Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
Norwegen. "Zur Zeit, da kaum ein deutsches Reich bestand, die
böhmischen Hussiten das mittlere Deutschland siegreich durchzogen,
war das deutsche Kaisertum zur See von Kap Finisterre bis Island,
von den Lofoden bis zur Newa sicher geborgen" (Jähns).

1428 entsendete sie eine Flotte von 248 Schiffen mit 12000 Mann
gegen Kopenhagen, nötigte den König Philipp IV. von Frankreich,
den Briten alle Handlung auf den französischen Küsten zu verbieten;
eroberte mit 100 Schiffen Lissabon, und England musste den Frieden
von ihr mit 10000 Pfd. Sterl. erkaufen. Vergebens stemmte sich
noch gegen diese Übermacht der Deutschen das patriotische Gefühl
der Skandinavier und Engländer.

Den ersten Rückgang erfuhr die Macht der Hansa durch die
Vereinigung der Niederlande mit Burgund. Von 1431 an ging ihr
Handel mit Holland zurück und 1441 wurde sie von den Holländern
besiegt.

In Deutschland selbst erfuhr der Hansabund eine Schwächung
durch die wachsende Territorialgewalt der Fürsten, welche die Städte
des Bundes in die Landesunterthänigkeit zu bringen strebten.

Ein anderer Grund des Rückganges waren innere Zwistig-
keiten.

In England übte König Eduard IV. auf die deutschen Kaufleute
schweren Druck aus, indem er die Berechtigung ihrer Privilegien in
Zweifel zog, deren Erneuerung im Jahre 1466 nur gegen Zahlung
einer grossen Summe erfolgte. Die innere Spaltung im Bunde be-
nutzend, übertrug Heinrich VI. alle Privilegien allein auf die Kölni-
schen Kaufleute. Erst nach langen Verhandlungen wurden dieselben
1474 dem Hansabunde wieder zugesprochen.

1493 wurde der Stahlhof überfallen und geplündert. Dies kam
so: Die englischen Kaufleute hatten sich ebenfalls zu einem Bunde
vereinigt, den "merchant adventurers", welche wichtige Privilegien
erwarben und grossen Handel trieben. Durch die Feindseligkeiten
Englands mit Burgund und den Niederlanden kamen diese in grosse
Bedrängnis, weil der Handel mit den Niederlanden gänzlich ab-
geschnitten war. Die Deutschen aber zogen gerade aus diesem Um-
stande ungeheuren Vorteil, indem sie die flämischen Waren über
ihre deutschen Häfen einführten. Dies reizte die vielen brotlos ge-
wordenen Tagelöhner, Lehrlinge und andere Bedienstete der merchant
adventurers zu solcher Wut, dass sie mit bewaffneter Hand den
Stahlhof überfielen und plünderten. Die Bewegung wurde zwar rasch
unterdrückt, führte aber zu langen Verhandlungen, die erst 1504

Beck, Geschichte des Eisens. 37

Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
Norwegen. „Zur Zeit, da kaum ein deutsches Reich bestand, die
böhmischen Hussiten das mittlere Deutschland siegreich durchzogen,
war das deutsche Kaisertum zur See von Kap Finisterre bis Island,
von den Lofoden bis zur Newa sicher geborgen“ (Jähns).

1428 entsendete sie eine Flotte von 248 Schiffen mit 12000 Mann
gegen Kopenhagen, nötigte den König Philipp IV. von Frankreich,
den Briten alle Handlung auf den französischen Küsten zu verbieten;
eroberte mit 100 Schiffen Lissabon, und England muſste den Frieden
von ihr mit 10000 Pfd. Sterl. erkaufen. Vergebens stemmte sich
noch gegen diese Übermacht der Deutschen das patriotische Gefühl
der Skandinavier und Engländer.

Den ersten Rückgang erfuhr die Macht der Hansa durch die
Vereinigung der Niederlande mit Burgund. Von 1431 an ging ihr
Handel mit Holland zurück und 1441 wurde sie von den Holländern
besiegt.

In Deutschland selbst erfuhr der Hansabund eine Schwächung
durch die wachsende Territorialgewalt der Fürsten, welche die Städte
des Bundes in die Landesunterthänigkeit zu bringen strebten.

