Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

Bild:
<< vorherige Seite

Seelen-Weißheit.
sondern kaltsinnig und langweilig vorgenommen
werden/ dann man muß lange bedencken/ was
man einmal thun will/ und das muß man dann
hernaher lange/ nemlich/ Lebenslang halten. Der
Ehestand hat allezeit zwey gewisse Unglück/ dann
man thut entweder einen glücklichen oder
unglücklichen Heurath; thut man einen
glücklichen Heurath/ und hat eine glückselige
Ehe/ stirbet eines von dem andern/ so ist kein
grösserer Schmertzen auff der Welt/ als dieser;
hat man aber eine unglückselige Ehe/ und lebt
mit einander wie Katzen und Hunde/ muß aus
äusserlicher Erbarkeit/ man doch beysammen le-
ben/ und mit Gewalt an ein Joch gespannet
seyn/ also in dem Ehestande das objectum sei-
nes Unglücks/ Haß und Tods stätigs vor Au-
gen sehen/ an der Taffel und im Bett bey sich
haben/ was ist das für eine Marter oder Höllen-
Pein! Wie? wann sich hernach die Gemüther
ändern/ das eine lustig/ das andere traurig wird;
Wie? wann sich die Temperamenten verkeh-
ren/ das eine dick/ das andere mager/ das eine
fruchtbar/ das andere unfruchtbar/ das eine ge-
sund/ das andere kranck wird: Wie? wann sich
dann das Glück und Vermögen ändert? Wie/ wann
es so weit kommt/ daß man auß Lieb gegen ein-
ander sterben/ oder auß Haß gegen einander ver-
zweiffeln wil/ und bey einander nicht mehr leben/

noch

Seelen-Weißheit.
ſondern kaltſinnig und langweilig vorgenommen
werden/ dann man muß lange bedencken/ was
man einmal thun will/ und das muß man dann
hernaher lange/ nemlich/ Lebenslang halten. Der
Eheſtand hat allezeit zwey gewiſſe Ungluͤck/ dann
man thut entweder einen gluͤcklichen oder
ungluͤcklichen Heurath; thut man einen
gluͤcklichen Heurath/ und hat eine gluͤckſelige
Ehe/ ſtirbet eines von dem andern/ ſo iſt kein
groͤſſerer Schmertzen auff der Welt/ als dieſer;
hat man aber eine ungluͤckſelige Ehe/ und lebt
mit einander wie Katzen und Hunde/ muß aus
aͤuſſerlicher Erbarkeit/ man doch beyſammen le-
ben/ und mit Gewalt an ein Joch geſpannet
ſeyn/ alſo in dem Eheſtande das objectum ſei-
nes Ungluͤcks/ Haß und Tods ſtaͤtigs vor Au-
gen ſehen/ an der Taffel und im Bett bey ſich
haben/ was iſt das fuͤr eine Marter oder Hoͤllen-
Pein! Wie? wann ſich hernach die Gemuͤther
aͤndern/ das eine luſtig/ das andere traurig wird;
Wie? wann ſich die Temperamenten verkeh-
ren/ das eine dick/ das andere mager/ das eine
fruchtbar/ das andere unfruchtbar/ das eine ge-
ſund/ das andere kranck wird: Wie? wann ſich
dañ das Gluͤck und Vermoͤgen aͤndert? Wie/ wañ
es ſo weit kommt/ daß man auß Lieb gegen ein-
ander ſterben/ oder auß Haß gegen einander ver-
zweiffeln wil/ und bey einander nicht mehr leben/

