Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Psychosophia.

wolte auch lieber im Closter leben/ studiren/ fingen
und deten/ als der Weiber Greinen/ der Kinder Plär-
ren/ und des Gesindes Murren anhören/ wolte auch
lieber den Pater Prior vor mich sorgen lassen/ als daß
ich vor Frau/ Kinder und Gesinde selbsten sorgen
müste/ muß aber gleichwol gestehen/ daß der Ehe-
stand ein nöthiges Wesen/ als das Closter-Leben
sey/ sowol zur conservation als propagation des
menschlichen Geschlechts. Sage mir aber nun fer-
ner/ indem es nicht genug ist/ daß sich die Welt ver-
mehret/ sondern sie muß auch beym Leben erhalten
werden/ wie kan sich ein Mensch vor Gewaltthätig-
keit/ oder gewaltsamen Tod schützen/ oder mag er/
wann es ihm nicht wohl gehet/ und er seines Le-
bens müde und verdrossen ist/ sich selb-
sten umbringen?

Psych. Gleichwie der Mensch ohne seinen Wil-
len in diese Welt kommt/ also darff er auch nicht
ohne des jenigen Willen/ der ihn hineingesetzt
hat/ daraus scheiden/ sondern ist schuldig sein Leben
zu erhalten/ so lang er kan/ dannenhero die jeni-
gen/ welche sich selbsten umbringen/ als Mör-
der gestrafft werden; Wann man nun schuldig
ist/ sein Leben zu conserviren/ so müssen ja auch
einem die Mittel erlaubt seyn/ solches zu thun/
und dannenhero kommt in denen Rechten/ der Ti-
tul Inculpatae tutelae, dessenthalben entstehet die
Gegenwehr/ und was darzu dienet/ als Zeughäu-
ser/ Vestungen/ Soldaten und dergleichen.

143.

Pſychoſophia.

wolte auch lieber im Cloſter leben/ ſtudiren/ fingen
und deten/ als der Weiber Greinen/ der Kinder Plaͤr-
ren/ und des Geſindes Murren anhoͤren/ wolte auch
lieber den Pater Prior vor mich ſorgen laſſen/ als daß
ich vor Frau/ Kinder und Geſinde ſelbſten ſorgen
muͤſte/ muß aber gleichwol geſtehen/ daß der Ehe-
ſtand ein noͤthiges Weſen/ als das Cloſter-Leben
ſey/ ſowol zur conſervation als propagation des
menſchlichen Geſchlechts. Sage mir aber nun fer-
ner/ indem es nicht genug iſt/ daß ſich die Welt ver-
mehret/ ſondern ſie muß auch beym Leben erhalten
werden/ wie kan ſich ein Menſch vor Gewaltthaͤtig-
keit/ oder gewaltſamen Tod ſchuͤtzen/ oder mag er/
wann es ihm nicht wohl gehet/ und er ſeines Le-
bens muͤde und verdroſſen iſt/ ſich ſelb-
ſten umbringen?

Pſych. Gleichwie der Menſch ohne ſeinen Wil-
len in dieſe Welt kommt/ alſo darff er auch nicht
ohne des jenigen Willen/ der ihn hineingeſetzt
hat/ daraus ſcheiden/ ſondern iſt ſchuldig ſein Leben
zu erhalten/ ſo lang er kan/ dannenhero die jeni-
gen/ welche ſich ſelbſten umbringen/ als Moͤr-
der geſtrafft werden; Wann man nun ſchuldig
iſt/ ſein Leben zu conſerviren/ ſo muͤſſen ja auch
einem die Mittel erlaubt ſeyn/ ſolches zu thun/
und dannenhero kom̃t in denen Rechten/ der Ti-
tul Inculpatæ tutelæ, deſſenthalben entſtehet die
Gegenwehr/ und was darzu dienet/ als Zeughaͤu-
ſer/ Veſtungen/ Soldaten und dergleichen.

