Die Herstellung der Gabeln geschah in folgender Weise: Wenn eine Gabel drei oder vier Zacken erhalten sollte, so schmiedete der Messerschmied für diesen Teil der Gabel das vordere Ende eines Stahlstabes flach aus und zwar so breit, als die Zacken mit ihren Zwischenräumen. Der Fuss der Zacken, "die Stolle", wurde dann unter dem Hammer rund, die Angel dagegen völlig ausgeschmiedet. Alsdann hieb man mit einem Meissel die Zwischenräume der Zacken aus, bearbeitete jeden Zacken mit der Feile und krümmte alle zu- sammen etwas mit dem Hammer. Der Stollen bekommt dabei meist eine flachrunde Gestalt. Zweizinkige Gabeln werden anders her- gestellt. Man lässt beim Schmieden der Gabel ein flaches Stück stehen, welches halb so lang ist, als die fertigen Zacken, und zer- schrotet es mit dem Meissel der Länge nach in zwei gleiche Streifen. Diese biegt man dergestalt zurück, dass sie mit der Stolle einen rechten Winkel bilden, und schmiedet sie alsdann zu spitzigen Zacken aus. Hierauf macht man sie wieder warm, treibt sie etwas mit dem Hammer zusammen und richtet sie auf dem "Gabelrichter", wobei der Messerschmied den einen Zacken der Gabel in die Öffnung unter den Gabelrichter steckt und dem andern auf der Bahn desselben den entsprechenden Abstand von der Stolle giebt. Dasselbe wird dann mit dem zweiten Zacken wiederholt Alsdann werden beide nebst der Stolle mit der Feile ausgearbeitet. Die Zacken bekommen bei allen Gabeln Federhärte, damit sie sich gehörig biegen lassen. Hierauf werden sie poliert. Die Schalen werden wie die Messer- schalen verfertigt.
Die Scheren wurden ebenfalls von den Messerschmieden an- gefertigt. Die fabrikmässige Herstellung bestand aber im 16. Jahr- hundert noch nicht, wenigstens war in Solingen die Scheren- schmiederei von untergeordneter Bedeutung. Mehr scheinen sie in den grossen Industriestätten, wie in Nürnberg, fabriziert worden zu sein. Besonders berühmt durch seine Scheren war Sheffield.
Die Teile der Scheren haben folgende Namen: die schneiden- den Klingen heissen "die Blätter", der Ort, wo sie zusammengenietet werden, "der Schild", die Schenkel "die Stangen", welche sich in Ringen endigen. Die feinen Scherenblätter werden aus gutem Stahl, die Stangen aber aus Eisen geschmiedet, weil man sonst die Ringe nicht lochen kann. Die Stahlschneiden werden an das Eisen der Stangen angeschweisst. Das Schmieden, Stanzen, Schweissen, Feilen, Härten, Schleifen und Polieren sind bei feinen Scheren nicht ganz leichte Arbeiten.
27*
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Die Herstellung der Gabeln geschah in folgender Weise: Wenn eine Gabel drei oder vier Zacken erhalten sollte, so schmiedete der Messerschmied für diesen Teil der Gabel das vordere Ende eines Stahlstabes flach aus und zwar so breit, als die Zacken mit ihren Zwischenräumen. Der Fuſs der Zacken, „die Stolle“, wurde dann unter dem Hammer rund, die Angel dagegen völlig ausgeschmiedet. Alsdann hieb man mit einem Meiſsel die Zwischenräume der Zacken aus, bearbeitete jeden Zacken mit der Feile und krümmte alle zu- sammen etwas mit dem Hammer. Der Stollen bekommt dabei meist eine flachrunde Gestalt. Zweizinkige Gabeln werden anders her- gestellt. Man läſst beim Schmieden der Gabel ein flaches Stück stehen, welches halb so lang ist, als die fertigen Zacken, und zer- schrotet es mit dem Meiſsel der Länge nach in zwei gleiche Streifen. Diese biegt man dergestalt zurück, daſs sie mit der Stolle einen rechten Winkel bilden, und schmiedet sie alsdann zu spitzigen Zacken aus. Hierauf macht man sie wieder warm, treibt sie etwas mit dem Hammer zusammen und richtet sie auf dem „Gabelrichter“, wobei der Messerschmied den einen Zacken der Gabel in die Öffnung unter den Gabelrichter steckt und dem andern auf der Bahn desſelben den entsprechenden Abstand von der Stolle giebt. Dasſelbe wird dann mit dem zweiten Zacken wiederholt Alsdann werden beide nebst der Stolle mit der Feile ausgearbeitet. Die Zacken bekommen bei allen Gabeln Federhärte, damit sie sich gehörig biegen lassen. Hierauf werden sie poliert. Die Schalen werden wie die Messer- schalen verfertigt.
