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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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James Watt und die Dampfmaschine.
vor, eine jährliche Rente zu zahlen. Die Gewerke von Wheal Virgin
zahlten beispielsweise für ihre fünf Maschinen 2500 £ jährlich.
Boulton ging ohne Zögern auf den neuen Zahlungsmodus ein, aber
Watt war damals in so melancholischer Gemütsstimmung, dass er
darin nur Unglück sah. Die Firma wurde selbst nach und nach Teil-
haber an verschiedenen Bergwerken in Cornwall, welche Anteile an
Zahlungsstatt verpfändet hatten. Dadurch wuchs ihr Interesse an
dem dortigen Bergbau noch mehr, so dass Boulton ein eigenes Haus
daselbst bauen und einrichten liess, wo er in den folgenden Jahren
regelmässig einen Teil des Jahres verbrachte. Er trug sich sogar eine
Zeit lang mit der Idee, die ganze Maschinenfabrik von Soho nach
Cornwall zu verlegen, weil Cornwall ihr Hauptabsatzgebiet geworden
war. Alle Newcomenmaschinen bis auf eine waren dort von den
Wattschen Maschinen verdrängt worden.

Watts Niedergeschlagenheit dauerte an. Freilich fehlte es nicht
an Sorgen und Ärgernissen. Boulton hatte mehr als 40000 £ in das
Maschinengeschäft gesteckt, ehe es anfing, sich zu rentieren, und als
es nun anfing, entbrannte ein Kampf um das Patent, indem Gegner
auftraten, welche es zu stürzen suchten. Einen andern grossen Ver-
druss musste er erleben in Bezug auf die Anwendung der Kurbel.
1779 war nämlich Watt damit beschäftigt, die einfachste Art der
Umsetzung der geradlinigen in die Kreisbewegung zu konstruieren.
Er verfiel auf die natürlichste, die Kurbel, die seit undenklicher Zeit
in Anwendung war, denn, wie Watt sagte, war der Mann, der
das erste Tretrad machte, der Erfinder der Kurbelbewegung, und
jeder Scherenschleifer benutzte dieselbe. Er dachte also nicht daran,
darauf ein Patent zu nehmen. Gross war daher sein Ärger, als Pickard
im folgenden Jahre 1780 auf die Anwendung der Kurbel ein Patent
erhielt, um so mehr, als die Idee augenscheinlich von ihm gestohlen
war. Er hatte seine Kurbelmaschine in Soho fertig konstruiert. Einer
der Modelleure, welche an dem Modell gearbeitet hatten, prahlte damit
eines Abends in der Kneipe und zeichnete das Princip mit Kreide
auf den Tisch, um es besser zu erklären. Ein Horcher war anwesend
in der Person eines Knopfmachers. Durch diesen soll Pickard
Kenntnis davon bekommen haben. Watt hatte immer einen gewissen
Washburne im Verdacht, einen Mechanikus in Bristol, den Watt
früher einmal beschäftigt hatte und der sich später darauf verlegte,
selbst Dampfmaschinen zu bauen. Watt schrieb 1781: Washburnes
Maschinerie ist von mir und durch unwürdige Mittel gestohlen und das
Patent erschlichen. Dieser Washburne behauptete auch der Erfinder

James Watt und die Dampfmaschine.
vor, eine jährliche Rente zu zahlen. Die Gewerke von Wheal Virgin
zahlten beispielsweise für ihre fünf Maschinen 2500 £ jährlich.
Boulton ging ohne Zögern auf den neuen Zahlungsmodus ein, aber
Watt war damals in so melancholischer Gemütsstimmung, daſs er
darin nur Unglück sah. Die Firma wurde selbst nach und nach Teil-
haber an verschiedenen Bergwerken in Cornwall, welche Anteile an
Zahlungsstatt verpfändet hatten. Dadurch wuchs ihr Interesse an
dem dortigen Bergbau noch mehr, so daſs Boulton ein eigenes Haus
daselbst bauen und einrichten lieſs, wo er in den folgenden Jahren
regelmäſsig einen Teil des Jahres verbrachte. Er trug sich sogar eine
Zeit lang mit der Idee, die ganze Maschinenfabrik von Soho nach
Cornwall zu verlegen, weil Cornwall ihr Hauptabsatzgebiet geworden
war. Alle Newcomenmaschinen bis auf eine waren dort von den
Wattschen Maschinen verdrängt worden.