Ein anderer Grund des Rückganges waren innere Zwistig-
keiten.

In England übte König Eduard IV. auf die deutschen Kaufleute
schweren Druck aus, indem er die Berechtigung ihrer Privilegien in
Zweifel zog, deren Erneuerung im Jahre 1466 nur gegen Zahlung
einer groſsen Summe erfolgte. Die innere Spaltung im Bunde be-
nutzend, übertrug Heinrich VI. alle Privilegien allein auf die Kölni-
schen Kaufleute. Erst nach langen Verhandlungen wurden dieselben
1474 dem Hansabunde wieder zugesprochen.

1493 wurde der Stahlhof überfallen und geplündert. Dies kam
so: Die englischen Kaufleute hatten sich ebenfalls zu einem Bunde
vereinigt, den „merchant adventurers“, welche wichtige Privilegien
erwarben und groſsen Handel trieben. Durch die Feindseligkeiten
Englands mit Burgund und den Niederlanden kamen diese in groſse
Bedrängnis, weil der Handel mit den Niederlanden gänzlich ab-
geschnitten war. Die Deutschen aber zogen gerade aus diesem Um-
stande ungeheuren Vorteil, indem sie die flämischen Waren über
ihre deutschen Häfen einführten. Dies reizte die vielen brotlos ge-
wordenen Tagelöhner, Lehrlinge und andere Bedienstete der merchant
adventurers zu solcher Wut, daſs sie mit bewaffneter Hand den
Stahlhof überfielen und plünderten. Die Bewegung wurde zwar rasch
unterdrückt, führte aber zu langen Verhandlungen, die erst 1504

