Die meisten Geschütze aber, namentlich die in Nürnberg und Augs- burg gegossenen, waren nach dem Giessmeister benannt, so die aus Rhodos stammende, bereits erwähnte Endorferin; 1444 in Nürnberg die Kaltenburgerin, dann aus der Nürnberger Fehde von 1449 bis 1451 die Grünwaldin, die Wiedersteinin, die Steudin, die Windspacherin.
In dem Zeuginventar von 1462 werden als Steinbüchsen aufgeführt: Kün, Wiedersteinin (mehrmals), Kaltenburgerin, Vehlin, Sozerin, Ulri- chin, Fischerin, Markgräfin, Grunwaldin. Diese Namen wiederholen sich zum Teil bei den kleineren Büchsen. Unter den Bleibüchsen erscheint noch die "Steudin".
Ferner kommen vor die grosse und kleine Gurtlerin, die Muk- kundin.
Diese Zusammenstellung liesse sich noch leicht vermehren, doch dürfte es für unsere Zwecke von grösserem Interesse sein, eine Klassi- fikation der Geschützarten mitzuteilen. Es ist hierbei nötig, die Ge- schützbezeichnungen verschiedener Zeiten nicht zusammenzuwerfen, in- dem der Sinn der Bezeichnung in verschiedenen Perioden Wandelungen erfahren hat. So bezeichnen wir mit Büchse, womit man im Mittelalter in Deutschland ausschliesslich die schweren Geschütze bezeichnete, jetzt eine Handfeuerwaffe.
Die Büchse war in der ersten Periode des Artilleriewesens das schwere, unbehilfliche Geschütz, bei dem Pulverkammer und Lauf ge- trennt waren, das hauptsächlich bei Belagerungen und bei der Ver- teidigung fester Plätze verwendet wurde. In den romanischen Sprachen bezeichnete man damals diese Geschütze mit Bombarden. Man unter- schied nach Grösse und Verwendung bald verschiedene Arten von Büch- sen. Die grössten hiessen Hauptbüchsen oder grosse Büchsen, auch grosse Hauptbüchsen. Die anderen hiessen im allgemeinen kleine Büchsen. Nach der Grösse unterschied man Viertelbüchsen, kleine und grosse, auch Quartern. Nach der Art ihrer Befestigung unterschied man Bockbüchsen, die auf einem Bockgestell lagen und Wagen- oder Karrenbüchsen, die auf Wagen gefahren wurden, mit einer Bespannung von 8 Pferden und mehr. Das Geschützrohr war mit feststehendem Fuss auf einer Dreh- scheibe im Innern eines Wagens angebracht, dessen Wände beim Ab- feuern aufgehoben wurden, oder mit Schiessscharten versehen waren 1). Dann Schlangenbüchsen. Dies waren Feldgeschütze mit langem Lauf; und Notbüchsen, eine Art Wallbüchsen. Dann die eigentlichen Hand- feuerwaffen: Hakenbüchsen und Handbüchsen, diese letzteren waren in frühester Zeit vielfach aus Kupfer oder Messing hergestellt.
1) Würdinger I, 195.
Geschütze.
Die meisten Geschütze aber, namentlich die in Nürnberg und Augs- burg gegossenen, waren nach dem Gieſsmeister benannt, so die aus Rhodos stammende, bereits erwähnte Endorferin; 1444 in Nürnberg die Kaltenburgerin, dann aus der Nürnberger Fehde von 1449 bis 1451 die Grünwaldin, die Wiedersteinin, die Steudin, die Windspacherin.
In dem Zeuginventar von 1462 werden als Steinbüchsen aufgeführt: Kün, Wiedersteinin (mehrmals), Kaltenburgerin, Vehlin, Sozerin, Ulri- chin, Fischerin, Markgräfin, Grunwaldin. Diese Namen wiederholen sich zum Teil bei den kleineren Büchsen. Unter den Bleibüchsen erscheint noch die „Steudin“.
Ferner kommen vor die groſse und kleine Gurtlerin, die Muk- kundin.
Diese Zusammenstellung lieſse sich noch leicht vermehren, doch dürfte es für unsere Zwecke von gröſserem Interesse sein, eine Klassi- fikation der Geschützarten mitzuteilen. Es ist hierbei nötig, die Ge- schützbezeichnungen verschiedener Zeiten nicht zusammenzuwerfen, in- dem der Sinn der Bezeichnung in verschiedenen Perioden Wandelungen erfahren hat. So bezeichnen wir mit Büchse, womit man im Mittelalter in Deutschland ausschlieſslich die schweren Geschütze bezeichnete, jetzt eine Handfeuerwaffe.
