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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Die Eisenbahnen bis 1830.
Dingen auch schon verschiedene Trambahnen gebaut hatte, war der
dritte, der denselben Plan fasste und Sandars seine Dienste anbot.
Er übernahm es, eine vorläufige Vermessung vorzunehmen, stiess aber
auf hartnäckigen und erbitterten Widerstand seitens der Grundbesitzer.
Trotz dieser Schwierigkeiten brachte James eine oberflächliche Ver-
messung zu stande. Auch begab er sich nach Killingworth, sah
Stephensons Lokomotive arbeiten und war überrascht von ihrer
Leistung. Er wurde mit Stephenson bekannt, versprach diesem,
seine Lokomotiven einzuführen, und das Verhältnis führte zu einer
Beteiligung an der Lokomotivfabrik, woraus aber Stephenson kein
direkter Nutzen erwuchs. Dagegen wurde dies wieder die Veran-
lassung, dass Stephenson seinen Sohn Robert Herrn James als
Gehülfen bei der Ausführung einer zweiten Vermessung, da die erste
ungenügend war, mitgab. James kam aber mit diesem zweiten Pro-
jekt nicht zu Ende, Krankheit und der Zusammenbruch seines Ver-
mögens verhinderten ihn daran. Das Eisenbahnkomitee war durch
diese neue Verzögerung in grosser Verlegenheit. Inzwischen hatte
Sandars selbst die persönliche Bekanntschaft von George Stephen-
son
gemacht und in ihm den einzig richtigen Mann erkannt, das
grosse und schwierige Unternehmen zu einem guten Ende zu führen.
Einstimmig wurde Stephenson zum leitenden Ingenieur erwählt.
Sandars hatte inzwischen mit Eifer und Energie für das Unter-
nehmen gewirkt und eine Gesellschaft von reichen Kapitalisten zur
Ausführung desselben zusammengebracht. Eine zweispurige Eisenbahn-
linie wurde beschlossen. Der erste Prospekt wurde am 29. Oktober
1824 verschickt; die Anlagekosten wurden darin zu 400000 £ veran-
schlagt, eine Summe, die viel zu niedrig gegriffen war.

Stephenson führte inzwischen unter grossen Schwierigkeiten
seine Vermessungsarbeiten fort, denn die Grundbesitzer agitierten
gegen das Unternehmen und hetzten ihre Arbeiter und das ungebil-
dete Volk gegen die Ingenieure auf. In Broschüren und Zeitungs-
artikeln wurde gegen das Projekt losgezogen. Man streute aus, die
Lokomotiven würden das Land unglücklich machen; wo sie führen,
da hörten die Kühe auf zu weiden und die Hühner Eier zu legen.
Durch den giftigen Hauch der Lokomotiven würden die Vögel in der
Luft getötet; Fasanen- und Fuchsjagden wären nicht mehr möglich.
Die Luft würde verpestet durch den Rauch und alle Häuser in der
Nähe der Bahnlinien würden in Brand geraten. Das Fuhrwerk würde
überflüssig, Pferde wertlos, Hafer fände keine Käufer mehr, Fuhrleute
und Kutscher müssten verhungern. Reisen würde lebensgefährlich,

Die Eisenbahnen bis 1830.
Dingen auch schon verschiedene Trambahnen gebaut hatte, war der
dritte, der denselben Plan faſste und Sandars seine Dienste anbot.
Er übernahm es, eine vorläufige Vermessung vorzunehmen, stieſs aber
auf hartnäckigen und erbitterten Widerstand seitens der Grundbesitzer.
Trotz dieser Schwierigkeiten brachte James eine oberflächliche Ver-
messung zu stande. Auch begab er sich nach Killingworth, sah
Stephensons Lokomotive arbeiten und war überrascht von ihrer
Leistung. Er wurde mit Stephenson bekannt, versprach diesem,
seine Lokomotiven einzuführen, und das Verhältnis führte zu einer
Beteiligung an der Lokomotivfabrik, woraus aber Stephenson kein
direkter Nutzen erwuchs. Dagegen wurde dies wieder die Veran-
lassung, daſs Stephenson seinen Sohn Robert Herrn James als
Gehülfen bei der Ausführung einer zweiten Vermessung, da die erste
ungenügend war, mitgab. James kam aber mit diesem zweiten Pro-
jekt nicht zu Ende, Krankheit und der Zusammenbruch seines Ver-
mögens verhinderten ihn daran. Das Eisenbahnkomitee war durch
diese neue Verzögerung in groſser Verlegenheit. Inzwischen hatte
Sandars selbst die persönliche Bekanntschaft von George Stephen-
son
gemacht und in ihm den einzig richtigen Mann erkannt, das
groſse und schwierige Unternehmen zu einem guten Ende zu führen.
Einstimmig wurde Stephenson zum leitenden Ingenieur erwählt.
Sandars hatte inzwischen mit Eifer und Energie für das Unter-
nehmen gewirkt und eine Gesellschaft von reichen Kapitalisten zur
Ausführung desselben zusammengebracht. Eine zweispurige Eisenbahn-
linie wurde beschlossen. Der erste Prospekt wurde am 29. Oktober
1824 verschickt; die Anlagekosten wurden darin zu 400000 £ veran-
schlagt, eine Summe, die viel zu niedrig gegriffen war.