Beck, Geschichte des Eisens. 37
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0597" n="577"/><fw place="top" type="header">Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.</fw><lb/>
Norwegen. &#x201E;Zur Zeit, da kaum ein deutsches Reich bestand, die<lb/>
böhmischen Hussiten das mittlere Deutschland siegreich durchzogen,<lb/>
war das deutsche Kaisertum zur See von Kap Finisterre bis Island,<lb/>
von den Lofoden bis zur Newa sicher geborgen&#x201C; (<hi rendition="#g">Jähns</hi>).</p><lb/>
              <p>1428 entsendete sie eine Flotte von 248 Schiffen mit 12000 Mann<lb/>
gegen Kopenhagen, nötigte den König Philipp IV. von Frankreich,<lb/>
den Briten alle Handlung auf den französischen Küsten zu verbieten;<lb/>
eroberte mit 100 Schiffen Lissabon, und England mu&#x017F;ste den Frieden<lb/>
von ihr mit 10000 Pfd. Sterl. erkaufen. Vergebens stemmte sich<lb/>
noch gegen diese Übermacht der Deutschen das patriotische Gefühl<lb/>
der Skandinavier und Engländer.</p><lb/>
              <p>Den ersten Rückgang erfuhr die Macht der Hansa durch die<lb/>
Vereinigung der Niederlande mit Burgund. Von 1431 an ging ihr<lb/>
Handel mit Holland zurück und 1441 wurde sie von den Holländern<lb/>
besiegt.</p><lb/>
              <p>In Deutschland selbst erfuhr der Hansabund eine Schwächung<lb/>
durch die wachsende Territorialgewalt der Fürsten, welche die Städte<lb/>
des Bundes in die Landesunterthänigkeit zu bringen strebten.</p><lb/>
              <p>Ein anderer Grund des Rückganges waren innere Zwistig-<lb/>
keiten.</p><lb/>
              <p>In England übte König Eduard IV. auf die deutschen Kaufleute<lb/>
schweren Druck aus, indem er die Berechtigung ihrer Privilegien in<lb/>
Zweifel zog, deren Erneuerung im Jahre 1466 nur gegen Zahlung<lb/>
einer gro&#x017F;sen Summe erfolgte. Die innere Spaltung im Bunde be-<lb/>
nutzend, übertrug Heinrich VI. alle Privilegien allein auf die Kölni-<lb/>
schen Kaufleute. Erst nach langen Verhandlungen wurden dieselben<lb/>
1474 dem Hansabunde wieder zugesprochen.</p><lb/>
              <p>1493 wurde der Stahlhof überfallen und geplündert. Dies kam<lb/>
so: Die englischen Kaufleute hatten sich ebenfalls zu einem Bunde<lb/>
vereinigt, den &#x201E;merchant adventurers&#x201C;, welche wichtige Privilegien<lb/>
erwarben und gro&#x017F;sen Handel trieben. Durch die Feindseligkeiten<lb/>
Englands mit Burgund und den Niederlanden kamen diese in gro&#x017F;se<lb/>
Bedrängnis, weil der Handel mit den Niederlanden gänzlich ab-<lb/>
geschnitten war. Die Deutschen aber zogen gerade aus diesem Um-<lb/>
stande ungeheuren Vorteil, indem sie die flämischen Waren über<lb/>
ihre deutschen Häfen einführten. Dies reizte die vielen brotlos ge-<lb/>
wordenen Tagelöhner, Lehrlinge und andere Bedienstete der merchant<lb/>
adventurers zu solcher Wut, da&#x017F;s sie mit bewaffneter Hand den<lb/>
Stahlhof überfielen und plünderten. Die Bewegung wurde zwar rasch<lb/>
unterdrückt, führte aber zu langen Verhandlungen, die erst 1504<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Beck</hi>, Geschichte des Eisens. 37</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[577/0597] Der Eisenhandel und die deutsche Hansa. Norwegen. „Zur Zeit, da kaum ein deutsches Reich bestand, die böhmischen Hussiten das mittlere Deutschland siegreich durchzogen, war das deutsche Kaisertum zur See von Kap Finisterre bis Island, von den Lofoden bis zur Newa sicher geborgen“ (Jähns). 1428 entsendete sie eine Flotte von 248 Schiffen mit 12000 Mann gegen Kopenhagen, nötigte den König Philipp IV. von Frankreich, den Briten alle Handlung auf den französischen Küsten zu verbieten; eroberte mit 100 Schiffen Lissabon, und England muſste den Frieden von ihr mit 10000 Pfd. Sterl. erkaufen. Vergebens stemmte sich noch gegen diese Übermacht der Deutschen das patriotische Gefühl der Skandinavier und Engländer. Den ersten Rückgang erfuhr die Macht der Hansa durch die Vereinigung der Niederlande mit Burgund. Von 1431 an ging ihr Handel mit Holland zurück und 1441 wurde sie von den Holländern besiegt. In Deutschland selbst erfuhr der Hansabund eine Schwächung durch die wachsende Territorialgewalt der Fürsten, welche die Städte des Bundes in die Landesunterthänigkeit zu bringen strebten. Ein anderer Grund des Rückganges waren innere Zwistig- keiten. In England übte König Eduard IV. auf die deutschen Kaufleute schweren Druck aus, indem er die Berechtigung ihrer Privilegien in Zweifel zog, deren Erneuerung im Jahre 1466 nur gegen Zahlung einer groſsen Summe erfolgte. Die innere Spaltung im Bunde be- nutzend, übertrug Heinrich VI. alle Privilegien allein auf die Kölni- schen Kaufleute. Erst nach langen Verhandlungen wurden dieselben 1474 dem Hansabunde wieder zugesprochen. 1493 wurde der Stahlhof überfallen und geplündert. Dies kam so: Die englischen Kaufleute hatten sich ebenfalls zu einem Bunde vereinigt, den „merchant adventurers“, welche wichtige Privilegien erwarben und groſsen Handel trieben. Durch die Feindseligkeiten Englands mit Burgund und den Niederlanden kamen diese in groſse Bedrängnis, weil der Handel mit den Niederlanden gänzlich ab- geschnitten war. Die Deutschen aber zogen gerade aus diesem Um- stande ungeheuren Vorteil, indem sie die flämischen Waren über ihre deutschen Häfen einführten. Dies reizte die vielen brotlos ge- wordenen Tagelöhner, Lehrlinge und andere Bedienstete der merchant adventurers zu solcher Wut, daſs sie mit bewaffneter Hand den Stahlhof überfielen und plünderten. Die Bewegung wurde zwar rasch unterdrückt, führte aber zu langen Verhandlungen, die erst 1504 Beck, Geschichte des Eisens. 37

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/597
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/597>, abgerufen am 22.11.2024.