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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Die Eisenbahnen bis 1830.
übertraf alle Erwartungen. Der Zug war erst aus 4 mit Kohlen und
Mehl beladenen Güterwagen, dann aus einer Passagierkutsche für die
Direktoren und ihre Freunde zusammengesetzt, dann folgten 21 Wagen,
welche provisorisch mit Sitzen versehen worden waren für das Publi-
kum, und hierauf kamen wieder 6 beladene Kohlenwagen, so dass der
Zug im ganzen aus 38 Wagen bestand. Das Zeichen ertönte, der
Zug setzte sich in Bewegung und dampfte stolz dahin, zeitweise mit
der damals unglaublichen Geschwindigkeit von 12 englischen Meilen
in der Stunde. In Stockton traf der Zug mit 600 Passagieren ein.
Der Erfolg des Unternehmens übertraf alle Erwartungen. Man hatte
gar nicht vermutet, dass der Verkehr mit den Seehäfen eine Bedeutung
haben würde. In kurzer Zeit übertraf er den Lokalverkehr auf der
Strecke, auf den man allein gerechnet hatte, und wurde der wichtigste
Teil des Transportes; in wenigen Jahren stieg er auf 500000 Tonnen,
während man ihn vorher nicht auf 10000 Tonnen veranschlagt hatte.
Ebenso hatte man nichts vom Personenverkehr erwartet, da die Gegend
sehr dünn bevölkert und der Passagierverkehr zwischen Darlington
und Stockton äusserst gering war. Ein einziger Passagierwagen, der
einem gewöhnlichen Messwagen ähnlich sah, wurde anfänglich als
Pferdebahnwagen eingestellt. Er erhielt den Namen "das Experiment"
und die Aufschrift "Periculum privatum utilitas publica". Aber schon
nach wenigen Jahren mussten ganze Züge von Personenwagen durch
Lokomotiven befördert werden. Als ein höchst merkwürdiges Ereignis
galt es, als die Lokomotive bei einer Wettfahrt mit dem Postwagen
die Wette gewann. Die Maschine Nr. 1, Lokomotion, blieb bis zum
Jahre 1846 in regelmässigem Betriebe, später wurde sie als ein histo-
risches Denkmal auf einer Rampe vor dem Bahnhofe zu Darlington
aufgestellt, wie es Fig. 100 (a. f. S.) zeigt.

Die Stockton- und Darlingtonbahn ist für die Geschichte des
Eisenhüttenwesens auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie
die Veranlassung wurde für die Entstehung der weltbekannten Eisen-
stadt Middlesborough-on-Tees. Als die Bahn eröffnet wurde, war
der Grund der Stadt Wiese und Sumpf, ein einziges Farmhaus befand
sich daselbst. 1829 kaufte einer der Hauptbeteiligten der Eisenbahn-
gesellschaft 500 bis 600 Morgen Land unterhalb Stockton, da, wo jetzt
Middlesborough liegt, und legte einen neuen Seehafen für die Kohlen-
verfrachtung an. Die Bahn wurde bis zu dem Punkte verlängert, und
es entstand ausser den Lagerhäusern, Zollgebäuden und Schiffswerften
rasch eine Stadt, welche nach 10 Jahren bereits 6000 Einwohner
zählte, heute hat Middlesborough ca. 80000 Einwohner.


Die Eisenbahnen bis 1830.
übertraf alle Erwartungen. Der Zug war erst aus 4 mit Kohlen und
Mehl beladenen Güterwagen, dann aus einer Passagierkutsche für die
Direktoren und ihre Freunde zusammengesetzt, dann folgten 21 Wagen,
welche provisorisch mit Sitzen versehen worden waren für das Publi-
kum, und hierauf kamen wieder 6 beladene Kohlenwagen, so daſs der
Zug im ganzen aus 38 Wagen bestand. Das Zeichen ertönte, der
Zug setzte sich in Bewegung und dampfte stolz dahin, zeitweise mit
der damals unglaublichen Geschwindigkeit von 12 englischen Meilen
in der Stunde. In Stockton traf der Zug mit 600 Passagieren ein.
Der Erfolg des Unternehmens übertraf alle Erwartungen. Man hatte
gar nicht vermutet, daſs der Verkehr mit den Seehäfen eine Bedeutung
haben würde. In kurzer Zeit übertraf er den Lokalverkehr auf der
Strecke, auf den man allein gerechnet hatte, und wurde der wichtigste
Teil des Transportes; in wenigen Jahren stieg er auf 500000 Tonnen,
während man ihn vorher nicht auf 10000 Tonnen veranschlagt hatte.
Ebenso hatte man nichts vom Personenverkehr erwartet, da die Gegend
sehr dünn bevölkert und der Passagierverkehr zwischen Darlington
und Stockton äuſserst gering war. Ein einziger Passagierwagen, der
einem gewöhnlichen Meſswagen ähnlich sah, wurde anfänglich als
Pferdebahnwagen eingestellt. Er erhielt den Namen „das Experiment“
und die Aufschrift „Periculum privatum utilitas publica“. Aber schon
nach wenigen Jahren muſsten ganze Züge von Personenwagen durch
Lokomotiven befördert werden. Als ein höchst merkwürdiges Ereignis
galt es, als die Lokomotive bei einer Wettfahrt mit dem Postwagen
die Wette gewann. Die Maschine Nr. 1, Lokomotion, blieb bis zum
Jahre 1846 in regelmäſsigem Betriebe, später wurde sie als ein histo-
risches Denkmal auf einer Rampe vor dem Bahnhofe zu Darlington
aufgestellt, wie es Fig. 100 (a. f. S.) zeigt.

