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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Die Eisenbahnen bis 1830.
Wo es anging, legte er schiefe Ebenen, sogenannte Bremsberge, an,
bei denen das Gewicht der abwärts gehenden beladenen Wagen die
aufwärts gehenden leeren Wagen mittels eines Seiles über einer
Scheibe in die Höhe zog. Dies war aber nur an einzelnen Punkten
anwendbar. Der Transport in der Ebene geschah langsam mit
Pferden auf Tramwegen. Dass hierfür der Dampf das richtige Aus-
kunftsmittel werden müsse, war seine Überzeugung von früh an. Er
hatte alle die Versuche mit Blacketts Eisenbahn, welche an seinem
Geburtshause vorbeilief, beobachtet und mit erlebt. Auch eine Maschine
von Blenkinsop hatte er bei den Kohlenwerken von Kenton und
Coxlodge laufen sehen. Sein scharfes, prüfendes Auge erkannte die
Mängel beider. Abgesehen von allen sonstigen Unvollkommenheiten,
arbeiteten die Lokomotiven noch mit viel höheren Kosten als Pferde.
George Stephenson fasste den Plan, eine bessere Lokomotive, deren
Betrieb auch ökonomisch vorteilhaft sei, zu konstruieren. 1813 machte
er den Besitzern der Killingworth-Kohlenbergwerke den Vorschlag,
eine "Reisemaschine" (travelling engine), wie er sie nannte, zu bauen.
Lord Ravensworth, der Hauptbesitzer, der bereits eine sehr gute
Meinung von dem jungen Maschinisten gewonnen hatte, gab seine
Zustimmung und mit seinem Gelde begann Stephenson seine erste
Lokomotive zu bauen. -- Man erklärte Lord Ravensworth in der
ganzen Gegend für verrückt. Stephenson hatte grosse Schwierig-
keiten bei der Ausführung, denn es gab weit und breit keine ge-
schickte Mechaniker. Der Bergschmied von West Moor musste in
der Bergschmiede daselbst die Arbeit nach Stephensons Angaben
und mit seiner Hülfe ausführen. Die Maschine hatte zwei Cylinder
und wurde die Kraft durch die Kolbenstange auf ein Zahngetriebe,
welches die Radachsen bewegte, übertragen. Maschine, Kessel und
Tender waren auf einem Plattwagen ohne Federn befestigt. Die
Räder waren glatt. Stephenson hatte sich durch Versuche über-
zeugt, dass die Reibung derselben, bei entsprechender Belastung, aus-
reichte. Am 25. Juli 1814 konnte die Lokomotive probiert werden
und es zeigte sich, dass sie 8 beladene Wagen von 30 Tonnen Last
mit einer Geschwindigkeit von 4 englischen Meilen in der Stunde
fortbewegen konnte. Die Maschine erhielt den Namen "Blücher" und
wurde in regelmässigen Dienst genommen. Sie war noch sehr unvoll-
kommen. Alle Teile der Maschine und die Radachsenlager waren an
den Dampfkessel angeschraubt; da sie keine Federn hatte, stiess und
klapperte die Lokomotive furchtbar. Es wurde eine sorgfältige Ver-
gleichung der Kosten des Betriebes der Maschine mit der von Pferden

