Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Eisenbahnen bis 1830.
vorgenommen, und nach Jahresschluss ergab sich, dass sie ziemlich
gleich hoch waren, so dass der Transport mit der Maschine nicht
vorteilhafter war. In diesem kritischen Augenblicke gelang es aber
Stephenson, eine Verbesserung an seiner Lokomotive anzubringen,
welche ihre Leistung bedeutend erhöhte. Es war dies die Einführung
des verbrauchten Dampfes in den Schornstein durch ein enges Aus-
strömungsrohr. Aus diesem musste er mit grosser Geschwindigkeit
ausströmen, riss die Luft mit fort und bewirkte dadurch eine be-
deutende Verstärkung des Zuges in dem Sinne eines Dampfstrahl-
gebläses. Diese scheinbar unbedeutende Änderung vermehrte die
Arbeit der Maschine um mehr als das doppelte und verminderte
dabei zugleich die Belästigungen, welche der Dampf bei seinem
direkten Entweichen aus den Dampfcylindern veranlasst hatte. Diese
Entdeckung kam zur rechten Zeit und erwies sich so wichtig, dass
sie für die Verwendung der Lokomotive entscheidend wurde. Nach
dieser und noch manchen anderen Erfahrungen konstruierte Stephen-
son
eine zweite Maschine und nahm am 28. Februar 1815 ein Patent
darauf. Die wichtigste Abänderung bestand darin, dass er zwei
vertikale Dampfcylinder direkt mit den beiden Räderpaaren verband.
Um den notwendigen Parallelismus der Bewegungsebenen der Rad-
scheiben und des Krummzapfens der Kolbenstange zu erreichen,
wurde der Kreuzkopf durch ein bewegliches Kugelgelenk mit der
Kolbenstange verbunden und bewegte sich in einer parallelen Führung.
Die Räder selbst wollte er, wie aus der Patentbeschreibung hervor-
geht, durch Kurbelstangen miteinander verbinden, da er aber niemand
fand, der ihm so starke, geköpfte Achsen schmieden konnte, musste er
sich damit begnügen, die Räderpaare durch Ketten, welche über Zahn-
räder liefen, miteinander zu kuppeln. Da die Ketten sich aber nach
wenigen Jahren längten und unbrauchbar wurden, so ersetzte er sie
durch Führungsstangen an der äusseren Seite der Räder. So waren
in dieser Maschine vom Jahre 1815 schon die wichtigsten Erfindungen
Stephensons in Anwendung gebracht, und kann sie als der erste
Typus der modernen Lokomotive angesehen werden.

Obgleich seine Maschine noch viele Mängel hatte und von den
meisten nur als ein interessantes Spielzeug angesehen wurde, so war
Stephenson bereits ganz von der zukünftigen Bedeutung der Loko-
motive durchdrungen, von der er bereits bestimmt behauptete, dass
sie einstmals alle anderen Transportmittel für den Massentransport
zu Land verdrängen werde.

Bisher hatten sich Stephensons Verbesserungen nur auf die

Die Eisenbahnen bis 1830.
vorgenommen, und nach Jahresschluſs ergab sich, daſs sie ziemlich
gleich hoch waren, so daſs der Transport mit der Maschine nicht
vorteilhafter war. In diesem kritischen Augenblicke gelang es aber
Stephenson, eine Verbesserung an seiner Lokomotive anzubringen,
welche ihre Leistung bedeutend erhöhte. Es war dies die Einführung
des verbrauchten Dampfes in den Schornstein durch ein enges Aus-
strömungsrohr. Aus diesem muſste er mit groſser Geschwindigkeit
ausströmen, riſs die Luft mit fort und bewirkte dadurch eine be-
deutende Verstärkung des Zuges in dem Sinne eines Dampfstrahl-
gebläses. Diese scheinbar unbedeutende Änderung vermehrte die
Arbeit der Maschine um mehr als das doppelte und verminderte
dabei zugleich die Belästigungen, welche der Dampf bei seinem
direkten Entweichen aus den Dampfcylindern veranlaſst hatte. Diese
Entdeckung kam zur rechten Zeit und erwies sich so wichtig, daſs
sie für die Verwendung der Lokomotive entscheidend wurde. Nach
dieser und noch manchen anderen Erfahrungen konstruierte Stephen-
son
eine zweite Maschine und nahm am 28. Februar 1815 ein Patent
darauf. Die wichtigste Abänderung bestand darin, daſs er zwei
vertikale Dampfcylinder direkt mit den beiden Räderpaaren verband.
Um den notwendigen Parallelismus der Bewegungsebenen der Rad-
scheiben und des Krummzapfens der Kolbenstange zu erreichen,
wurde der Kreuzkopf durch ein bewegliches Kugelgelenk mit der
Kolbenstange verbunden und bewegte sich in einer parallelen Führung.
Die Räder selbst wollte er, wie aus der Patentbeschreibung hervor-
geht, durch Kurbelstangen miteinander verbinden, da er aber niemand
fand, der ihm so starke, geköpfte Achsen schmieden konnte, muſste er
sich damit begnügen, die Räderpaare durch Ketten, welche über Zahn-
räder liefen, miteinander zu kuppeln. Da die Ketten sich aber nach
wenigen Jahren längten und unbrauchbar wurden, so ersetzte er sie
durch Führungsstangen an der äuſseren Seite der Räder. So waren
in dieser Maschine vom Jahre 1815 schon die wichtigsten Erfindungen
Stephensons in Anwendung gebracht, und kann sie als der erste
Typus der modernen Lokomotive angesehen werden.

