Zu Haspe hatte man Rohstahlstäbe nach dem ersten Verfahren mit einem Überzuge von Thon geglüht, ohne besondere Resultate zu erzielen. F. Lohmann in Witten hatte 1851 in London "adduzierten Stahl" ausgestellt. Weber in Glattbach und Bilfinger zu Friedrichs- thal in Württemberg machten 1850 Versuche, schmiedbares Eisen durch einen Glühprozess aus Roheisen darzustellen.
Zu industrieller Bedeutung gelangte aber das Glühstahlfrischen erst 1855 durch Tunner1), der dieses Verfahren zu Eibiswald und Leoben durchprobierte und zu dem Schlusse kam, dass die einfache Ent- kohlung des Gusseisens durch Luft am zweckmässigsten sei. Er be- schränkte den Luftzutritt durch Einpacken der Gussstäbe in groben Quarzsand. Die Stäbe waren aus weissem, aus Spateisenstein erblasenem Roheisen gegossen und 7 bis 9 Linien dick. Das Glühen geschah in Thonkisten, welche etwa 5000 kg fassten, in Stahlcementieröfen und dauerte 15 bis 35 Tage.
Die chemische Veränderung, welche das Roheisen durch den Glühprozess erleidet, wird durch die folgenden zwei Analysen von Gottlieb in Gratz illustriert 2):
im Roheisen im Gussstahl
Eisen
Mangan
95,65
98,442 0,447
Kohlenstoff 3,34 0,855
Silicium 1,01 0,256
Das Verfahren war sehr billig, man hatte 3 Proz. Abgang und 10 Proz. Ausschuss. Das Produkt war aber sehr ungleich und direkt kaum zu verwenden. Zum Umschmelzen zu Gussstahl dagegen war es geeignet. Doch hat auch dieses Verfahren, welches ein ausser- ordentlich reines Roheisen voraussetzt, weil alle Verunreinigungen in den Stahl übergehen, keine Verbreitung gefunden.
Die Entkohlung des Roheisens durch Oxyde in der Weise der Darstellung des schmiedbaren Gusses liess sich 1852 Jullien paten- tieren 3). Er verwendete auf der Hütte zu Montataire aus grauem Roheisen in Sand oder erwärmten Eisenformen stehend gegossene Stäbe und glühte dieselben in Eisenoxyd oder Zinkoxyd und zwar hatten sich Hammerschlag oder Galmei dafür am besten bewährt. Die entkohlten Stäbe wurden direkt ausgereckt und dann durch Cemen- tation wieder höher gekohlt.
1) Siehe Tunners Jahrbuch, Bd. 6, S. 99.
2) Siehe Österr. Jahrbuch, Bd. 6, S. 105.
3) Siehe Armengaud, Genie industriel, Decbr. 1852, p. 299.
Stahlbereitung 1851 bis 1860.
Zu Haspe hatte man Rohstahlstäbe nach dem ersten Verfahren mit einem Überzuge von Thon geglüht, ohne besondere Resultate zu erzielen. F. Lohmann in Witten hatte 1851 in London „adduzierten Stahl“ ausgestellt. Weber in Glattbach und Bilfinger zu Friedrichs- thal in Württemberg machten 1850 Versuche, schmiedbares Eisen durch einen Glühprozeſs aus Roheisen darzustellen.
Zu industrieller Bedeutung gelangte aber das Glühstahlfrischen erst 1855 durch Tunner1), der dieses Verfahren zu Eibiswald und Leoben durchprobierte und zu dem Schlusse kam, daſs die einfache Ent- kohlung des Guſseisens durch Luft am zweckmäſsigsten sei. Er be- schränkte den Luftzutritt durch Einpacken der Guſsstäbe in groben Quarzsand. Die Stäbe waren aus weiſsem, aus Spateisenstein erblasenem Roheisen gegossen und 7 bis 9 Linien dick. Das Glühen geschah in Thonkisten, welche etwa 5000 kg faſsten, in Stahlcementieröfen und dauerte 15 bis 35 Tage.