Die Büchse war in der ersten Periode des Artilleriewesens das schwere, unbehilfliche Geschütz, bei dem Pulverkammer und Lauf ge- trennt waren, das hauptsächlich bei Belagerungen und bei der Ver- teidigung fester Plätze verwendet wurde. In den romanischen Sprachen bezeichnete man damals diese Geschütze mit Bombarden. Man unter- schied nach Gröſse und Verwendung bald verschiedene Arten von Büch- sen. Die gröſsten hieſsen Hauptbüchsen oder groſse Büchsen, auch groſse Hauptbüchsen. Die anderen hieſsen im allgemeinen kleine Büchsen. Nach der Gröſse unterschied man Viertelbüchsen, kleine und groſse, auch Quartern. Nach der Art ihrer Befestigung unterschied man Bockbüchsen, die auf einem Bockgestell lagen und Wagen- oder Karrenbüchsen, die auf Wagen gefahren wurden, mit einer Bespannung von 8 Pferden und mehr. Das Geschützrohr war mit feststehendem Fuſs auf einer Dreh- scheibe im Innern eines Wagens angebracht, dessen Wände beim Ab- feuern aufgehoben wurden, oder mit Schieſsscharten versehen waren 1). Dann Schlangenbüchsen. Dies waren Feldgeschütze mit langem Lauf; und Notbüchsen, eine Art Wallbüchsen. Dann die eigentlichen Hand- feuerwaffen: Hakenbüchsen und Handbüchsen, diese letzteren waren in frühester Zeit vielfach aus Kupfer oder Messing hergestellt.
1) Würdinger I, 195.
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Geschütze.
Die meisten Geschütze aber, namentlich die in Nürnberg und Augs-
burg gegossenen, waren nach dem Gieſsmeister benannt, so die aus
Rhodos stammende, bereits erwähnte Endorferin; 1444 in Nürnberg die
Kaltenburgerin, dann aus der Nürnberger Fehde von 1449 bis 1451 die
Grünwaldin, die Wiedersteinin, die Steudin, die Windspacherin.
In dem Zeuginventar von 1462 werden als Steinbüchsen aufgeführt:
Kün, Wiedersteinin (mehrmals), Kaltenburgerin, Vehlin, Sozerin, Ulri-
chin, Fischerin, Markgräfin, Grunwaldin. Diese Namen wiederholen sich
zum Teil bei den kleineren Büchsen. Unter den Bleibüchsen erscheint
noch die „Steudin“.
Ferner kommen vor die groſse und kleine Gurtlerin, die Muk-
kundin.
Diese Zusammenstellung lieſse sich noch leicht vermehren, doch
dürfte es für unsere Zwecke von gröſserem Interesse sein, eine Klassi-
fikation der Geschützarten mitzuteilen. Es ist hierbei nötig, die Ge-
schützbezeichnungen verschiedener Zeiten nicht zusammenzuwerfen, in-
dem der Sinn der Bezeichnung in verschiedenen Perioden Wandelungen
erfahren hat. So bezeichnen wir mit Büchse, womit man im Mittelalter
in Deutschland ausschlieſslich die schweren Geschütze bezeichnete, jetzt
eine Handfeuerwaffe.
Die Büchse war in der ersten Periode des Artilleriewesens das
schwere, unbehilfliche Geschütz, bei dem Pulverkammer und Lauf ge-
trennt waren, das hauptsächlich bei Belagerungen und bei der Ver-
teidigung fester Plätze verwendet wurde. In den romanischen Sprachen
bezeichnete man damals diese Geschütze mit Bombarden. Man unter-
schied nach Gröſse und Verwendung bald verschiedene Arten von Büch-
sen. Die gröſsten hieſsen Hauptbüchsen oder groſse Büchsen, auch groſse
Hauptbüchsen. Die anderen hieſsen im allgemeinen kleine Büchsen. Nach
der Gröſse unterschied man Viertelbüchsen, kleine und groſse, auch
Quartern. Nach der Art ihrer Befestigung unterschied man Bockbüchsen,
die auf einem Bockgestell lagen und Wagen- oder Karrenbüchsen, die
auf Wagen gefahren wurden, mit einer Bespannung von 8 Pferden und
mehr. Das Geschützrohr war mit feststehendem Fuſs auf einer Dreh-
scheibe im Innern eines Wagens angebracht, dessen Wände beim Ab-
feuern aufgehoben wurden, oder mit Schieſsscharten versehen waren 1).
Dann Schlangenbüchsen. Dies waren Feldgeschütze mit langem Lauf;
und Notbüchsen, eine Art Wallbüchsen. Dann die eigentlichen Hand-
feuerwaffen: Hakenbüchsen und Handbüchsen, diese letzteren waren
in frühester Zeit vielfach aus Kupfer oder Messing hergestellt.
1) Würdinger I, 195.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 936. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/958>, abgerufen am 22.11.2024.
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