1779 kamen zwei preussische Ingenieure nach Soho, welche von Watt sehr artig empfangen wurden. "Sie gelangten in das Maschinen- zimmer und kopierten Old Bess" (die frühere Kinneil-, jetzt Soho- maschine).
Acht weitere Maschinen wurden für Cornwall bestellt. Die Aus- führung überwachte Watt und er war darin äusserst peinlich. Er gab für jede Maschine eine geschriebene Anleitung heraus, nach der gearbeitet werden musste und worin nicht nur die Werkzeuge für die einzelnen Arbeiten, sondern auch die Aufeinanderfolge derselben genau angegeben war. Dadurch wurde Soho eine hohe Schule der Arbeit. Watt verlangte viel und wurde leicht ungeduldig, was durch Boultons vornehme Ruhe wieder ausgeglichen wurde. Tüchtige Vorarbeiter kamen aber dadurch auch in Stellungen, wie sie früher gewöhnliche Arbeiter nie erlangt hatten. Ein solcher war William Murdock, ein praktisches Genie und der zuverlässigste Mensch, das Muster eines Monteurs; auf ihn konnte sich Watt ganz verlassen. Watts Umgang regte in Murdock den Erfindungsgeist an, wodurch er später das erste brauch- bare Modell eines Dampfwagens entwarf und anfertigte und zuerst die Gasbeleuchtung einführte. Geboren 1754, also damals noch ein junger Mann, stieg er vom gemeinen Arbeiter durch eigene Kraft zum Gehülfen, ja man kann sagen zum Freund von Watt und Boulton empor. Er war Watts Adjutant. Wo eine schwierige, mechanische Aufgabe zu lösen war, wurde Murdock hingeschickt. Es war ein schönes Ver- hältnis zwischen dem treuen Diener und der Herrschaft. Noch schöner war aber das Verhältnis zwischen Watt und Boulton selbst, zwei bedeutende Menschen von ausgeprägter Individualität, in voller Über- einstimmung einem Zweck dienend. Watt war das Gehirn, Boulton das Herz des Unternehmens.
Bis zum Sommer 1780 hatten Boulton und Watt 40 meist grosse Maschinen geliefert, davon 20 nach Cornwall.
Wir haben schon früher erwähnt, dass Watt eine Freude am Briefe- schreiben hatte und eine ausgedehnte Korrespondenz unterhielt. Zu seiner eigenen Erleichterung hatte er 1778 die Kopierpresse erfunden, die noch heute in allgemeinem Gebrauch ist. Auch diese Erfindung verstand Boulton in grossartigem Massstabe auszubeuten, in Gemein- schaft mit Watt und Keir, nachdem Watt 1780 ein Patent darauf genommen hatte. Um jene Zeit litt dieser wieder an unaufhörlichem Nervenkopfweh.
Die Cornwaller Gewerke wollten von den Zählkarten und der Berechnung der Kohlenersparnis nichts mehr wissen und zogen es
James Watt und die Dampfmaschine.
1779 kamen zwei preuſsische Ingenieure nach Soho, welche von Watt sehr artig empfangen wurden. „Sie gelangten in das Maschinen- zimmer und kopierten Old Bess“ (die frühere Kinneil-, jetzt Soho- maschine).
Acht weitere Maschinen wurden für Cornwall bestellt. Die Aus- führung überwachte Watt und er war darin äuſserst peinlich. Er gab für jede Maschine eine geschriebene Anleitung heraus, nach der gearbeitet werden muſste und worin nicht nur die Werkzeuge für die einzelnen Arbeiten, sondern auch die Aufeinanderfolge derselben genau angegeben war. Dadurch wurde Soho eine hohe Schule der Arbeit. Watt verlangte viel und wurde leicht ungeduldig, was durch Boultons vornehme Ruhe wieder ausgeglichen wurde. Tüchtige Vorarbeiter kamen aber dadurch auch in Stellungen, wie sie früher gewöhnliche Arbeiter nie erlangt hatten. Ein solcher war William Murdock, ein praktisches Genie und der zuverlässigste Mensch, das Muster eines Monteurs; auf ihn konnte sich Watt ganz verlassen. Watts Umgang regte in Murdock den Erfindungsgeist an, wodurch er später das erste brauch- bare Modell eines Dampfwagens entwarf und anfertigte und zuerst die Gasbeleuchtung einführte. Geboren 1754, also damals noch ein junger Mann, stieg er vom gemeinen Arbeiter durch eigene Kraft zum Gehülfen, ja man kann sagen zum Freund von Watt und Boulton empor. Er war Watts Adjutant. Wo eine schwierige, mechanische Aufgabe zu lösen war, wurde Murdock hingeschickt. Es war ein schönes Ver- hältnis zwischen dem treuen Diener und der Herrschaft. Noch schöner war aber das Verhältnis zwischen Watt und Boulton selbst, zwei bedeutende Menschen von ausgeprägter Individualität, in voller Über- einstimmung einem Zweck dienend. Watt war das Gehirn, Boulton das Herz des Unternehmens.