143.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0328" n="270"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">P&#x017F;ycho&#x017F;ophia.</hi></fw><lb/>
wolte auch lieber im Clo&#x017F;ter leben/ &#x017F;tudiren/ fingen<lb/>
und deten/ als der Weiber Greinen/ der Kinder Pla&#x0364;r-<lb/>
ren/ und des Ge&#x017F;indes Murren anho&#x0364;ren/ wolte auch<lb/>
lieber den <hi rendition="#aq">Pater Prior</hi> vor mich &#x017F;orgen la&#x017F;&#x017F;en/ als daß<lb/>
ich vor Frau/ Kinder und Ge&#x017F;inde &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;orgen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;te/ muß aber gleichwol ge&#x017F;tehen/ daß der Ehe-<lb/>
&#x017F;tand ein no&#x0364;thiges We&#x017F;en/ als das Clo&#x017F;ter-Leben<lb/>
&#x017F;ey/ &#x017F;owol zur <hi rendition="#aq">con&#x017F;ervation</hi> als <hi rendition="#aq">propagation</hi> des<lb/>
men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts. Sage mir aber nun fer-<lb/>
ner/ indem es nicht genug i&#x017F;t/ daß &#x017F;ich die Welt ver-<lb/>
mehret/ &#x017F;ondern &#x017F;ie muß auch beym Leben erhalten<lb/>
werden/ wie kan &#x017F;ich ein Men&#x017F;ch vor Gewalttha&#x0364;tig-<lb/>
keit/ oder gewalt&#x017F;amen Tod &#x017F;chu&#x0364;tzen/ oder mag er/<lb/>
wann es ihm nicht wohl gehet/ und er &#x017F;eines Le-<lb/>
bens mu&#x0364;de und verdro&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t/ &#x017F;ich &#x017F;elb-<lb/>
&#x017F;ten umbringen?</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">P&#x017F;ych.</hi> Gleichwie der Men&#x017F;ch ohne &#x017F;einen Wil-<lb/>
len in die&#x017F;e Welt kommt/ al&#x017F;o darff er auch nicht<lb/>
ohne des jenigen Willen/ der ihn hineinge&#x017F;etzt<lb/>
hat/ daraus &#x017F;cheiden/ &#x017F;ondern i&#x017F;t &#x017F;chuldig &#x017F;ein Leben<lb/>
zu erhalten/ &#x017F;o lang er kan/ dannenhero die jeni-<lb/>
gen/ welche &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten umbringen/ als Mo&#x0364;r-<lb/>
der ge&#x017F;trafft werden; Wann man nun &#x017F;chuldig<lb/>
i&#x017F;t/ &#x017F;ein Leben zu <hi rendition="#aq">con&#x017F;ervir</hi>en/ &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ja auch<lb/>
einem die Mittel erlaubt &#x017F;eyn/ &#x017F;olches zu thun/<lb/>
und dannenhero kom&#x0303;t in denen Rechten/ der Ti-<lb/>
tul <hi rendition="#aq">Inculpatæ tutelæ,</hi> de&#x017F;&#x017F;enthalben ent&#x017F;tehet die<lb/>
Gegenwehr/ und was darzu dienet/ als Zeugha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er/ Ve&#x017F;tungen/ Soldaten und dergleichen.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">143.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[270/0328] Pſychoſophia. wolte auch lieber im Cloſter leben/ ſtudiren/ fingen und deten/ als der Weiber Greinen/ der Kinder Plaͤr- ren/ und des Geſindes Murren anhoͤren/ wolte auch lieber den Pater Prior vor mich ſorgen laſſen/ als daß ich vor Frau/ Kinder und Geſinde ſelbſten ſorgen muͤſte/ muß aber gleichwol geſtehen/ daß der Ehe- ſtand ein noͤthiges Weſen/ als das Cloſter-Leben ſey/ ſowol zur conſervation als propagation des menſchlichen Geſchlechts. Sage mir aber nun fer- ner/ indem es nicht genug iſt/ daß ſich die Welt ver- mehret/ ſondern ſie muß auch beym Leben erhalten werden/ wie kan ſich ein Menſch vor Gewaltthaͤtig- keit/ oder gewaltſamen Tod ſchuͤtzen/ oder mag er/ wann es ihm nicht wohl gehet/ und er ſeines Le- bens muͤde und verdroſſen iſt/ ſich ſelb- ſten umbringen? Pſych. Gleichwie der Menſch ohne ſeinen Wil- len in dieſe Welt kommt/ alſo darff er auch nicht ohne des jenigen Willen/ der ihn hineingeſetzt hat/ daraus ſcheiden/ ſondern iſt ſchuldig ſein Leben zu erhalten/ ſo lang er kan/ dannenhero die jeni- gen/ welche ſich ſelbſten umbringen/ als Moͤr- der geſtrafft werden; Wann man nun ſchuldig iſt/ ſein Leben zu conſerviren/ ſo muͤſſen ja auch einem die Mittel erlaubt ſeyn/ ſolches zu thun/ und dannenhero kom̃t in denen Rechten/ der Ti- tul Inculpatæ tutelæ, deſſenthalben entſtehet die Gegenwehr/ und was darzu dienet/ als Zeughaͤu- ſer/ Veſtungen/ Soldaten und dergleichen. 143.

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/328
Zitationshilfe:	Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/328>, abgerufen am 08.05.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.