstellung war der ganz aus Eisen erbaute 300 m hohe Eiffelturm. Der Riesenbau bestand aus 12000 Eisen- teilen, die mit 2½ Millionen Nieten verbunden waren; das Eisengewicht betrug 9 Millionen Kilogramm, die Herstellungskosten 6½ Millionen Frcs. Das Eisen war von Fould-Dupont zu Pompey (Meurthe et Moselle) ge- liefert. Das gesamte Eisenwerk wurde in den Eiffelschen Werken zu Levallois Perret fertiggestellt. Von praktischerem Wert und kaum weniger groſsartig war die eiserne Maschinenhalle 2) von 105 m Spannweite, 48 m Höhe und 420 m Länge. Es war die gröſste Halle der Welt und dabei doch schön. Die Ausführung der Mittelhalle war von zwei Gesellschaften: Fives- Lille und Cail übernommen worden. In der Ausstellung war der Süden Frankreichs, der aus reichen, reinen Erzen Qualitätseisen erzeugt, besser vertreten als das mittlere und nördliche Frankreich, welches mehr die Minetteerze des Mosel- und Maasgebietes zu Massenartikeln verarbeitete. — Von den Werken aus dem südlichen Frankreich thaten sich besonders die 1) Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 692, 852, 907. 2) A. a. O. 1889, S. 564.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1092. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1108>, abgerufen am 17.05.2024.