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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.
schwedisches Dannemora-Eisen, und zwar nur von den mit beifolgenden
Stempeln versehenen Marken (Fig. 230). Die Tiegel wurden vorgewärmt,
dann mit 10 bis 12 Pfund chargiert, worauf noch 1 bis 11/2 Stunden
der Rest der Beschickung eingetragen wurde. Nach 31/2 Stunden
konnte man zum Guss schreiten.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts versuchte man auch in
den übrigen Ländern Europas die Gussstahlfabrikation einzuführen,
jedoch ohne besonderen Erfolg. Am bemerkenswertesten sind in dieser
Beziehung die Anstrengungen, welche in Frankreich, namentlich zur
Zeit der französischen Republik, gemacht wurden. Clouet und Chalut

[Abbildung] Fig. 230.
stellten im Jahre 1788
Versuche an, welche
Aufsehen erregten. Sie
wurden dabei geleitet
von der neuen Theorie,
welche Vandermonde, Berthollet und Monge aufgestellt hatten, und
durch den sensationellen Nachweis Guyton de Morveaus, welcher Stahl
durch Zusammenschmelzen von reinem Eisen und Diamant dargestellt
hatte 1), wonach also Stahl reines Schmiedeeisen mit höherem Kohlenstoff-
gehalt sei. Ihre Absicht war, dem Schmiedeeisen Kohlenstoff direkt im
Schmelztiegel zuzusetzen und dadurch den langwierigen Cementations-
prozess zu vermeiden. Sie setzten 1 Pfund Schmiedeeisen von Berry mit
einer abgewogenen Menge von 1/64 des Gewichtes des Eisens Kohlen-
stoff und mit einer bestimmten Menge Glas als Flussmittel und Schlacke
in einen Schmelztiegel ein und schmolzen in starker Hitze. Das
Produkt war nach ihrer Angabe Stahl, der sich anfangs schwierig
bearbeiten liess, nach einigem Schmieden aber weich wurde und sich
zu feinem Stahldraht ausziehen liess. Clouet setzte später diese
Versuche allein fort, legte deren Ergebnisse dem Nationalinstitut vor
und veröffentlichte sie 2). Er erhielt angeblich Stahl 1. aus Schmiede-
eisen mit 1/32 seines Gewichtes an Kohle, 2. aus Eisen, Glas und Kohle
(1/20 bis 1/30), 3. aus 1 Tl. Eisenoxydul (d. h. Oxyduloxyd) und 11/2

1) Annales de Chimie, T. XXXI, p. 378, Proces-verbal de la conversion du
fer doux en acier fondu par le diamand, par Guyton; deutsch in Crells Chem.
Annalen 1800, Bd. I, S. 433.
2) Journal de Physique, II, p. 46, Clouets und Chaluts erste Versuche
1788; Journal des Mines, an VII (1799), Nr. 43, p. 3, Resultats et experiences sur
les differents etats de fer par Clouet enthält die weiteren Versuche; Annal. de
Chimie, T. XXVIII, p. 19 -- 39, Rapport sur les resultats des experiences du Cit.
Clouet, sur les differents etats du fer, et pour la conversion du fer en acier fondu
fait par Guyton, le 16 Messidor an VI (1798); deutsch in Crells Chem. Annal.
1800, Bd. II, S. 55.

Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.
schwedisches Dannemora-Eisen, und zwar nur von den mit beifolgenden
Stempeln versehenen Marken (Fig. 230). Die Tiegel wurden vorgewärmt,
dann mit 10 bis 12 Pfund chargiert, worauf noch 1 bis 1½ Stunden
der Rest der Beschickung eingetragen wurde. Nach 3½ Stunden
konnte man zum Guſs schreiten.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts versuchte man auch in
den übrigen Ländern Europas die Guſsstahlfabrikation einzuführen,
jedoch ohne besonderen Erfolg. Am bemerkenswertesten sind in dieser
Beziehung die Anstrengungen, welche in Frankreich, namentlich zur
Zeit der französischen Republik, gemacht wurden. Clouet und Chalut

[Abbildung] Fig. 230.
stellten im Jahre 1788
Versuche an, welche
Aufsehen erregten. Sie
wurden dabei geleitet
von der neuen Theorie,
welche Vandermonde, Berthollet und Monge aufgestellt hatten, und
durch den sensationellen Nachweis Guyton de Morveaus, welcher Stahl
durch Zusammenschmelzen von reinem Eisen und Diamant dargestellt
hatte 1), wonach also Stahl reines Schmiedeeisen mit höherem Kohlenstoff-
gehalt sei. Ihre Absicht war, dem Schmiedeeisen Kohlenstoff direkt im
Schmelztiegel zuzusetzen und dadurch den langwierigen Cementations-
prozeſs zu vermeiden. Sie setzten 1 Pfund Schmiedeeisen von Berry mit
einer abgewogenen Menge von 1/64 des Gewichtes des Eisens Kohlen-
stoff und mit einer bestimmten Menge Glas als Fluſsmittel und Schlacke
in einen Schmelztiegel ein und schmolzen in starker Hitze. Das
Produkt war nach ihrer Angabe Stahl, der sich anfangs schwierig
bearbeiten lieſs, nach einigem Schmieden aber weich wurde und sich
zu feinem Stahldraht ausziehen lieſs. Clouet setzte später diese
Versuche allein fort, legte deren Ergebnisse dem Nationalinstitut vor
und veröffentlichte sie 2). Er erhielt angeblich Stahl 1. aus Schmiede-
eisen mit 1/32 seines Gewichtes an Kohle, 2. aus Eisen, Glas und Kohle
(1/20 bis 1/30), 3. aus 1 Tl. Eisenoxydul (d. h. Oxyduloxyd) und 1½