Bis zum Sommer 1780 hatten Boulton und Watt 40 meist groſse Maschinen geliefert, davon 20 nach Cornwall.
Wir haben schon früher erwähnt, daſs Watt eine Freude am Briefe- schreiben hatte und eine ausgedehnte Korrespondenz unterhielt. Zu seiner eigenen Erleichterung hatte er 1778 die Kopierpresse erfunden, die noch heute in allgemeinem Gebrauch ist. Auch diese Erfindung verstand Boulton in groſsartigem Maſsstabe auszubeuten, in Gemein- schaft mit Watt und Keir, nachdem Watt 1780 ein Patent darauf genommen hatte. Um jene Zeit litt dieser wieder an unaufhörlichem Nervenkopfweh.
Die Cornwaller Gewerke wollten von den Zählkarten und der Berechnung der Kohlenersparnis nichts mehr wissen und zogen es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0538"n="524"/><fwplace="top"type="header">James Watt und die Dampfmaschine.</fw><lb/><p>1779 kamen zwei preuſsische Ingenieure nach Soho, welche von<lb/><hirendition="#g">Watt</hi> sehr artig empfangen wurden. „Sie gelangten in das Maschinen-<lb/>
zimmer und kopierten Old Bess“ (die frühere Kinneil-, jetzt Soho-<lb/>
maschine).</p><lb/><p>Acht weitere Maschinen wurden für Cornwall bestellt. Die Aus-<lb/>
führung überwachte <hirendition="#g">Watt</hi> und er war darin äuſserst peinlich. Er gab für<lb/>
jede Maschine eine geschriebene Anleitung heraus, nach der gearbeitet<lb/>
werden muſste und worin nicht nur die Werkzeuge für die einzelnen<lb/>
Arbeiten, sondern auch die Aufeinanderfolge derselben genau angegeben<lb/>
war. Dadurch wurde Soho eine hohe Schule der Arbeit. <hirendition="#g">Watt</hi> verlangte<lb/>
viel und wurde leicht ungeduldig, was durch <hirendition="#g">Boultons</hi> vornehme<lb/>
Ruhe wieder ausgeglichen wurde. Tüchtige Vorarbeiter kamen aber<lb/>
dadurch auch in Stellungen, wie sie früher gewöhnliche Arbeiter nie<lb/>
erlangt hatten. Ein solcher war <hirendition="#g">William Murdock</hi>, ein praktisches<lb/>
Genie und der zuverlässigste Mensch, das Muster eines Monteurs;<lb/>
auf ihn konnte sich <hirendition="#g">Watt</hi> ganz verlassen. <hirendition="#g">Watts</hi> Umgang regte in<lb/><hirendition="#g">Murdock</hi> den Erfindungsgeist an, wodurch er später das erste brauch-<lb/>
bare Modell eines Dampfwagens entwarf und anfertigte und zuerst die<lb/>
Gasbeleuchtung einführte. Geboren 1754, also damals noch ein junger<lb/>
Mann, stieg er vom gemeinen Arbeiter durch eigene Kraft zum Gehülfen,<lb/>
ja man kann sagen zum Freund von <hirendition="#g">Watt</hi> und <hirendition="#g">Boulton</hi> empor. Er<lb/>
war <hirendition="#g">Watts</hi> Adjutant. Wo eine schwierige, mechanische Aufgabe zu<lb/>
lösen war, wurde <hirendition="#g">Murdock</hi> hingeschickt. Es war ein schönes Ver-<lb/>
hältnis zwischen dem treuen Diener und der Herrschaft. Noch schöner<lb/>
war aber das Verhältnis zwischen <hirendition="#g">Watt</hi> und <hirendition="#g">Boulton</hi> selbst, zwei<lb/>
bedeutende Menschen von ausgeprägter Individualität, in voller Über-<lb/>
einstimmung einem Zweck dienend. <hirendition="#g">Watt</hi> war das Gehirn, <hirendition="#g">Boulton</hi><lb/>
das Herz des Unternehmens.</p><lb/><p>Bis zum Sommer 1780 hatten <hirendition="#g">Boulton</hi> und <hirendition="#g">Watt</hi> 40 meist<lb/>
groſse Maschinen geliefert, davon 20 nach Cornwall.</p><lb/><p>Wir haben schon früher erwähnt, daſs <hirendition="#g">Watt</hi> eine Freude am Briefe-<lb/>