Die Scheren wurden ebenfalls von den Messerschmieden an- gefertigt. Die fabrikmäſsige Herstellung bestand aber im 16. Jahr- hundert noch nicht, wenigstens war in Solingen die Scheren- schmiederei von untergeordneter Bedeutung. Mehr scheinen sie in den groſsen Industriestätten, wie in Nürnberg, fabriziert worden zu sein. Besonders berühmt durch seine Scheren war Sheffield.
Die Teile der Scheren haben folgende Namen: die schneiden- den Klingen heiſsen „die Blätter“, der Ort, wo sie zusammengenietet werden, „der Schild“, die Schenkel „die Stangen“, welche sich in Ringen endigen. Die feinen Scherenblätter werden aus gutem Stahl, die Stangen aber aus Eisen geschmiedet, weil man sonst die Ringe nicht lochen kann. Die Stahlschneiden werden an das Eisen der Stangen angeschweiſst. Das Schmieden, Stanzen, Schweiſsen, Feilen, Härten, Schleifen und Polieren sind bei feinen Scheren nicht ganz leichte Arbeiten.
27*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0439"n="419"/><fwplace="top"type="header">Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.</fw><lb/><p>Die Herstellung der Gabeln geschah in folgender Weise:<lb/>
Wenn eine Gabel drei oder vier Zacken erhalten sollte, so schmiedete<lb/>
der Messerschmied für diesen Teil der Gabel das vordere Ende eines<lb/>
Stahlstabes flach aus und zwar so breit, als die Zacken mit ihren<lb/>
Zwischenräumen. Der Fuſs der Zacken, „die Stolle“, wurde dann<lb/>
unter dem Hammer rund, die Angel dagegen völlig ausgeschmiedet.<lb/>
Alsdann hieb man mit einem Meiſsel die Zwischenräume der Zacken<lb/>
aus, bearbeitete jeden Zacken mit der Feile und krümmte alle zu-<lb/>
sammen etwas mit dem Hammer. Der Stollen bekommt dabei meist<lb/>
eine flachrunde Gestalt. Zweizinkige Gabeln werden anders her-<lb/>
gestellt. Man läſst beim Schmieden der Gabel ein flaches Stück<lb/>
stehen, welches halb so lang ist, als die fertigen Zacken, und zer-<lb/>
schrotet es mit dem Meiſsel der Länge nach in zwei gleiche Streifen.<lb/>
Diese biegt man dergestalt zurück, daſs sie mit der Stolle einen<lb/>
rechten Winkel bilden, und schmiedet sie alsdann zu spitzigen Zacken<lb/>
aus. Hierauf macht man sie wieder warm, treibt sie etwas mit dem<lb/>
Hammer zusammen und richtet sie auf dem „Gabelrichter“, wobei<lb/>
der Messerschmied den einen Zacken der Gabel in die Öffnung unter<lb/>
den Gabelrichter steckt und dem andern auf der Bahn desſelben<lb/>
den entsprechenden Abstand von der Stolle giebt. Dasſelbe wird<lb/>
dann mit dem zweiten Zacken wiederholt Alsdann werden beide<lb/>
nebst der Stolle mit der Feile ausgearbeitet. Die Zacken bekommen<lb/>
bei allen Gabeln Federhärte, damit sie sich gehörig biegen lassen.<lb/>
Hierauf werden sie poliert. Die Schalen werden wie die Messer-<lb/>
schalen verfertigt.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Scheren</hi> wurden ebenfalls von den Messerschmieden an-<lb/>
gefertigt. Die fabrikmäſsige Herstellung bestand aber im 16. Jahr-<lb/>
hundert noch nicht, wenigstens war in Solingen die Scheren-<lb/>
schmiederei von untergeordneter Bedeutung. Mehr scheinen sie in<lb/>
den groſsen Industriestätten, wie in Nürnberg, fabriziert worden zu<lb/>
sein. Besonders berühmt durch seine Scheren war Sheffield.</p><lb/><p>Die Teile der Scheren haben folgende Namen: die schneiden-<lb/>