Obgleich seine Maschine noch viele Mängel hatte und von den
meisten nur als ein interessantes Spielzeug angesehen wurde, so war
Stephenson bereits ganz von der zukünftigen Bedeutung der Loko-
motive durchdrungen, von der er bereits bestimmt behauptete, daſs
sie einstmals alle anderen Transportmittel für den Massentransport
zu Land verdrängen werde.

Bisher hatten sich Stephensons Verbesserungen nur auf die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0310" n="294"/><fw place="top" type="header">Die Eisenbahnen bis 1830.</fw><lb/>
vorgenommen, und nach Jahresschlu&#x017F;s ergab sich, da&#x017F;s sie ziemlich<lb/>
gleich hoch waren, so da&#x017F;s der Transport mit der Maschine nicht<lb/>
vorteilhafter war. In diesem kritischen Augenblicke gelang es aber<lb/><hi rendition="#g">Stephenson</hi>, eine Verbesserung an seiner Lokomotive anzubringen,<lb/>
welche ihre Leistung bedeutend erhöhte. Es war dies die Einführung<lb/>
des verbrauchten Dampfes in den Schornstein durch ein enges Aus-<lb/>
strömungsrohr. Aus diesem mu&#x017F;ste er mit gro&#x017F;ser Geschwindigkeit<lb/>
ausströmen, ri&#x017F;s die Luft mit fort und bewirkte dadurch eine be-<lb/>
deutende Verstärkung des Zuges in dem Sinne eines Dampfstrahl-<lb/>
gebläses. Diese scheinbar unbedeutende Änderung vermehrte die<lb/>
Arbeit der Maschine um mehr als das doppelte und verminderte<lb/>
dabei zugleich die Belästigungen, welche der Dampf bei seinem<lb/>
direkten Entweichen aus den Dampfcylindern veranla&#x017F;st hatte. Diese<lb/>
Entdeckung kam zur rechten Zeit und erwies sich so wichtig, da&#x017F;s<lb/>
sie für die Verwendung der Lokomotive entscheidend wurde. Nach<lb/>
dieser und noch manchen anderen Erfahrungen konstruierte <hi rendition="#g">Stephen-<lb/>
son</hi> eine zweite Maschine und nahm am 28. Februar 1815 ein Patent<lb/>
darauf. Die wichtigste Abänderung bestand darin, da&#x017F;s er zwei<lb/>
vertikale Dampfcylinder direkt mit den beiden Räderpaaren verband.<lb/>
Um den notwendigen Parallelismus der Bewegungsebenen der Rad-<lb/>
scheiben und des Krummzapfens der Kolbenstange zu erreichen,<lb/>
wurde der Kreuzkopf durch ein bewegliches Kugelgelenk mit der<lb/>
Kolbenstange verbunden und bewegte sich in einer parallelen Führung.<lb/>
Die Räder selbst wollte er, wie aus der Patentbeschreibung hervor-<lb/>
geht, durch Kurbelstangen miteinander verbinden, da er aber niemand<lb/>
fand, der ihm so starke, geköpfte Achsen schmieden konnte, mu&#x017F;ste er<lb/>
sich damit begnügen, die Räderpaare durch Ketten, welche über Zahn-<lb/>
räder liefen, miteinander zu kuppeln. Da die Ketten sich aber nach<lb/>
wenigen Jahren längten und unbrauchbar wurden, so ersetzte er sie<lb/>
durch Führungsstangen an der äu&#x017F;seren Seite der Räder. So waren<lb/>
in dieser Maschine vom Jahre 1815 schon die wichtigsten Erfindungen<lb/><hi rendition="#g">Stephensons</hi> in Anwendung gebracht, und kann sie als der erste<lb/>
Typus der modernen Lokomotive angesehen werden.</p><lb/>
            <p>Obgleich seine Maschine noch viele Mängel hatte und von den<lb/>
