Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Die Eisenbahnen bis 1830.
von 17 Wagen mit etwa 64 Tonnen Gewicht und einer Geschwindig-
keit von 4 Meilen in der Stunde.

Von viel grösserer Bedeutung wurde die Stockton-Darlington-
Eisenbahn, welche 1817 von Edward Pease zuerst als einfacher
Eisenweg projektiert worden war. Aber erst am 19. April 1821 konnte
er die königliche Bestätigung für sein Projekt erlangen, dem die adligen
Grossgrundbesitzer heftigen Widerstand bereiteten und das weder von
den übrigen Gewerken, noch von den Kohlenhändlern unterstützt
wurde. Pease war aber ein Mann, der einen weiteren Blick hatte,
als die meisten seiner Zeitgenossen, und an dem, was er für richtig
erkannt hatte, mit unbeugsamer Energie festhielt. Lokomotivbetrieb
war ursprünglich nicht beabsichtigt, in der Konzessionsurkunde hiess
es "mit Menschen, Pferden oder sonstwie" und dem Publikum sollte
es gestattet sein, die Bahn mit Pferden, Rindvieh und Fuhrwerk zu
benutzen an den Tagesstunden und gegen eine Taxe.

Stephenson hörte von dem Unternehmen, suchte Pease auf,
erbot sich zur Übernahme der Ausführung und brachte den Loko-
motivbetrieb in Vorschlag. Pease hatte nur Pferdebetrieb vor-
gesehen, und Stephensons Behauptung, dass eine Lokomotive 50 Pferde
ersetze, überraschte ihn in hohem Grade. Pease und seine Teil-
haber beschlossen, die Eisenbahn zu bauen und übertrugen George
Stephenson die Ausführung der Stockton-Darlington-Linie. Am
23. Mai 1822 wurde der Bau feierlich begonnen. In seinem Vor-
anschlag setzte Stephenson eine ziemlich hohe Summe für stationäre
Maschinen ein, für Lokomotiven nichts, denn die Direktoren und die
öffentliche Meinung betrachteten Lokomotiven immer noch als eine
mechanische Spielerei.

Stephenson verfehlte aber nicht, bei jeder Gelegenheit auf die
Überlegenheit der Lokomotive im Vergleich mit dem Pferdebetrieb
hinzuweisen, obgleich er meist tauben oder ungläubigen Ohren pre-
digte. Häufig besprach er den Gegenstand mit Pease und schloss
immer die Diskussion mit den Worten: "Kommen Sie nach Killing-
worth und sehen Sie selbst, was eine Lokomotive leistet." Endlich
entschloss sich Pease hierzu, und das, was er sah, überzeugte ihn so voll-
ständig von der Wahrheit alles dessen, was Stephenson gesagt hatte,
dass Pease von diesem Moment an ein eifriger Befürworter des
Lokomotivbetriebes wurde.

Die Tracierung und Vermessung der neuen Eisenbahnlinie musste
George Stephenson ganz allein vornehmen. Gleichzeitig gründete
er in Verbindung mit Pease und Richardson eine Maschinenfabrik

Die Eisenbahnen bis 1830.
von 17 Wagen mit etwa 64 Tonnen Gewicht und einer Geschwindig-
keit von 4 Meilen in der Stunde.

Von viel gröſserer Bedeutung wurde die Stockton-Darlington-
Eisenbahn, welche 1817 von Edward Pease zuerst als einfacher
Eisenweg projektiert worden war. Aber erst am 19. April 1821 konnte
er die königliche Bestätigung für sein Projekt erlangen, dem die adligen
Groſsgrundbesitzer heftigen Widerstand bereiteten und das weder von
den übrigen Gewerken, noch von den Kohlenhändlern unterstützt
wurde. Pease war aber ein Mann, der einen weiteren Blick hatte,
als die meisten seiner Zeitgenossen, und an dem, was er für richtig
erkannt hatte, mit unbeugsamer Energie festhielt. Lokomotivbetrieb
war ursprünglich nicht beabsichtigt, in der Konzessionsurkunde hieſs
es „mit Menschen, Pferden oder sonstwie“ und dem Publikum sollte
es gestattet sein, die Bahn mit Pferden, Rindvieh und Fuhrwerk zu
benutzen an den Tagesstunden und gegen eine Taxe.

