Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Wenn er nicht zahlen könnte, mein verehrter Herr College, entgegnete Hofrath Brünings, indem er mit einiger Raschheit eine Priese nahm: so würde Hochderselbe sich nicht zur Zahlung verpflichten! Ihr Wort in Ehren, bester Herr College, versetzte Rath Melchers sehr ruhig. Nehmen Sie um des Himmelswillen nicht, was ich sage, und im Namen, wie im Interesse meiner hohen Gebieterin äußern muß, selbst wenn Hochdieselbe mir diese Bemerkungen nicht auftrug, nehmen Sie dies in keiner Weise persönlich; ich hege ja gegen den gnädigen Erbherrn die großmöglichste Verehrung. Aber sagen Sie selbst, wollen und können Sie es verhehlen, daß derselbe arm ist? Hatte er nicht allen Credit verloren schon vor seiner Gefangenschaft? Hat ihm nicht, wie Freund Windt mir bestätigen wird, der eigene Bruder jede Hülfe abgesagt, ebenso der beste Freund, Graf Grovestein? Ebenso der hohe Verwandte, der Herzog von Portland? Und nur ein Kaufmann aus Amsterdam war es, der dem jungen Herrn damals die Summe von fünfzigtausend Gulden zur Verfügung stellte, mit der dieser ebenso großmüthig als unbedachtsam dem Erbherrn zu helfen glaubte, damit aber nur Wasser in die Zuider-See goß! Nie wird diese Summe, die, statt ganz auf Doorwerth angelegt und angezahlt zu werden, für politische Gaukeleien zersplittert wurde, zurück bezahlt werden können, denn sie wird ja nicht einmal verzinst. Herr! fuhr Hofrath Brünings auf: Nennen Sie den edelsten Patriotismus, die heilige Vaterlandsliebe in der Brust eines wahrhaften Edel- und Ehrenmannes, eine politische Gaukelei? Ereifern Sie sich nicht, geehrter Herr! erwiederte Melchers, ein schon ziemlich bejahrter Mann mit einem vollen gemüthlichen Gesicht, das zu dem feinen, spitzen und hohlwangigen Antlitz des Hofrath Brünings einen sehr angenehmen Gegensatz bildete: wir sind nicht hier, um uns über politische Ansichten zu streiten. Ich bekämpfe nicht die Ihrigen, und will die Meinen nicht bekämpfen lassen. Gaukelei im erwähnten Sinne nenne ich jedes Unternehmen und jede That auf dem politischen Gebiete, die der Welt unnütz sind und dem, der sie ohne Voraussicht, ohne Ueberlegung beginnt, nur Schaden und nicht den mindesten Nutzen bringen. Für Leute solchen Schlages, warf Brünings voll sittlicher Entrüstung und tiefer Verachtung hin: gibt es keine Mannestugend, keine Wenn er nicht zahlen könnte, mein verehrter Herr College, entgegnete Hofrath Brünings, indem er mit einiger Raschheit eine Priese nahm: so würde Hochderselbe sich nicht zur Zahlung verpflichten! Ihr Wort in Ehren, bester Herr College, versetzte Rath Melchers sehr ruhig. Nehmen Sie um des Himmelswillen nicht, was ich sage, und im Namen, wie im Interesse meiner hohen Gebieterin äußern muß, selbst wenn Hochdieselbe mir diese Bemerkungen nicht auftrug, nehmen Sie dies in keiner Weise persönlich; ich hege ja gegen den gnädigen Erbherrn die großmöglichste Verehrung. Aber sagen Sie selbst, wollen und können Sie es verhehlen, daß derselbe arm ist? Hatte er nicht allen Credit verloren schon vor seiner Gefangenschaft? Hat ihm nicht, wie Freund Windt mir bestätigen wird, der eigene Bruder jede Hülfe abgesagt, ebenso der beste Freund, Graf Grovestein? Ebenso der hohe Verwandte, der Herzog von Portland? Und nur ein Kaufmann aus Amsterdam war es, der dem jungen Herrn damals die Summe von fünfzigtausend Gulden zur Verfügung stellte, mit der dieser ebenso großmüthig als unbedachtsam dem Erbherrn zu helfen glaubte, damit aber nur Wasser in die Zuider-See goß! Nie wird diese Summe, die, statt ganz auf Doorwerth angelegt und angezahlt zu werden, für politische Gaukeleien zersplittert wurde, zurück bezahlt werden können, denn sie wird ja nicht einmal verzinst. Herr! fuhr Hofrath Brünings auf: Nennen Sie den edelsten Patriotismus, die heilige Vaterlandsliebe in der Brust eines wahrhaften Edel- und Ehrenmannes, eine politische Gaukelei? Ereifern Sie sich nicht, geehrter Herr! erwiederte Melchers, ein schon ziemlich bejahrter Mann mit einem vollen gemüthlichen Gesicht, das zu dem feinen, spitzen und hohlwangigen Antlitz des Hofrath Brünings einen sehr angenehmen Gegensatz bildete: wir sind nicht hier, um uns über politische Ansichten zu streiten. Ich bekämpfe nicht die Ihrigen, und will die Meinen nicht bekämpfen lassen. Gaukelei im erwähnten Sinne nenne ich jedes Unternehmen und jede That auf dem politischen Gebiete, die der Welt unnütz sind und dem, der sie ohne Voraussicht, ohne Ueberlegung beginnt, nur Schaden und nicht den mindesten Nutzen bringen. Für Leute solchen Schlages, warf Brünings voll sittlicher Entrüstung und tiefer Verachtung hin: gibt es keine Mannestugend, keine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0346" n="342"/> <p>Wenn er nicht zahlen könnte, mein verehrter Herr College, entgegnete Hofrath Brünings, indem er mit einiger Raschheit eine Priese nahm: so würde Hochderselbe sich nicht zur Zahlung verpflichten!