Watts Niedergeschlagenheit dauerte an. Freilich fehlte es nicht
an Sorgen und Ärgernissen. Boulton hatte mehr als 40000 £ in das
Maschinengeschäft gesteckt, ehe es anfing, sich zu rentieren, und als
es nun anfing, entbrannte ein Kampf um das Patent, indem Gegner
auftraten, welche es zu stürzen suchten. Einen andern groſsen Ver-
druſs muſste er erleben in Bezug auf die Anwendung der Kurbel.
1779 war nämlich Watt damit beschäftigt, die einfachste Art der
Umsetzung der geradlinigen in die Kreisbewegung zu konstruieren.
Er verfiel auf die natürlichste, die Kurbel, die seit undenklicher Zeit
in Anwendung war, denn, wie Watt sagte, war der Mann, der
das erste Tretrad machte, der Erfinder der Kurbelbewegung, und
jeder Scherenschleifer benutzte dieselbe. Er dachte also nicht daran,
darauf ein Patent zu nehmen. Groſs war daher sein Ärger, als Pickard
im folgenden Jahre 1780 auf die Anwendung der Kurbel ein Patent
erhielt, um so mehr, als die Idee augenscheinlich von ihm gestohlen
war. Er hatte seine Kurbelmaschine in Soho fertig konstruiert. Einer
der Modelleure, welche an dem Modell gearbeitet hatten, prahlte damit
eines Abends in der Kneipe und zeichnete das Princip mit Kreide
auf den Tisch, um es besser zu erklären. Ein Horcher war anwesend
in der Person eines Knopfmachers. Durch diesen soll Pickard
Kenntnis davon bekommen haben. Watt hatte immer einen gewissen
Washburne im Verdacht, einen Mechanikus in Bristol, den Watt
früher einmal beschäftigt hatte und der sich später darauf verlegte,
selbst Dampfmaschinen zu bauen. Watt schrieb 1781: Washburnes
Maschinerie ist von mir und durch unwürdige Mittel gestohlen und das
Patent erschlichen. Dieser Washburne behauptete auch der Erfinder

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[525/0539] James Watt und die Dampfmaschine. vor, eine jährliche Rente zu zahlen. Die Gewerke von Wheal Virgin zahlten beispielsweise für ihre fünf Maschinen 2500 £ jährlich. Boulton ging ohne Zögern auf den neuen Zahlungsmodus ein, aber Watt war damals in so melancholischer Gemütsstimmung, daſs er darin nur Unglück sah. Die Firma wurde selbst nach und nach Teil- haber an verschiedenen Bergwerken in Cornwall, welche Anteile an Zahlungsstatt verpfändet hatten. Dadurch wuchs ihr Interesse an dem dortigen Bergbau noch mehr, so daſs Boulton ein eigenes Haus daselbst bauen und einrichten lieſs, wo er in den folgenden Jahren regelmäſsig einen Teil des Jahres verbrachte. Er trug sich sogar eine Zeit lang mit der Idee, die ganze Maschinenfabrik von Soho nach Cornwall zu verlegen, weil Cornwall ihr Hauptabsatzgebiet geworden war. Alle Newcomenmaschinen bis auf eine waren dort von den Wattschen Maschinen verdrängt worden. Watts Niedergeschlagenheit dauerte an. Freilich fehlte es nicht an Sorgen und Ärgernissen. Boulton hatte mehr als 40000 £ in das Maschinengeschäft gesteckt, ehe es anfing, sich zu rentieren, und als es nun anfing, entbrannte ein Kampf um das Patent, indem Gegner auftraten, welche es zu stürzen suchten. Einen andern groſsen Ver- druſs muſste er erleben in Bezug auf die Anwendung der Kurbel. 1779 war nämlich Watt damit beschäftigt, die einfachste Art der Umsetzung der geradlinigen in die Kreisbewegung zu konstruieren. Er verfiel auf die natürlichste, die Kurbel, die seit undenklicher Zeit in Anwendung war, denn, wie Watt sagte, war der Mann, der das erste Tretrad machte, der Erfinder der Kurbelbewegung, und jeder Scherenschleifer benutzte dieselbe. Er dachte also nicht daran, darauf ein Patent zu nehmen. Groſs war daher sein Ärger, als Pickard im folgenden Jahre 1780 auf die Anwendung der Kurbel ein Patent erhielt, um so mehr, als die Idee augenscheinlich von ihm gestohlen war. Er hatte seine Kurbelmaschine in Soho fertig konstruiert. Einer der Modelleure, welche an dem Modell gearbeitet hatten, prahlte damit eines Abends in der Kneipe und zeichnete das Princip mit Kreide auf den Tisch, um es besser zu erklären. Ein Horcher war anwesend in der Person eines Knopfmachers. Durch diesen soll Pickard Kenntnis davon bekommen haben. Watt hatte immer einen gewissen Washburne im Verdacht, einen Mechanikus in Bristol, den Watt früher einmal beschäftigt hatte und der sich später darauf verlegte, selbst Dampfmaschinen zu bauen. Watt schrieb 1781: Washburnes Maschinerie ist von mir und durch unwürdige Mittel gestohlen und das Patent erschlichen. Dieser Washburne behauptete auch der Erfinder

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/539>, abgerufen am 23.11.2024.