meisten nur als ein interessantes Spielzeug angesehen wurde, so war<lb/><hi rendition="#g">Stephenson</hi> bereits ganz von der zukünftigen Bedeutung der Loko-<lb/>
motive durchdrungen, von der er bereits bestimmt behauptete, da&#x017F;s<lb/>
sie einstmals alle anderen Transportmittel für den Massentransport<lb/>
zu Land verdrängen werde.</p><lb/>
            <p>Bisher hatten sich <hi rendition="#g">Stephensons</hi> Verbesserungen nur auf die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0310] Die Eisenbahnen bis 1830. vorgenommen, und nach Jahresschluſs ergab sich, daſs sie ziemlich gleich hoch waren, so daſs der Transport mit der Maschine nicht vorteilhafter war. In diesem kritischen Augenblicke gelang es aber Stephenson, eine Verbesserung an seiner Lokomotive anzubringen, welche ihre Leistung bedeutend erhöhte. Es war dies die Einführung des verbrauchten Dampfes in den Schornstein durch ein enges Aus- strömungsrohr. Aus diesem muſste er mit groſser Geschwindigkeit ausströmen, riſs die Luft mit fort und bewirkte dadurch eine be- deutende Verstärkung des Zuges in dem Sinne eines Dampfstrahl- gebläses. Diese scheinbar unbedeutende Änderung vermehrte die Arbeit der Maschine um mehr als das doppelte und verminderte dabei zugleich die Belästigungen, welche der Dampf bei seinem direkten Entweichen aus den Dampfcylindern veranlaſst hatte. Diese Entdeckung kam zur rechten Zeit und erwies sich so wichtig, daſs sie für die Verwendung der Lokomotive entscheidend wurde. Nach dieser und noch manchen anderen Erfahrungen konstruierte Stephen- son eine zweite Maschine und nahm am 28. Februar 1815 ein Patent darauf. Die wichtigste Abänderung bestand darin, daſs er zwei vertikale Dampfcylinder direkt mit den beiden Räderpaaren verband. Um den notwendigen Parallelismus der Bewegungsebenen der Rad- scheiben und des Krummzapfens der Kolbenstange zu erreichen, wurde der Kreuzkopf durch ein bewegliches Kugelgelenk mit der Kolbenstange verbunden und bewegte sich in einer parallelen Führung. Die Räder selbst wollte er, wie aus der Patentbeschreibung hervor- geht, durch Kurbelstangen miteinander verbinden, da er aber niemand fand, der ihm so starke, geköpfte Achsen schmieden konnte, muſste er sich damit begnügen, die Räderpaare durch Ketten, welche über Zahn- räder liefen, miteinander zu kuppeln. Da die Ketten sich aber nach wenigen Jahren längten und unbrauchbar wurden, so ersetzte er sie durch Führungsstangen an der äuſseren Seite der Räder. So waren in dieser Maschine vom Jahre 1815 schon die wichtigsten Erfindungen Stephensons in Anwendung gebracht, und kann sie als der erste Typus der modernen Lokomotive angesehen werden. Obgleich seine Maschine noch viele Mängel hatte und von den meisten nur als ein interessantes Spielzeug angesehen wurde, so war Stephenson bereits ganz von der zukünftigen Bedeutung der Loko- motive durchdrungen, von der er bereits bestimmt behauptete, daſs sie einstmals alle anderen Transportmittel für den Massentransport zu Land verdrängen werde. Bisher hatten sich Stephensons Verbesserungen nur auf die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/310
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/310>, abgerufen am 18.05.2024.