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Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

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Psychosophia.
einen freyen Willen habe/ zu thun und zu lassen/
was er will/ so muß dann das Wissen in GOtt
seinem Willen nicht zuwider lauffen. Das aber
ist der Unterscheid/ daß das Wollen in GOtt an-
tecedenter,
und das Wissen consequenter proce-
dirt. Von Ewigkeit hat GOtt gewollt/ daß alle se-
lig werden/ und ihren freyen Willen darzu gebrau-
chen; von Ewigkeit aber hat auch GOtt gese-
hen/ daß einige/ und zwar in specie, welche nicht
selig werden/ und ihren freyen Willen mißbrau-
chen/ nicht daß das göttliche Vorwissen oder Vor-
sehen die Menschen zum Mißbrauch ihres freyen
Willens necessitirt/ sondern daß GOtt gesehen/
wie sich die Menschen präsentirt/ eben als wann ei-
nem befohlen würde/ wol geputzt vor einem Spie-
gel zu stehen/ und solcher stellete sich gantz unsauber
darfür/ und würde von dem/ der befohlen/ gantz
sauber darfür zu erscheinen/ unflätig darinnen erse-
hen/ alwo zu dieser unflätigen Erscheinung oder
Darstellung der Befehlgeber weder mit seinem
Willen/ noch Sehen in Spiegel/ Ursach gewesen/
daß sich was Unflätiges darinnen zeiget/ als der
nit gewollt/ daß was Unflätiges sich darinnen zei-
gen solle/ und viel weniger gern gesehen/ daß sich
etwas Unflätiges darinnen gezeiget hat.

84. Phil. Wie weiß aber GOtt/ was geschehen/ ge-
schiehet/ und gescheben soll/ in der gan-
tzen Welt?
Psych.

Pſychoſophia.
einen freyen Willen habe/ zu thun und zu laſſen/
was er will/ ſo muß dann das Wiſſen in GOtt
ſeinem Willen nicht zuwider lauffen. Das aber
iſt der Unterſcheid/ daß das Wollen in GOtt an-
tecedenter,
und das Wiſſen conſequenter proce-
dirt. Von Ewigkeit hat GOtt gewollt/ daß alle ſe-
lig werden/ und ihren freyen Willen darzu gebrau-
chen; von Ewigkeit aber hat auch GOtt geſe-
hen/ daß einige/ und zwar in ſpecie, welche nicht
ſelig werden/ und ihren freyen Willen mißbrau-
chen/ nicht daß das goͤttliche Vorwiſſen oder Vor-
ſehen die Menſchen zum Mißbrauch ihres freyen
Willens neceſſitirt/ ſondern daß GOtt geſehen/
wie ſich die Menſchen praͤſentirt/ eben als wann ei-
nem befohlen wuͤrde/ wol geputzt vor einem Spie-
gel zu ſtehen/ und ſolcher ſtellete ſich gantz unſauber
darfuͤr/ und wuͤrde von dem/ der befohlen/ gantz
ſauber darfuͤr zu erſcheinen/ unflaͤtig dariñen erſe-
hen/ alwo zu dieſer unflaͤtigen Erſcheinung oder
Darſtellung der Befehlgeber weder mit ſeinem
Willen/ noch Sehen in Spiegel/ Urſach geweſen/
daß ſich was Unflaͤtiges darinnen zeiget/ als der
nit gewollt/ daß was Unflaͤtiges ſich darinnen zei-
gen ſolle/ und viel weniger gern geſehen/ daß ſich
etwas Unflaͤtiges darinnen gezeiget hat.

84. Phil. Wie weiß aber GOtt/ was geſchehen/ ge-
ſchiehet/ und geſcheben ſoll/ in der gan-
tzen Welt?
Pſych.
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[62/0120] Pſychoſophia. einen freyen Willen habe/ zu thun und zu laſſen/ was er will/ ſo muß dann das Wiſſen in GOtt ſeinem Willen nicht zuwider lauffen. Das aber iſt der Unterſcheid/ daß das Wollen in GOtt an- tecedenter, und das Wiſſen conſequenter proce- dirt. Von Ewigkeit hat GOtt gewollt/ daß alle ſe- lig werden/ und ihren freyen Willen darzu gebrau- chen; von Ewigkeit aber hat auch GOtt geſe- hen/ daß einige/ und zwar in ſpecie, welche nicht ſelig werden/ und ihren freyen Willen mißbrau- chen/ nicht daß das goͤttliche Vorwiſſen oder Vor- ſehen die Menſchen zum Mißbrauch ihres freyen Willens neceſſitirt/ ſondern daß GOtt geſehen/ wie ſich die Menſchen praͤſentirt/ eben als wann ei- nem befohlen wuͤrde/ wol geputzt vor einem Spie- gel zu ſtehen/ und ſolcher ſtellete ſich gantz unſauber darfuͤr/ und wuͤrde von dem/ der befohlen/ gantz ſauber darfuͤr zu erſcheinen/ unflaͤtig dariñen erſe- hen/ alwo zu dieſer unflaͤtigen Erſcheinung oder Darſtellung der Befehlgeber weder mit ſeinem Willen/ noch Sehen in Spiegel/ Urſach geweſen/ daß ſich was Unflaͤtiges darinnen zeiget/ als der nit gewollt/ daß was Unflaͤtiges ſich darinnen zei- gen ſolle/ und viel weniger gern geſehen/ daß ſich etwas Unflaͤtiges darinnen gezeiget hat. 84. Phil. Wie weiß aber GOtt/ was geſchehen/ ge- ſchiehet/ und geſcheben ſoll/ in der gan- tzen Welt? Pſych.

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Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/120>, abgerufen am 27.04.2024.