Stephenson hörte von dem Unternehmen, suchte Pease auf,
erbot sich zur Übernahme der Ausführung und brachte den Loko-
motivbetrieb in Vorschlag. Pease hatte nur Pferdebetrieb vor-
gesehen, und Stephensons Behauptung, daſs eine Lokomotive 50 Pferde
ersetze, überraschte ihn in hohem Grade. Pease und seine Teil-
haber beschlossen, die Eisenbahn zu bauen und übertrugen George
Stephenson die Ausführung der Stockton-Darlington-Linie. Am
23. Mai 1822 wurde der Bau feierlich begonnen. In seinem Vor-
anschlag setzte Stephenson eine ziemlich hohe Summe für stationäre
Maschinen ein, für Lokomotiven nichts, denn die Direktoren und die
öffentliche Meinung betrachteten Lokomotiven immer noch als eine
mechanische Spielerei.

Stephenson verfehlte aber nicht, bei jeder Gelegenheit auf die
Überlegenheit der Lokomotive im Vergleich mit dem Pferdebetrieb
hinzuweisen, obgleich er meist tauben oder ungläubigen Ohren pre-
digte. Häufig besprach er den Gegenstand mit Pease und schloſs
immer die Diskussion mit den Worten: „Kommen Sie nach Killing-
worth und sehen Sie selbst, was eine Lokomotive leistet.“ Endlich
entschloſs sich Pease hierzu, und das, was er sah, überzeugte ihn so voll-
ständig von der Wahrheit alles dessen, was Stephenson gesagt hatte,
daſs Pease von diesem Moment an ein eifriger Befürworter des
Lokomotivbetriebes wurde.

Die Tracierung und Vermessung der neuen Eisenbahnlinie muſste
George Stephenson ganz allein vornehmen. Gleichzeitig gründete
er in Verbindung mit Pease und Richardson eine Maschinenfabrik

