Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite
Stahlbereitung 1851 bis 1860.

Professor A. K. Eaton in Nordamerika fand in der Kohlen-
säure ein wirksames Entkohlungsmittel des Roheisens. Er beschickte
eine Retorte am Boden mit Kalkstücken und darüber mit Gusseisen-
stücken und erhitzte. Das entweichende Gas war brennbar. Hörte es
auf, sich zu entzünden, so war die Entkohlung beendet und das Roh-
eisen war in Stahl verwandelt.

Für die Massenstahlbereitung war in den 50er Jahren das Stahl-
puddeln
das wichtigste Verfahren, welches von Westfalen aus rasche
Verbreitung fand. Im Ruhrgebiete erblühte die Puddelstahlfabrikation
besonders zu Hörde und Haspe. Die Produktion des Hörder Eisenwerkes
war seit 1850 von Jahr zu Jahr gewachsen; 1855 erzeugte es
60000 Ctr. Blech, 80000 Ctr. diverses Stabeisen, 430000 Ctr. Eisen-
bahnschienen, Räder und Achsen und 30000 Ctr. Puddelstahl. Hörde
hat zuerst Radreifen (tyres) aus Puddelstahl hergestellt. Ferner kamen
Eisenbahnschienen mit Puddelstahlkopf in Aufnahme. Sehr wichtig
war auch die Verwendung des Puddelstahles zur Bereitung von Stahl-
blech. In Haspe gingen um 1855 fünf Puddelöfen beständig auf Stahl.

H. Fehland, der 1850 bei Falkenroth & Komp. in Haspe an-
gestellt war, erwarb sich grosse Verdienste um die Einführung des
Puddelstahlprozesses. Er stellte 1851 auf dem v. Sesslerschen Werke
zu Krieglach den ersten Puddelstahl nach Bremmes Methode in
Österreich dar.

H. Fehland hatte die Puddelstahlfabrikation für die Firma
Lohage, Bremme & Komp. im Jahre 1851 in Lowmoor in Eng-
land, in St. Maurice bei Paris eingeführt, 1853 setzte derselbe auch
ein kleines Stahlwerk in Hagen in Betrieb, aus dem sich später die
Stahlwerke Asbeck, Osthaus, Eicken & Komp. entwickelten. Trotz
dieser Erfolge kamen die Erfinder Lohage und Bremme auf keinen
grünen Zweig, woran der ungezügelte Erfindungsdrang Lohages, der
sich auf alle Gebiete warf, schuld war 1).

Der Puddelstahl stellte sich in Westfalen 30 bis 37 Proz. billiger
als roher Schmelzstahl, den er in Westfalen vielfach ersetzte. Seine
Hauptverwendung war aber für grobe Waren, wie Achsen, Kurbeln,
Spurkranzreifen und dergleichen; zu Schneidewaren, Klingen,
Feilen u. s. w. wurde er dagegen nicht verarbeitet. Man hatte es
bei dieser Fabrikation weit mehr in der Hand, harte und weiche
Sorten zu machen, als bei dem Herdfrischen. Man puddelte Mittel-
sorten zwischen Stahl und Eisen, körniges Eisen für Weissblech,

1) Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 224.
Stahlbereitung 1851 bis 1860.

Professor A. K. Eaton in Nordamerika fand in der Kohlen-
säure ein wirksames Entkohlungsmittel des Roheisens. Er beschickte
eine Retorte am Boden mit Kalkstücken und darüber mit Guſseisen-
stücken und erhitzte. Das entweichende Gas war brennbar. Hörte es
auf, sich zu entzünden, so war die Entkohlung beendet und das Roh-
eisen war in Stahl verwandelt.

Für die Massenstahlbereitung war in den 50er Jahren das Stahl-
puddeln
das wichtigste Verfahren, welches von Westfalen aus rasche
Verbreitung fand. Im Ruhrgebiete erblühte die Puddelstahlfabrikation
besonders zu Hörde und Haspe. Die Produktion des Hörder Eisenwerkes
war seit 1850 von Jahr zu Jahr gewachsen; 1855 erzeugte es
60000 Ctr. Blech, 80000 Ctr. diverses Stabeisen, 430000 Ctr. Eisen-
bahnschienen, Räder und Achsen und 30000 Ctr. Puddelstahl. Hörde
hat zuerst Radreifen (tyres) aus Puddelstahl hergestellt. Ferner kamen
Eisenbahnschienen mit Puddelstahlkopf in Aufnahme. Sehr wichtig
war auch die Verwendung des Puddelstahles zur Bereitung von Stahl-
blech. In Haspe gingen um 1855 fünf Puddelöfen beständig auf Stahl.