1) Annales de Chimie, T. XXXI, p. 378, Procès-verbal de la conversion du
fer doux en acier fondu par le diamand, par Guyton; deutsch in Crells Chem.
Annalen 1800, Bd. I, S. 433.
2) Journal de Physique, II, p. 46, Clouets und Chaluts erste Versuche
1788; Journal des Mines, an VII (1799), Nr. 43, p. 3, Resultats et experiences sur
les différents états de fer par Clouet enthält die weiteren Versuche; Annal. de
Chimie, T. XXVIII, p. 19 — 39, Rapport sur les resultats des expériences du Cit.
Clouet, sur les différents états du fer, et pour la conversion du fer en acier fondu
fait par Guyton, le 16 Messidor an VI (1798); deutsch in Crells Chem. Annal.
1800, Bd. II, S. 55.
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[770/0784] Stahl Ende des 18. Jahrhunderts. schwedisches Dannemora-Eisen, und zwar nur von den mit beifolgenden Stempeln versehenen Marken (Fig. 230). Die Tiegel wurden vorgewärmt, dann mit 10 bis 12 Pfund chargiert, worauf noch 1 bis 1½ Stunden der Rest der Beschickung eingetragen wurde. Nach 3½ Stunden konnte man zum Guſs schreiten. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts versuchte man auch in den übrigen Ländern Europas die Guſsstahlfabrikation einzuführen, jedoch ohne besonderen Erfolg. Am bemerkenswertesten sind in dieser Beziehung die Anstrengungen, welche in Frankreich, namentlich zur Zeit der französischen Republik, gemacht wurden. Clouet und Chalut [Abbildung Fig. 230.] stellten im Jahre 1788 Versuche an, welche Aufsehen erregten. Sie wurden dabei geleitet von der neuen Theorie, welche Vandermonde, Berthollet und Monge aufgestellt hatten, und durch den sensationellen Nachweis Guyton de Morveaus, welcher Stahl durch Zusammenschmelzen von reinem Eisen und Diamant dargestellt hatte 1), wonach also Stahl reines Schmiedeeisen mit höherem Kohlenstoff- gehalt sei. Ihre Absicht war, dem Schmiedeeisen Kohlenstoff direkt im Schmelztiegel zuzusetzen und dadurch den langwierigen Cementations- prozeſs zu vermeiden. Sie setzten 1 Pfund Schmiedeeisen von Berry mit einer abgewogenen Menge von 1/64 des Gewichtes des Eisens Kohlen- stoff und mit einer bestimmten Menge Glas als Fluſsmittel und Schlacke in einen Schmelztiegel ein und schmolzen in starker Hitze. Das Produkt war nach ihrer Angabe Stahl, der sich anfangs schwierig bearbeiten lieſs, nach einigem Schmieden aber weich wurde und sich zu feinem Stahldraht ausziehen lieſs. Clouet setzte später diese Versuche allein fort, legte deren Ergebnisse dem Nationalinstitut vor und veröffentlichte sie 2). Er erhielt angeblich Stahl 1. aus Schmiede- eisen mit 1/32 seines Gewichtes an Kohle, 2. aus Eisen, Glas und Kohle (1/20 bis 1/30), 3. aus 1 Tl. Eisenoxydul (d. h. Oxyduloxyd) und 1½ 1) Annales de Chimie, T. XXXI, p. 378, Procès-verbal de la conversion du fer doux en acier fondu par le diamand, par Guyton; deutsch in Crells Chem. Annalen 1800, Bd. I, S. 433. 2) Journal de Physique, II, p. 46, Clouets und Chaluts erste Versuche 1788; Journal des Mines, an VII (1799), Nr. 43, p. 3, Resultats et experiences sur les différents états de fer par Clouet enthält die weiteren Versuche; Annal. de Chimie, T. XXVIII, p. 19 — 39, Rapport sur les resultats des expériences du Cit. Clouet, sur les différents états du fer, et pour la conversion du fer en acier fondu fait par Guyton, le 16 Messidor an VI (1798); deutsch in Crells Chem. Annal. 1800, Bd. II, S. 55.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 770. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/784>, abgerufen am 29.06.2024.