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0313" n="297"/><fw place="top" type="header">Die Eisenbahnen bis 1830.</fw><lb/>
von 17 Wagen mit etwa 64 Tonnen Gewicht und einer Geschwindig-<lb/>
keit von 4 Meilen in der Stunde.</p><lb/>
            <p>Von viel grö&#x017F;serer Bedeutung wurde die <hi rendition="#g">Stockton-Darlington-<lb/>
Eisenbahn,</hi> welche 1817 von <hi rendition="#g">Edward Pease</hi> zuerst als einfacher<lb/>
Eisenweg projektiert worden war. Aber erst am 19. April 1821 konnte<lb/>
er die königliche Bestätigung für sein Projekt erlangen, dem die adligen<lb/>
Gro&#x017F;sgrundbesitzer heftigen Widerstand bereiteten und das weder von<lb/>
den übrigen Gewerken, noch von den Kohlenhändlern unterstützt<lb/>
wurde. <hi rendition="#g">Pease</hi> war aber ein Mann, der einen weiteren Blick hatte,<lb/>
als die meisten seiner Zeitgenossen, und an dem, was er für richtig<lb/>
erkannt hatte, mit unbeugsamer Energie festhielt. Lokomotivbetrieb<lb/>
war ursprünglich nicht beabsichtigt, in der Konzessionsurkunde hie&#x017F;s<lb/>
es &#x201E;mit Menschen, Pferden oder sonstwie&#x201C; und dem Publikum sollte<lb/>
es gestattet sein, die Bahn mit Pferden, Rindvieh und Fuhrwerk zu<lb/>
benutzen an den Tagesstunden und gegen eine Taxe.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Stephenson</hi> hörte von dem Unternehmen, suchte <hi rendition="#g">Pease</hi> auf,<lb/>
erbot sich zur Übernahme der Ausführung und brachte den Loko-<lb/>
motivbetrieb in Vorschlag. <hi rendition="#g">Pease</hi> hatte nur Pferdebetrieb vor-<lb/>
gesehen, und <hi rendition="#g">Stephensons</hi> Behauptung, da&#x017F;s eine Lokomotive 50 Pferde<lb/>
ersetze, überraschte ihn in hohem Grade. <hi rendition="#g">Pease</hi> und seine Teil-<lb/>
haber beschlossen, die Eisenbahn zu bauen und übertrugen <hi rendition="#g">George<lb/>
Stephenson</hi> die Ausführung der Stockton-Darlington-Linie. Am<lb/>
23. Mai 1822 wurde der Bau feierlich begonnen. In seinem Vor-<lb/>
anschlag setzte <hi rendition="#g">Stephenson</hi> eine ziemlich hohe Summe für stationäre<lb/>
Maschinen ein, für Lokomotiven nichts, denn die Direktoren und die<lb/>
öffentliche Meinung betrachteten Lokomotiven immer noch als eine<lb/>
mechanische Spielerei.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Stephenson</hi> verfehlte aber nicht, bei jeder Gelegenheit auf die<lb/>
Überlegenheit der Lokomotive im Vergleich mit dem Pferdebetrieb<lb/>
hinzuweisen, obgleich er meist tauben oder ungläubigen Ohren pre-<lb/>
digte. Häufig besprach er den Gegenstand mit <hi rendition="#g">Pease</hi> und schlo&#x017F;s<lb/>
immer die Diskussion mit den Worten: &#x201E;Kommen Sie nach Killing-<lb/>
worth und sehen Sie selbst, was eine Lokomotive leistet.&#x201C; Endlich<lb/>
entschlo&#x017F;s sich <hi rendition="#g">Pease</hi> hierzu, und das, was er sah, überzeugte ihn so voll-<lb/>
ständig von der Wahrheit alles dessen, was <hi rendition="#g">Stephenson</hi> gesagt hatte,<lb/>
da&#x017F;s <hi rendition="#g">Pease</hi> von diesem Moment an ein eifriger Befürworter des<lb/>
Lokomotivbetriebes wurde.</p><lb/>
            <p>Die Tracierung und Vermessung der neuen Eisenbahnlinie mu&#x017F;ste<lb/><hi rendition="#g">George Stephenson</hi> ganz allein vornehmen. Gleichzeitig gründete<lb/>
er in Verbindung mit <hi rendition="#g">Pease</hi> und <hi rendition="#g">Richardson</hi> eine Maschinenfabrik<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0313] Die Eisenbahnen bis 1830. von 17 Wagen mit etwa 64 Tonnen Gewicht und einer Geschwindig- keit von 4 Meilen in der Stunde. Von viel gröſserer Bedeutung wurde die Stockton-Darlington- Eisenbahn, welche 1817 von Edward Pease zuerst als einfacher Eisenweg projektiert worden war. Aber erst am 19. April 1821 konnte er die königliche Bestätigung für sein Projekt erlangen, dem die adligen Groſsgrundbesitzer heftigen Widerstand bereiteten und das weder von den übrigen Gewerken, noch von den Kohlenhändlern unterstützt wurde. Pease war aber ein Mann, der einen weiteren Blick hatte, als die meisten seiner Zeitgenossen, und an dem, was er für richtig erkannt hatte, mit unbeugsamer Energie festhielt. Lokomotivbetrieb war ursprünglich nicht beabsichtigt, in der Konzessionsurkunde hieſs es „mit Menschen, Pferden oder sonstwie“ und dem Publikum sollte es gestattet sein, die Bahn mit Pferden, Rindvieh und Fuhrwerk zu benutzen an den Tagesstunden und gegen eine Taxe. Stephenson hörte von dem Unternehmen, suchte Pease auf, erbot sich zur Übernahme der Ausführung und brachte den Loko- motivbetrieb in Vorschlag. Pease hatte nur Pferdebetrieb vor- gesehen, und Stephensons Behauptung, daſs eine Lokomotive 50 Pferde ersetze, überraschte ihn in hohem Grade. Pease und seine Teil- haber beschlossen, die Eisenbahn zu bauen und übertrugen George Stephenson die Ausführung der Stockton-Darlington-Linie. Am 23. Mai 1822 wurde der Bau feierlich begonnen. In seinem Vor- anschlag setzte Stephenson eine ziemlich hohe Summe für stationäre Maschinen ein, für Lokomotiven nichts, denn die Direktoren und die öffentliche Meinung betrachteten Lokomotiven immer noch als eine mechanische Spielerei. Stephenson verfehlte aber nicht, bei jeder Gelegenheit auf die Überlegenheit der Lokomotive im Vergleich mit dem Pferdebetrieb hinzuweisen, obgleich er meist tauben oder ungläubigen Ohren pre- digte. Häufig besprach er den Gegenstand mit Pease und schloſs immer die Diskussion mit den Worten: „Kommen Sie nach Killing- worth und sehen Sie selbst, was eine Lokomotive leistet.“ Endlich entschloſs sich Pease hierzu, und das, was er sah, überzeugte ihn so voll- ständig von der Wahrheit alles dessen, was Stephenson gesagt hatte, daſs Pease von diesem Moment an ein eifriger Befürworter des Lokomotivbetriebes wurde. Die Tracierung und Vermessung der neuen Eisenbahnlinie muſste George Stephenson ganz allein vornehmen. Gleichzeitig gründete er in Verbindung mit Pease und Richardson eine Maschinenfabrik

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/313
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/313>, abgerufen am 28.11.2024.