H. Fehland, der 1850 bei Falkenroth & Komp. in Haspe an-
gestellt war, erwarb sich groſse Verdienste um die Einführung des
Puddelstahlprozesses. Er stellte 1851 auf dem v. Seſslerschen Werke
zu Krieglach den ersten Puddelstahl nach Bremmes Methode in
Österreich dar.

H. Fehland hatte die Puddelstahlfabrikation für die Firma
Lohage, Bremme & Komp. im Jahre 1851 in Lowmoor in Eng-
land, in St. Maurice bei Paris eingeführt, 1853 setzte derselbe auch
ein kleines Stahlwerk in Hagen in Betrieb, aus dem sich später die
Stahlwerke Asbeck, Osthaus, Eicken & Komp. entwickelten. Trotz
dieser Erfolge kamen die Erfinder Lohage und Bremme auf keinen
grünen Zweig, woran der ungezügelte Erfindungsdrang Lohages, der
sich auf alle Gebiete warf, schuld war 1).

Der Puddelstahl stellte sich in Westfalen 30 bis 37 Proz. billiger
als roher Schmelzstahl, den er in Westfalen vielfach ersetzte. Seine
Hauptverwendung war aber für grobe Waren, wie Achsen, Kurbeln,
Spurkranzreifen und dergleichen; zu Schneidewaren, Klingen,
Feilen u. s. w. wurde er dagegen nicht verarbeitet. Man hatte es
bei dieser Fabrikation weit mehr in der Hand, harte und weiche
Sorten zu machen, als bei dem Herdfrischen. Man puddelte Mittel-
sorten zwischen Stahl und Eisen, körniges Eisen für Weiſsblech,

1) Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 224.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0911" n="895"/>
            <fw place="top" type="header">Stahlbereitung 1851 bis 1860.</fw><lb/>
            <p>Professor A. K. <hi rendition="#g">Eaton</hi> in Nordamerika fand in der Kohlen-<lb/>
säure ein wirksames Entkohlungsmittel des Roheisens. Er beschickte<lb/>
eine Retorte am Boden mit Kalkstücken und darüber mit Gu&#x017F;seisen-<lb/>
stücken und erhitzte. Das entweichende Gas war brennbar. Hörte es<lb/>
auf, sich zu entzünden, so war die Entkohlung beendet und das Roh-<lb/>
eisen war in Stahl verwandelt.</p><lb/>
            <p>Für die Massenstahlbereitung war in den 50er Jahren das <hi rendition="#g">Stahl-<lb/>
puddeln</hi> das wichtigste Verfahren, welches von Westfalen aus rasche<lb/>
Verbreitung fand. Im Ruhrgebiete erblühte die Puddelstahlfabrikation<lb/>
besonders zu Hörde und Haspe. Die Produktion des Hörder Eisenwerkes<lb/>
war seit 1850 von Jahr zu Jahr gewachsen; 1855 erzeugte es<lb/>
60000 Ctr. Blech, 80000 Ctr. diverses Stabeisen, 430000 Ctr. Eisen-<lb/>
bahnschienen, Räder und Achsen und 30000 Ctr. Puddelstahl. Hörde<lb/>
hat zuerst Radreifen (tyres) aus Puddelstahl hergestellt. Ferner kamen<lb/>
Eisenbahnschienen mit Puddelstahlkopf in Aufnahme. Sehr wichtig<lb/>
war auch die Verwendung des Puddelstahles zur Bereitung von Stahl-<lb/>
blech. In Haspe gingen um 1855 fünf Puddelöfen beständig auf Stahl.</p><lb/>
            <p>H. <hi rendition="#g">Fehland</hi>, der 1850 bei <hi rendition="#g">Falkenroth &amp; Komp</hi>. in Haspe an-<lb/>
gestellt war, erwarb sich gro&#x017F;se Verdienste um die Einführung des<lb/>
Puddelstahlprozesses. Er stellte 1851 auf dem v. <hi rendition="#g">Se&#x017F;slers</hi>chen Werke<lb/>
zu Krieglach den ersten Puddelstahl nach <hi rendition="#g">Bremmes</hi> Methode in<lb/>
Österreich dar.</p><lb/>
            <p>H. <hi rendition="#g">Fehland</hi> hatte die Puddelstahlfabrikation für die Firma<lb/><hi rendition="#g">Lohage, Bremme &amp; Komp</hi>. im Jahre 1851 in Lowmoor in Eng-<lb/>
land, in St. Maurice bei Paris eingeführt, 1853 setzte derselbe auch<lb/>
ein kleines Stahlwerk in Hagen in Betrieb, aus dem sich später die<lb/>
Stahlwerke <hi rendition="#g">Asbeck, Osthaus, Eicken &amp; Komp</hi>. entwickelten. Trotz<lb/>
dieser Erfolge kamen die Erfinder <hi rendition="#g">Lohage</hi> und <hi rendition="#g">Bremme</hi> auf keinen<lb/>
grünen Zweig, woran der ungezügelte Erfindungsdrang <hi rendition="#g">Lohages</hi>, der<lb/>
sich auf alle Gebiete warf, schuld war <note place="foot" n="1)">Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 224.</note>.</p><lb/>
            <p>Der Puddelstahl stellte sich in Westfalen 30 bis 37 Proz. billiger<lb/>
als roher Schmelzstahl, den er in Westfalen vielfach ersetzte. Seine<lb/>
Hauptverwendung war aber für grobe Waren, wie Achsen, Kurbeln,<lb/>
Spurkranzreifen und dergleichen; zu Schneidewaren, Klingen,<lb/>
Feilen u. s. w. wurde er dagegen nicht verarbeitet. Man hatte es<lb/>
bei dieser Fabrikation weit mehr in der Hand, harte und weiche<lb/>
Sorten zu machen, als bei dem Herdfrischen. Man puddelte Mittel-<lb/>
sorten zwischen Stahl und Eisen, körniges Eisen für Wei&#x017F;sblech,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[895/0911] Stahlbereitung 1851 bis 1860. Professor A. K. Eaton in Nordamerika fand in der Kohlen- säure ein wirksames Entkohlungsmittel des Roheisens. Er beschickte eine Retorte am Boden mit Kalkstücken und darüber mit Guſseisen- stücken und erhitzte. Das entweichende Gas war brennbar. Hörte es auf, sich zu entzünden, so war die Entkohlung beendet und das Roh- eisen war in Stahl verwandelt. Für die Massenstahlbereitung war in den 50er Jahren das Stahl- puddeln das wichtigste Verfahren, welches von Westfalen aus rasche Verbreitung fand. Im Ruhrgebiete erblühte die Puddelstahlfabrikation besonders zu Hörde und Haspe. Die Produktion des Hörder Eisenwerkes war seit 1850 von Jahr zu Jahr gewachsen; 1855 erzeugte es 60000 Ctr. Blech, 80000 Ctr. diverses Stabeisen, 430000 Ctr. Eisen- bahnschienen, Räder und Achsen und 30000 Ctr. Puddelstahl. Hörde hat zuerst Radreifen (tyres) aus Puddelstahl hergestellt. Ferner kamen Eisenbahnschienen mit Puddelstahlkopf in Aufnahme. Sehr wichtig war auch die Verwendung des Puddelstahles zur Bereitung von Stahl- blech. In Haspe gingen um 1855 fünf Puddelöfen beständig auf Stahl. H. Fehland, der 1850 bei Falkenroth & Komp. in Haspe an- gestellt war, erwarb sich groſse Verdienste um die Einführung des Puddelstahlprozesses. Er stellte 1851 auf dem v. Seſslerschen Werke zu Krieglach den ersten Puddelstahl nach Bremmes Methode in Österreich dar. H. Fehland hatte die Puddelstahlfabrikation für die Firma Lohage, Bremme & Komp. im Jahre 1851 in Lowmoor in Eng- land, in St. Maurice bei Paris eingeführt, 1853 setzte derselbe auch ein kleines Stahlwerk in Hagen in Betrieb, aus dem sich später die Stahlwerke Asbeck, Osthaus, Eicken & Komp. entwickelten. Trotz dieser Erfolge kamen die Erfinder Lohage und Bremme auf keinen grünen Zweig, woran der ungezügelte Erfindungsdrang Lohages, der sich auf alle Gebiete warf, schuld war 1). Der Puddelstahl stellte sich in Westfalen 30 bis 37 Proz. billiger als roher Schmelzstahl, den er in Westfalen vielfach ersetzte. Seine Hauptverwendung war aber für grobe Waren, wie Achsen, Kurbeln, Spurkranzreifen und dergleichen; zu Schneidewaren, Klingen, Feilen u. s. w. wurde er dagegen nicht verarbeitet. Man hatte es bei dieser Fabrikation weit mehr in der Hand, harte und weiche Sorten zu machen, als bei dem Herdfrischen. Man puddelte Mittel- sorten zwischen Stahl und Eisen, körniges Eisen für Weiſsblech, 1) Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 224.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/911
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 895. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/911>, abgerufen am 23.11.2024.