Die Stockton- und Darlingtonbahn ist für die Geschichte des
Eisenhüttenwesens auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie
die Veranlassung wurde für die Entstehung der weltbekannten Eisen-
stadt Middlesborough-on-Tees. Als die Bahn eröffnet wurde, war
der Grund der Stadt Wiese und Sumpf, ein einziges Farmhaus befand
sich daselbst. 1829 kaufte einer der Hauptbeteiligten der Eisenbahn-
gesellschaft 500 bis 600 Morgen Land unterhalb Stockton, da, wo jetzt
Middlesborough liegt, und legte einen neuen Seehafen für die Kohlen-
verfrachtung an. Die Bahn wurde bis zu dem Punkte verlängert, und
es entstand auſser den Lagerhäusern, Zollgebäuden und Schiffswerften
rasch eine Stadt, welche nach 10 Jahren bereits 6000 Einwohner
zählte, heute hat Middlesborough ca. 80000 Einwohner.


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[299/0315] Die Eisenbahnen bis 1830. übertraf alle Erwartungen. Der Zug war erst aus 4 mit Kohlen und Mehl beladenen Güterwagen, dann aus einer Passagierkutsche für die Direktoren und ihre Freunde zusammengesetzt, dann folgten 21 Wagen, welche provisorisch mit Sitzen versehen worden waren für das Publi- kum, und hierauf kamen wieder 6 beladene Kohlenwagen, so daſs der Zug im ganzen aus 38 Wagen bestand. Das Zeichen ertönte, der Zug setzte sich in Bewegung und dampfte stolz dahin, zeitweise mit der damals unglaublichen Geschwindigkeit von 12 englischen Meilen in der Stunde. In Stockton traf der Zug mit 600 Passagieren ein. Der Erfolg des Unternehmens übertraf alle Erwartungen. Man hatte gar nicht vermutet, daſs der Verkehr mit den Seehäfen eine Bedeutung haben würde. In kurzer Zeit übertraf er den Lokalverkehr auf der Strecke, auf den man allein gerechnet hatte, und wurde der wichtigste Teil des Transportes; in wenigen Jahren stieg er auf 500000 Tonnen, während man ihn vorher nicht auf 10000 Tonnen veranschlagt hatte. Ebenso hatte man nichts vom Personenverkehr erwartet, da die Gegend sehr dünn bevölkert und der Passagierverkehr zwischen Darlington und Stockton äuſserst gering war. Ein einziger Passagierwagen, der einem gewöhnlichen Meſswagen ähnlich sah, wurde anfänglich als Pferdebahnwagen eingestellt. Er erhielt den Namen „das Experiment“ und die Aufschrift „Periculum privatum utilitas publica“. Aber schon nach wenigen Jahren muſsten ganze Züge von Personenwagen durch Lokomotiven befördert werden. Als ein höchst merkwürdiges Ereignis galt es, als die Lokomotive bei einer Wettfahrt mit dem Postwagen die Wette gewann. Die Maschine Nr. 1, Lokomotion, blieb bis zum Jahre 1846 in regelmäſsigem Betriebe, später wurde sie als ein histo- risches Denkmal auf einer Rampe vor dem Bahnhofe zu Darlington aufgestellt, wie es Fig. 100 (a. f. S.) zeigt. Die Stockton- und Darlingtonbahn ist für die Geschichte des Eisenhüttenwesens auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie die Veranlassung wurde für die Entstehung der weltbekannten Eisen- stadt Middlesborough-on-Tees. Als die Bahn eröffnet wurde, war der Grund der Stadt Wiese und Sumpf, ein einziges Farmhaus befand sich daselbst. 1829 kaufte einer der Hauptbeteiligten der Eisenbahn- gesellschaft 500 bis 600 Morgen Land unterhalb Stockton, da, wo jetzt Middlesborough liegt, und legte einen neuen Seehafen für die Kohlen- verfrachtung an. Die Bahn wurde bis zu dem Punkte verlängert, und es entstand auſser den Lagerhäusern, Zollgebäuden und Schiffswerften rasch eine Stadt, welche nach 10 Jahren bereits 6000 Einwohner zählte, heute hat Middlesborough ca. 80000 Einwohner.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/315>, abgerufen am 18.05.2024.