</p> <p>Ihr Wort in Ehren, bester Herr College, versetzte Rath Melchers sehr ruhig. Nehmen Sie um des Himmelswillen nicht, was ich sage, und im Namen, wie im Interesse meiner hohen Gebieterin äußern muß, selbst wenn Hochdieselbe mir diese Bemerkungen nicht auftrug, nehmen Sie dies in keiner Weise persönlich; ich hege ja gegen den gnädigen Erbherrn die großmöglichste Verehrung. Aber sagen Sie selbst, wollen und können Sie es verhehlen, daß derselbe arm ist? Hatte er nicht allen Credit verloren schon vor seiner Gefangenschaft? Hat ihm nicht, wie Freund Windt mir bestätigen wird, der eigene Bruder jede Hülfe abgesagt, ebenso der beste Freund, Graf Grovestein? Ebenso der hohe Verwandte, der Herzog von Portland? Und nur ein Kaufmann aus Amsterdam war es, der dem jungen Herrn damals die Summe von fünfzigtausend Gulden zur Verfügung stellte, mit der dieser ebenso großmüthig als unbedachtsam dem Erbherrn zu helfen glaubte, damit aber nur Wasser in die Zuider-See goß! Nie wird diese Summe, die, statt ganz auf Doorwerth angelegt und angezahlt zu werden, für politische Gaukeleien zersplittert wurde, zurück bezahlt werden können, denn sie wird ja nicht einmal verzinst.</p> <p>Herr! fuhr Hofrath Brünings auf: Nennen Sie den edelsten Patriotismus, die heilige Vaterlandsliebe in der Brust eines wahrhaften Edel- und Ehrenmannes, eine politische Gaukelei?</p> <p>Ereifern Sie sich nicht, geehrter Herr! erwiederte Melchers, ein schon ziemlich bejahrter Mann mit einem vollen gemüthlichen Gesicht, das zu dem feinen, spitzen und hohlwangigen Antlitz des Hofrath Brünings einen sehr angenehmen Gegensatz bildete: wir sind nicht hier, um uns über politische Ansichten zu streiten. Ich bekämpfe nicht die Ihrigen, und will die Meinen nicht bekämpfen lassen. 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Wenn er nicht zahlen könnte, mein verehrter Herr College, entgegnete Hofrath Brünings, indem er mit einiger Raschheit eine Priese nahm: so würde Hochderselbe sich nicht zur Zahlung verpflichten!
Ihr Wort in Ehren, bester Herr College, versetzte Rath Melchers sehr ruhig. Nehmen Sie um des Himmelswillen nicht, was ich sage, und im Namen, wie im Interesse meiner hohen Gebieterin äußern muß, selbst wenn Hochdieselbe mir diese Bemerkungen nicht auftrug, nehmen Sie dies in keiner Weise persönlich; ich hege ja gegen den gnädigen Erbherrn die großmöglichste Verehrung. Aber sagen Sie selbst, wollen und können Sie es verhehlen, daß derselbe arm ist? Hatte er nicht allen Credit verloren schon vor seiner Gefangenschaft? Hat ihm nicht, wie Freund Windt mir bestätigen wird, der eigene Bruder jede Hülfe abgesagt, ebenso der beste Freund, Graf Grovestein? Ebenso der hohe Verwandte, der Herzog von Portland? Und nur ein Kaufmann aus Amsterdam war es, der dem jungen Herrn damals die Summe von fünfzigtausend Gulden zur Verfügung stellte, mit der dieser ebenso großmüthig als unbedachtsam dem Erbherrn zu helfen glaubte, damit aber nur Wasser in die Zuider-See goß! Nie wird diese Summe, die, statt ganz auf Doorwerth angelegt und angezahlt zu werden, für politische Gaukeleien zersplittert wurde, zurück bezahlt werden können, denn sie wird ja nicht einmal verzinst.
Herr! fuhr Hofrath Brünings auf: Nennen Sie den edelsten Patriotismus, die heilige Vaterlandsliebe in der Brust eines wahrhaften Edel- und Ehrenmannes, eine politische Gaukelei?
Ereifern Sie sich nicht, geehrter Herr! erwiederte Melchers, ein schon ziemlich bejahrter Mann mit einem vollen gemüthlichen Gesicht, das zu dem feinen, spitzen und hohlwangigen Antlitz des Hofrath Brünings einen sehr angenehmen Gegensatz bildete: wir sind nicht hier, um uns über politische Ansichten zu streiten. Ich bekämpfe nicht die Ihrigen, und will die Meinen nicht bekämpfen lassen. Gaukelei im erwähnten Sinne nenne ich jedes Unternehmen und jede That auf dem politischen Gebiete, die der Welt unnütz sind und dem, der sie ohne Voraussicht, ohne Ueberlegung beginnt, nur Schaden und nicht den mindesten Nutzen bringen.
Für Leute solchen Schlages, warf Brünings voll sittlicher Entrüstung und tiefer Verachtung hin: gibt es keine Mannestugend, keine
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