den Klingen heiſsen „die Blätter“, der Ort, wo sie zusammengenietet<lb/>
werden, „der Schild“, die Schenkel „die Stangen“, welche sich in<lb/>
Ringen endigen. Die feinen Scherenblätter werden aus gutem Stahl,<lb/>
die Stangen aber aus Eisen geschmiedet, weil man sonst die Ringe<lb/>
nicht lochen kann. Die Stahlschneiden werden an das Eisen der<lb/>
Stangen angeschweiſst. Das Schmieden, Stanzen, Schweiſsen, Feilen,<lb/>
Härten, Schleifen und Polieren sind bei feinen Scheren nicht ganz<lb/>
leichte Arbeiten.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">27*</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[419/0439]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Die Herstellung der Gabeln geschah in folgender Weise:
Wenn eine Gabel drei oder vier Zacken erhalten sollte, so schmiedete
der Messerschmied für diesen Teil der Gabel das vordere Ende eines
Stahlstabes flach aus und zwar so breit, als die Zacken mit ihren
Zwischenräumen. Der Fuſs der Zacken, „die Stolle“, wurde dann
unter dem Hammer rund, die Angel dagegen völlig ausgeschmiedet.
Alsdann hieb man mit einem Meiſsel die Zwischenräume der Zacken
aus, bearbeitete jeden Zacken mit der Feile und krümmte alle zu-
sammen etwas mit dem Hammer. Der Stollen bekommt dabei meist
eine flachrunde Gestalt. Zweizinkige Gabeln werden anders her-
gestellt. Man läſst beim Schmieden der Gabel ein flaches Stück
stehen, welches halb so lang ist, als die fertigen Zacken, und zer-
schrotet es mit dem Meiſsel der Länge nach in zwei gleiche Streifen.
Diese biegt man dergestalt zurück, daſs sie mit der Stolle einen
rechten Winkel bilden, und schmiedet sie alsdann zu spitzigen Zacken
aus. Hierauf macht man sie wieder warm, treibt sie etwas mit dem
Hammer zusammen und richtet sie auf dem „Gabelrichter“, wobei
der Messerschmied den einen Zacken der Gabel in die Öffnung unter
den Gabelrichter steckt und dem andern auf der Bahn desſelben
den entsprechenden Abstand von der Stolle giebt. Dasſelbe wird
dann mit dem zweiten Zacken wiederholt Alsdann werden beide
nebst der Stolle mit der Feile ausgearbeitet. Die Zacken bekommen
bei allen Gabeln Federhärte, damit sie sich gehörig biegen lassen.
Hierauf werden sie poliert. Die Schalen werden wie die Messer-
schalen verfertigt.
Die Scheren wurden ebenfalls von den Messerschmieden an-
gefertigt. Die fabrikmäſsige Herstellung bestand aber im 16. Jahr-
hundert noch nicht, wenigstens war in Solingen die Scheren-
schmiederei von untergeordneter Bedeutung. Mehr scheinen sie in
den groſsen Industriestätten, wie in Nürnberg, fabriziert worden zu
sein. Besonders berühmt durch seine Scheren war Sheffield.
Die Teile der Scheren haben folgende Namen: die schneiden-
den Klingen heiſsen „die Blätter“, der Ort, wo sie zusammengenietet
werden, „der Schild“, die Schenkel „die Stangen“, welche sich in
Ringen endigen. Die feinen Scherenblätter werden aus gutem Stahl,
die Stangen aber aus Eisen geschmiedet, weil man sonst die Ringe
nicht lochen kann. Die Stahlschneiden werden an das Eisen der
Stangen angeschweiſst. Das Schmieden, Stanzen, Schweiſsen, Feilen,
Härten, Schleifen und Polieren sind bei feinen Scheren nicht ganz
leichte Arbeiten.
27*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/439>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.