Die chemische Veränderung, welche das Roheisen durch den Glühprozeſs erleidet, wird durch die folgenden zwei Analysen von Gottlieb in Gratz illustriert 2):
im Roheisen im Guſsstahl
Eisen
Mangan
95,65
98,442 0,447
Kohlenstoff 3,34 0,855
Silicium 1,01 0,256
Das Verfahren war sehr billig, man hatte 3 Proz. Abgang und 10 Proz. Ausschuſs. Das Produkt war aber sehr ungleich und direkt kaum zu verwenden. Zum Umschmelzen zu Guſsstahl dagegen war es geeignet. Doch hat auch dieses Verfahren, welches ein auſser- ordentlich reines Roheisen voraussetzt, weil alle Verunreinigungen in den Stahl übergehen, keine Verbreitung gefunden.
Die Entkohlung des Roheisens durch Oxyde in der Weise der Darstellung des schmiedbaren Gusses lieſs sich 1852 Jullien paten- tieren 3). Er verwendete auf der Hütte zu Montataire aus grauem Roheisen in Sand oder erwärmten Eisenformen stehend gegossene Stäbe und glühte dieselben in Eisenoxyd oder Zinkoxyd und zwar hatten sich Hammerschlag oder Galmei dafür am besten bewährt. Die entkohlten Stäbe wurden direkt ausgereckt und dann durch Cemen- tation wieder höher gekohlt.
1) Siehe Tunners Jahrbuch, Bd. 6, S. 99.
2) Siehe Österr. Jahrbuch, Bd. 6, S. 105.
3) Siehe Armengaud, Génie industriel, Decbr. 1852, p. 299.
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Stahlbereitung 1851 bis 1860.
Zu Haspe hatte man Rohstahlstäbe nach dem ersten Verfahren
mit einem Überzuge von Thon geglüht, ohne besondere Resultate zu
erzielen. F. Lohmann in Witten hatte 1851 in London „adduzierten
Stahl“ ausgestellt. Weber in Glattbach und Bilfinger zu Friedrichs-
thal in Württemberg machten 1850 Versuche, schmiedbares Eisen
durch einen Glühprozeſs aus Roheisen darzustellen.
Zu industrieller Bedeutung gelangte aber das Glühstahlfrischen
erst 1855 durch Tunner 1), der dieses Verfahren zu Eibiswald und
Leoben durchprobierte und zu dem Schlusse kam, daſs die einfache Ent-
kohlung des Guſseisens durch Luft am zweckmäſsigsten sei. Er be-
schränkte den Luftzutritt durch Einpacken der Guſsstäbe in groben
Quarzsand. Die Stäbe waren aus weiſsem, aus Spateisenstein erblasenem
Roheisen gegossen und 7 bis 9 Linien dick. Das Glühen geschah in
Thonkisten, welche etwa 5000 kg faſsten, in Stahlcementieröfen und
dauerte 15 bis 35 Tage.
Die chemische Veränderung, welche das Roheisen durch den
Glühprozeſs erleidet, wird durch die folgenden zwei Analysen von
Gottlieb in Gratz illustriert 2):
im Roheisen im Guſsstahl
Eisen
Mangan
95,65
98,442
0,447
Kohlenstoff 3,34 0,855
Silicium 1,01 0,256
Das Verfahren war sehr billig, man hatte 3 Proz. Abgang und
10 Proz. Ausschuſs. Das Produkt war aber sehr ungleich und
direkt kaum zu verwenden. Zum Umschmelzen zu Guſsstahl dagegen
war es geeignet. Doch hat auch dieses Verfahren, welches ein auſser-
ordentlich reines Roheisen voraussetzt, weil alle Verunreinigungen
in den Stahl übergehen, keine Verbreitung gefunden.
Die Entkohlung des Roheisens durch Oxyde in der Weise der
Darstellung des schmiedbaren Gusses lieſs sich 1852 Jullien paten-
tieren 3). Er verwendete auf der Hütte zu Montataire aus grauem
Roheisen in Sand oder erwärmten Eisenformen stehend gegossene
Stäbe und glühte dieselben in Eisenoxyd oder Zinkoxyd und zwar
hatten sich Hammerschlag oder Galmei dafür am besten bewährt. Die
entkohlten Stäbe wurden direkt ausgereckt und dann durch Cemen-
tation wieder höher gekohlt.
1) Siehe Tunners Jahrbuch, Bd. 6, S. 99.
2) Siehe Österr. Jahrbuch, Bd. 6, S. 105.
3) Siehe Armengaud, Génie industriel, Decbr. 1852, p. 299.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 894. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/910>, abgerufen am 23.11.2024.
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