schreiben hatte und eine ausgedehnte Korrespondenz unterhielt. Zu<lb/>
seiner eigenen Erleichterung hatte er 1778 die Kopierpresse erfunden,<lb/>
die noch heute in allgemeinem Gebrauch ist. Auch diese Erfindung<lb/>
verstand <hirendition="#g">Boulton</hi> in groſsartigem Maſsstabe auszubeuten, in Gemein-<lb/>
schaft mit <hirendition="#g">Watt</hi> und <hirendition="#g">Keir</hi>, nachdem <hirendition="#g">Watt</hi> 1780 ein Patent darauf<lb/>
genommen hatte. Um jene Zeit litt dieser wieder an unaufhörlichem<lb/>
Nervenkopfweh.</p><lb/><p>Die Cornwaller Gewerke wollten von den Zählkarten und der<lb/>
Berechnung der Kohlenersparnis nichts mehr wissen und zogen es<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[524/0538]
James Watt und die Dampfmaschine.
1779 kamen zwei preuſsische Ingenieure nach Soho, welche von
Watt sehr artig empfangen wurden. „Sie gelangten in das Maschinen-
zimmer und kopierten Old Bess“ (die frühere Kinneil-, jetzt Soho-
maschine).
Acht weitere Maschinen wurden für Cornwall bestellt. Die Aus-
führung überwachte Watt und er war darin äuſserst peinlich. Er gab für
jede Maschine eine geschriebene Anleitung heraus, nach der gearbeitet
werden muſste und worin nicht nur die Werkzeuge für die einzelnen
Arbeiten, sondern auch die Aufeinanderfolge derselben genau angegeben
war. Dadurch wurde Soho eine hohe Schule der Arbeit. Watt verlangte
viel und wurde leicht ungeduldig, was durch Boultons vornehme
Ruhe wieder ausgeglichen wurde. Tüchtige Vorarbeiter kamen aber
dadurch auch in Stellungen, wie sie früher gewöhnliche Arbeiter nie
erlangt hatten. Ein solcher war William Murdock, ein praktisches
Genie und der zuverlässigste Mensch, das Muster eines Monteurs;
auf ihn konnte sich Watt ganz verlassen. Watts Umgang regte in
Murdock den Erfindungsgeist an, wodurch er später das erste brauch-
bare Modell eines Dampfwagens entwarf und anfertigte und zuerst die
Gasbeleuchtung einführte. Geboren 1754, also damals noch ein junger
Mann, stieg er vom gemeinen Arbeiter durch eigene Kraft zum Gehülfen,
ja man kann sagen zum Freund von Watt und Boulton empor. Er
war Watts Adjutant. Wo eine schwierige, mechanische Aufgabe zu
lösen war, wurde Murdock hingeschickt. Es war ein schönes Ver-
hältnis zwischen dem treuen Diener und der Herrschaft. Noch schöner
war aber das Verhältnis zwischen Watt und Boulton selbst, zwei
bedeutende Menschen von ausgeprägter Individualität, in voller Über-
einstimmung einem Zweck dienend. Watt war das Gehirn, Boulton
das Herz des Unternehmens.
Bis zum Sommer 1780 hatten Boulton und Watt 40 meist
groſse Maschinen geliefert, davon 20 nach Cornwall.
Wir haben schon früher erwähnt, daſs Watt eine Freude am Briefe-
schreiben hatte und eine ausgedehnte Korrespondenz unterhielt. Zu
seiner eigenen Erleichterung hatte er 1778 die Kopierpresse erfunden,
die noch heute in allgemeinem Gebrauch ist. Auch diese Erfindung
verstand Boulton in groſsartigem Maſsstabe auszubeuten, in Gemein-
schaft mit Watt und Keir, nachdem Watt 1780 ein Patent darauf
genommen hatte. Um jene Zeit litt dieser wieder an unaufhörlichem
Nervenkopfweh.
Die Cornwaller Gewerke wollten von den Zählkarten und der
Berechnung der Kohlenersparnis nichts mehr wissen und zogen es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/538>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.