Stephenson führte inzwischen unter groſsen Schwierigkeiten
seine Vermessungsarbeiten fort, denn die Grundbesitzer agitierten
gegen das Unternehmen und hetzten ihre Arbeiter und das ungebil-
dete Volk gegen die Ingenieure auf. In Broschüren und Zeitungs-
artikeln wurde gegen das Projekt losgezogen. Man streute aus, die
Lokomotiven würden das Land unglücklich machen; wo sie führen,
da hörten die Kühe auf zu weiden und die Hühner Eier zu legen.
Durch den giftigen Hauch der Lokomotiven würden die Vögel in der
Luft getötet; Fasanen- und Fuchsjagden wären nicht mehr möglich.
Die Luft würde verpestet durch den Rauch und alle Häuser in der
Nähe der Bahnlinien würden in Brand geraten. Das Fuhrwerk würde
überflüssig, Pferde wertlos, Hafer fände keine Käufer mehr, Fuhrleute
und Kutscher müſsten verhungern. Reisen würde lebensgefährlich,

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[301/0317] Die Eisenbahnen bis 1830. Dingen auch schon verschiedene Trambahnen gebaut hatte, war der dritte, der denselben Plan faſste und Sandars seine Dienste anbot. Er übernahm es, eine vorläufige Vermessung vorzunehmen, stieſs aber auf hartnäckigen und erbitterten Widerstand seitens der Grundbesitzer. Trotz dieser Schwierigkeiten brachte James eine oberflächliche Ver- messung zu stande. Auch begab er sich nach Killingworth, sah Stephensons Lokomotive arbeiten und war überrascht von ihrer Leistung. Er wurde mit Stephenson bekannt, versprach diesem, seine Lokomotiven einzuführen, und das Verhältnis führte zu einer Beteiligung an der Lokomotivfabrik, woraus aber Stephenson kein direkter Nutzen erwuchs. Dagegen wurde dies wieder die Veran- lassung, daſs Stephenson seinen Sohn Robert Herrn James als Gehülfen bei der Ausführung einer zweiten Vermessung, da die erste ungenügend war, mitgab. James kam aber mit diesem zweiten Pro- jekt nicht zu Ende, Krankheit und der Zusammenbruch seines Ver- mögens verhinderten ihn daran. Das Eisenbahnkomitee war durch diese neue Verzögerung in groſser Verlegenheit. Inzwischen hatte Sandars selbst die persönliche Bekanntschaft von George Stephen- son gemacht und in ihm den einzig richtigen Mann erkannt, das groſse und schwierige Unternehmen zu einem guten Ende zu führen. Einstimmig wurde Stephenson zum leitenden Ingenieur erwählt. Sandars hatte inzwischen mit Eifer und Energie für das Unter- nehmen gewirkt und eine Gesellschaft von reichen Kapitalisten zur Ausführung desselben zusammengebracht. Eine zweispurige Eisenbahn- linie wurde beschlossen. Der erste Prospekt wurde am 29. Oktober 1824 verschickt; die Anlagekosten wurden darin zu 400000 £ veran- schlagt, eine Summe, die viel zu niedrig gegriffen war. Stephenson führte inzwischen unter groſsen Schwierigkeiten seine Vermessungsarbeiten fort, denn die Grundbesitzer agitierten gegen das Unternehmen und hetzten ihre Arbeiter und das ungebil- dete Volk gegen die Ingenieure auf. In Broschüren und Zeitungs- artikeln wurde gegen das Projekt losgezogen. Man streute aus, die Lokomotiven würden das Land unglücklich machen; wo sie führen, da hörten die Kühe auf zu weiden und die Hühner Eier zu legen. Durch den giftigen Hauch der Lokomotiven würden die Vögel in der Luft getötet; Fasanen- und Fuchsjagden wären nicht mehr möglich. Die Luft würde verpestet durch den Rauch und alle Häuser in der Nähe der Bahnlinien würden in Brand geraten. Das Fuhrwerk würde überflüssig, Pferde wertlos, Hafer fände keine Käufer mehr, Fuhrleute und Kutscher müſsten verhungern. Reisen würde lebensgefährlich,

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/317>, abgerufen am 24.11.2024.