noch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0313" n="255"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Seelen-Weißheit.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ondern kalt&#x017F;innig und langweilig vorgenommen<lb/>
werden/ dann man muß lange bedencken/ was<lb/>
man einmal thun will/ und das muß man dann<lb/>
hernaher lange/ nemlich/ Lebenslang halten. Der<lb/>
Ehe&#x017F;tand hat allezeit zwey gewi&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#fr">U</hi>nglu&#x0364;ck/ dann<lb/>
man thut entweder einen <hi rendition="#fr">glu&#x0364;cklichen</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">unglu&#x0364;cklichen Heurath;</hi> thut man einen<lb/>
glu&#x0364;cklichen Heurath/ und hat eine glu&#x0364;ck&#x017F;elige<lb/>
Ehe/ &#x017F;tirbet eines von dem andern/ &#x017F;o i&#x017F;t kein<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer Schmertzen auff der Welt/ als die&#x017F;er;<lb/>
hat man aber eine unglu&#x0364;ck&#x017F;elige Ehe/ und lebt<lb/>
mit einander wie Katzen und Hunde/ muß aus<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlicher Erbarkeit/ man doch bey&#x017F;ammen le-<lb/>
ben/ und mit Gewalt an ein Joch ge&#x017F;pannet<lb/>
&#x017F;eyn/ al&#x017F;o in dem Ehe&#x017F;tande das <hi rendition="#aq">objectum</hi> &#x017F;ei-<lb/>
nes <hi rendition="#fr">U</hi>nglu&#x0364;cks/ Haß und Tods &#x017F;ta&#x0364;tigs vor Au-<lb/>
gen &#x017F;ehen/ an der Taffel und im Bett bey &#x017F;ich<lb/>
haben/ was i&#x017F;t das fu&#x0364;r eine Marter oder Ho&#x0364;llen-<lb/>
Pein! Wie? wann &#x017F;ich hernach die Gemu&#x0364;ther<lb/>
a&#x0364;ndern/ das eine lu&#x017F;tig/ das andere traurig wird;<lb/>
Wie? wann &#x017F;ich die Temperamenten verkeh-<lb/>
ren/ das eine dick/ das andere mager/ das eine<lb/>
fruchtbar/ das andere unfruchtbar/ das eine ge-<lb/>
&#x017F;und/ das andere kranck wird: Wie? wann &#x017F;ich<lb/>
dan&#x0303; das Glu&#x0364;ck und Vermo&#x0364;gen a&#x0364;ndert? Wie/ wan&#x0303;<lb/>
es &#x017F;o weit kommt/ daß man auß Lieb gegen ein-<lb/>
ander &#x017F;terben/ oder auß Haß gegen einander ver-<lb/>
zweiffeln wil/ und bey einander nicht mehr leben/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">noch</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0313] Seelen-Weißheit. ſondern kaltſinnig und langweilig vorgenommen werden/ dann man muß lange bedencken/ was man einmal thun will/ und das muß man dann hernaher lange/ nemlich/ Lebenslang halten. Der Eheſtand hat allezeit zwey gewiſſe Ungluͤck/ dann man thut entweder einen gluͤcklichen oder ungluͤcklichen Heurath; thut man einen gluͤcklichen Heurath/ und hat eine gluͤckſelige Ehe/ ſtirbet eines von dem andern/ ſo iſt kein groͤſſerer Schmertzen auff der Welt/ als dieſer; hat man aber eine ungluͤckſelige Ehe/ und lebt mit einander wie Katzen und Hunde/ muß aus aͤuſſerlicher Erbarkeit/ man doch beyſammen le- ben/ und mit Gewalt an ein Joch geſpannet ſeyn/ alſo in dem Eheſtande das objectum ſei- nes Ungluͤcks/ Haß und Tods ſtaͤtigs vor Au- gen ſehen/ an der Taffel und im Bett bey ſich haben/ was iſt das fuͤr eine Marter oder Hoͤllen- Pein! Wie? wann ſich hernach die Gemuͤther aͤndern/ das eine luſtig/ das andere traurig wird; Wie? wann ſich die Temperamenten verkeh- ren/ das eine dick/ das andere mager/ das eine fruchtbar/ das andere unfruchtbar/ das eine ge- ſund/ das andere kranck wird: Wie? wann ſich dañ das Gluͤck und Vermoͤgen aͤndert? Wie/ wañ es ſo weit kommt/ daß man auß Lieb gegen ein- ander ſterben/ oder auß Haß gegen einander ver- zweiffeln wil/ und bey einander nicht mehr leben/ noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/313
Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/313>, abgerufen am 22.11.2024.