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Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

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Seelen-Weißheit.
distentus, sed nihil elocutus fui, quia nolui, da
er dann schön beweiset in dem Tractat/ Propheta
Solis,
daß/ wann solche grausame Schmertzen die
menschliche Seel zur Bekantniß nicht zwingen
können/ daß viel weniger der Einfluß des Ge-
stirns solche nothwendigen könne/ aber was die
Gewalt bißweilen nicht thun kan/ das thut die
Gelindigkeit/ seynd auch viel/ welche beyde nicht
überstehen können. Zur Peinigung gehöret eine
semiplena probatio, und diese beruhet meistens
auff einen Argwohn/ oder Außsag einer vorzwei-
felten Person/ die selbsten nun des Todes ver-
sichert. Miserorum est, malevolentes ut sint,
atque invideant bonis & quibus solatium est,
socios habuisse malorum.
Das ist nun eben diß/
was der H. Augustinus hier oben andeutet/ daß
man auß ungewissen Ursachen dem Menschen
gewisse Schmertzen/ durch die Folter/ anthue/
hingegen/ wann er unschuldig befunden wird/
keine Satisfaction mehr thun könne/ dann ob
man ihm gleich das Leben lassen muß/ so ist er in
Henckers Händen gewesen/ so hat er ein ewige
Schand und grausame Schmertzen erlitten/ so
seynd ihm die Glieder verdorben/ also daß auch
vornehm: Grafen und Herren/ welche einmal
solcher gestalt unter des Henckers Hand seynd
gewesen/ ohneracht sie hernach unschuldig besun-
den worden/ und die Peinigung überstanden/

den-
N

Seelen-Weißheit.
diſtentus, ſed nihil elocutus fui, quia nolui, da
er dann ſchoͤn beweiſet in dem Tractat/ Propheta
Solis,
daß/ wann ſolche grauſame Schmertzen die
menſchliche Seel zur Bekantniß nicht zwingen
koͤnnen/ daß viel weniger der Einfluß des Ge-
ſtirns ſolche nothwendigen koͤnne/ aber was die
Gewalt bißweilen nicht thun kan/ das thut die
Gelindigkeit/ ſeynd auch viel/ welche beyde nicht
uͤberſtehen koͤnnen. Zur Peinigung gehoͤret eine
ſemiplena probatio, und dieſe beruhet meiſtens
auff einen Argwohn/ oder Außſag einer vorzwei-
felten Perſon/ die ſelbſten nun des Todes ver-
ſichert. Miſerorum eſt, malevolentes ut ſint,
atque invideant bonis & quibus ſolatium eſt,
ſocios habuiſſe malorum.
Das iſt nun eben diß/
was der H. Auguſtinus hier oben andeutet/ daß
man auß ungewiſſen Urſachen dem Menſchen
gewiſſe Schmertzen/ durch die Folter/ anthue/
hingegen/ wann er unſchuldig befunden wird/
keine Satisfaction mehr thun koͤnne/ dann ob
man ihm gleich das Leben laſſen muß/ ſo iſt er in
Henckers Haͤnden geweſen/ ſo hat er ein ewige
Schand und grauſame Schmertzen erlitten/ ſo
ſeynd ihm die Glieder verdorben/ alſo daß auch
vornehm: Grafen und Herꝛen/ welche einmal
ſolcher geſtalt unter des Henckers Hand ſeynd
geweſen/ ohneracht ſie hernach unſchuldig beſun-
den worden/ und die Peinigung uͤberſtanden/

den-
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[289/0347] Seelen-Weißheit. diſtentus, ſed nihil elocutus fui, quia nolui, da er dann ſchoͤn beweiſet in dem Tractat/ Propheta Solis, daß/ wann ſolche grauſame Schmertzen die menſchliche Seel zur Bekantniß nicht zwingen koͤnnen/ daß viel weniger der Einfluß des Ge- ſtirns ſolche nothwendigen koͤnne/ aber was die Gewalt bißweilen nicht thun kan/ das thut die Gelindigkeit/ ſeynd auch viel/ welche beyde nicht uͤberſtehen koͤnnen. Zur Peinigung gehoͤret eine ſemiplena probatio, und dieſe beruhet meiſtens auff einen Argwohn/ oder Außſag einer vorzwei- felten Perſon/ die ſelbſten nun des Todes ver- ſichert. Miſerorum eſt, malevolentes ut ſint, atque invideant bonis & quibus ſolatium eſt, ſocios habuiſſe malorum. Das iſt nun eben diß/ was der H. Auguſtinus hier oben andeutet/ daß man auß ungewiſſen Urſachen dem Menſchen gewiſſe Schmertzen/ durch die Folter/ anthue/ hingegen/ wann er unſchuldig befunden wird/ keine Satisfaction mehr thun koͤnne/ dann ob man ihm gleich das Leben laſſen muß/ ſo iſt er in Henckers Haͤnden geweſen/ ſo hat er ein ewige Schand und grauſame Schmertzen erlitten/ ſo ſeynd ihm die Glieder verdorben/ alſo daß auch vornehm: Grafen und Herꝛen/ welche einmal ſolcher geſtalt unter des Henckers Hand ſeynd geweſen/ ohneracht ſie hernach unſchuldig beſun- den worden/ und die Peinigung uͤberſtanden/ den- N

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Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/347>, abgerufen am 08.05.2024.