Die Eisenbahnen bis 1830.
Wo es anging, legte er schiefe Ebenen, sogenannte Bremsberge, an,
bei denen das Gewicht der abwärts gehenden beladenen Wagen die
aufwärts gehenden leeren Wagen mittels eines Seiles über einer
Scheibe in die Höhe zog. Dies war aber nur an einzelnen Punkten
anwendbar. Der Transport in der Ebene geschah langsam mit
Pferden auf Tramwegen. Daſs hierfür der Dampf das richtige Aus-
kunftsmittel werden müsse, war seine Überzeugung von früh an. Er
hatte alle die Versuche mit Blacketts Eisenbahn, welche an seinem
Geburtshause vorbeilief, beobachtet und mit erlebt. Auch eine Maschine
von Blenkinsop hatte er bei den Kohlenwerken von Kenton und
Coxlodge laufen sehen. Sein scharfes, prüfendes Auge erkannte die
Mängel beider. Abgesehen von allen sonstigen Unvollkommenheiten,
arbeiteten die Lokomotiven noch mit viel höheren Kosten als Pferde.
George Stephenson faſste den Plan, eine bessere Lokomotive, deren
Betrieb auch ökonomisch vorteilhaft sei, zu konstruieren. 1813 machte
er den Besitzern der Killingworth-Kohlenbergwerke den Vorschlag,
eine „Reisemaschine“ (travelling engine), wie er sie nannte, zu bauen.
Lord Ravensworth, der Hauptbesitzer, der bereits eine sehr gute
Meinung von dem jungen Maschinisten gewonnen hatte, gab seine
Zustimmung und mit seinem Gelde begann Stephenson seine erste
Lokomotive zu bauen. — Man erklärte Lord Ravensworth in der
ganzen Gegend für verrückt. Stephenson hatte groſse Schwierig-
keiten bei der Ausführung, denn es gab weit und breit keine ge-
schickte Mechaniker. Der Bergschmied von West Moor muſste in
der Bergschmiede daselbst die Arbeit nach Stephensons Angaben
und mit seiner Hülfe ausführen. Die Maschine hatte zwei Cylinder
und wurde die Kraft durch die Kolbenstange auf ein Zahngetriebe,
welches die Radachsen bewegte, übertragen. Maschine, Kessel und
Tender waren auf einem Plattwagen ohne Federn befestigt. Die
Räder waren glatt. Stephenson hatte sich durch Versuche über-
zeugt, daſs die Reibung derselben, bei entsprechender Belastung, aus-
reichte. Am 25. Juli 1814 konnte die Lokomotive probiert werden
und es zeigte sich, daſs sie 8 beladene Wagen von 30 Tonnen Last
mit einer Geschwindigkeit von 4 englischen Meilen in der Stunde
fortbewegen konnte. Die Maschine erhielt den Namen „Blücher“ und
wurde in regelmäſsigen Dienst genommen. Sie war noch sehr unvoll-
kommen. Alle Teile der Maschine und die Radachsenlager waren an
den Dampfkessel angeschraubt; da sie keine Federn hatte, stieſs und
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gleichung der Kosten des Betriebes der Maschine mit der von Pferden

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[293/0309] Die Eisenbahnen bis 1830. Wo es anging, legte er schiefe Ebenen, sogenannte Bremsberge, an, bei denen das Gewicht der abwärts gehenden beladenen Wagen die aufwärts gehenden leeren Wagen mittels eines Seiles über einer Scheibe in die Höhe zog. Dies war aber nur an einzelnen Punkten anwendbar. Der Transport in der Ebene geschah langsam mit Pferden auf Tramwegen. Daſs hierfür der Dampf das richtige Aus- kunftsmittel werden müsse, war seine Überzeugung von früh an. Er hatte alle die Versuche mit Blacketts Eisenbahn, welche an seinem Geburtshause vorbeilief, beobachtet und mit erlebt. Auch eine Maschine von Blenkinsop hatte er bei den Kohlenwerken von Kenton und Coxlodge laufen sehen. Sein scharfes, prüfendes Auge erkannte die Mängel beider. Abgesehen von allen sonstigen Unvollkommenheiten, arbeiteten die Lokomotiven noch mit viel höheren Kosten als Pferde. George Stephenson faſste den Plan, eine bessere Lokomotive, deren Betrieb auch ökonomisch vorteilhaft sei, zu konstruieren. 1813 machte er den Besitzern der Killingworth-Kohlenbergwerke den Vorschlag, eine „Reisemaschine“ (travelling engine), wie er sie nannte, zu bauen. Lord Ravensworth, der Hauptbesitzer, der bereits eine sehr gute Meinung von dem jungen Maschinisten gewonnen hatte, gab seine Zustimmung und mit seinem Gelde begann Stephenson seine erste Lokomotive zu bauen. — Man erklärte Lord Ravensworth in der ganzen Gegend für verrückt. Stephenson hatte groſse Schwierig- keiten bei der Ausführung, denn es gab weit und breit keine ge- schickte Mechaniker. Der Bergschmied von West Moor muſste in der Bergschmiede daselbst die Arbeit nach Stephensons Angaben und mit seiner Hülfe ausführen. Die Maschine hatte zwei Cylinder und wurde die Kraft durch die Kolbenstange auf ein Zahngetriebe, welches die Radachsen bewegte, übertragen. Maschine, Kessel und Tender waren auf einem Plattwagen ohne Federn befestigt. Die Räder waren glatt. Stephenson hatte sich durch Versuche über- zeugt, daſs die Reibung derselben, bei entsprechender Belastung, aus- reichte. Am 25. Juli 1814 konnte die Lokomotive probiert werden und es zeigte sich, daſs sie 8 beladene Wagen von 30 Tonnen Last mit einer Geschwindigkeit von 4 englischen Meilen in der Stunde fortbewegen konnte. Die Maschine erhielt den Namen „Blücher“ und wurde in regelmäſsigen Dienst genommen. Sie war noch sehr unvoll- kommen. Alle Teile der Maschine und die Radachsenlager waren an den Dampfkessel angeschraubt; da sie keine Federn hatte, stieſs und klapperte die Lokomotive furchtbar. Es wurde eine sorgfältige Ver- gleichung der Kosten des Betriebes der Maschine mit der von Pferden

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/309>, abgerufen am 24.11.2024.