Anmelden (DTAQ)

DWDS dlexDB CLARIN-D

Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Seelen-Weißheit.

ein Mondan dem Himmel ist/ das verstehe ich/
dann ich sehe ihn/ daß er aber alle vier Wochen
neu wird/ das weiß ich aus der Beobachtung.

81. Phil. Wie ist Wissen und Weißheit in
GOtt unterschieden?

Psych. Daß GOtt alles verstehet/ wie es an sich
selbsten ist/ und daß er alles weiß/ das geschehen
ist/ und noch geschehen soll.

82. Phil. Wie ist das Wissen und Wollen in
GOtt unterschieden?

Psych. Gott weiß alles/ was geschicht/ daß er will/
daß geschehen soll/ er will aber nicht/ daß alles ge-
schehen solle/ daß er weiß/ daß es geschehe/ also daß
das Wissen keine Nothsächlichkeit von dem Wil-
len in GOtt macht/ noch nach sich ziehet. Nem-
lich/ Gott weiß alles/ was er will/ er will aber nicht
alles/ was er weiß. Er will/ daß alles gut sey/ alle
selig werden/ er weiß aber/ daß etwas böse wird/
und einige nicht selig werden. Die nicht selig
werden/ werden nicht darum nicht selig/ daß es
GOtt nicht hat haben wollen/ noch daß er gewust/
daß sie nicht selig würden werden/ dann das Wis-
sen nöhtiget nicht/ sondern der Wille.

83. Phil. Wann GOtt nicht wolte/ daß geschehe/ was
er weiß/ daß geschicht warum hindert ers nicht/
daß was geschicht/ nicht geschehe?

Psych. Es ist schon oben gesagt/ daß das Wissen
in GOtt/ dessen Willen nicht praejudicire, noch
contrartire/ nun ist Gottes Wille/ daß der Mensch

einen

C vij

Seelen-Weißheit.

ein Mondan dem Himmel iſt/ das verſtehe ich/
dann ich ſehe ihn/ daß er aber alle vier Wochen
neu wird/ das weiß ich aus der Beobachtung.

81. Phil. Wie iſt Wiſſen und Weißheit in
GOtt unterſchieden?

Pſych. Daß GOtt alles verſtehet/ wie es an ſich
ſelbſten iſt/ und daß er alles weiß/ das geſchehen
iſt/ und noch geſchehen ſoll.

82. Phil. Wie iſt das Wiſſen und Wollen in
GOtt unterſchieden?

Pſych. Gott weiß alles/ was geſchicht/ daß er will/
daß geſchehen ſoll/ er will aber nicht/ daß alles ge-
ſchehen ſolle/ daß er weiß/ daß es geſchehe/ alſo daß
das Wiſſen keine Nothſaͤchlichkeit von dem Wil-
len in GOtt macht/ noch nach ſich ziehet. Nem-
lich/ Gott weiß alles/ was er will/ er will aber nicht
alles/ was er weiß. Er will/ daß alles gut ſey/ alle
ſelig werden/ er weiß aber/ daß etwas boͤſe wird/
und einige nicht ſelig werden. Die nicht ſelig
werden/ werden nicht darum nicht ſelig/ daß es
GOtt nicht hat haben wollen/ noch daß er gewuſt/
daß ſie nicht ſelig wuͤrden werden/ dann das Wiſ-
ſen noͤhtiget nicht/ ſondern der Wille.

83. Phil. Wann GOtt nicht wolte/ daß geſchehe/ was
er weiß/ daß geſchicht warum hindert ers nicht/
daß was geſchicht/ nicht geſchehe?

Pſych. Es iſt ſchon oben geſagt/ daß das Wiſſen
in GOtt/ deſſen Willen nicht præjudicire, noch
contrartire/ nun iſt Gottes Wille/ daß der Menſch

einen

C vij

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0119" n="61"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Seelen-Weißheit.</hi></fw><lb/>
ein Mondan dem Himmel i&#x017F;t/ das ver&#x017F;tehe ich/<lb/>
dann ich &#x017F;ehe ihn/ daß er aber alle vier Wochen<lb/>
neu wird/ das weiß ich aus der Beobachtung.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>81. <hi rendition="#aq">Phil.</hi> Wie i&#x017F;t Wi&#x017F;&#x017F;en und Weißheit in<lb/>
GOtt unter&#x017F;chieden?</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">P&#x017F;ych.</hi> Daß GOtt alles ver&#x017F;tehet/ wie es an &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;ten i&#x017F;t/ und daß er alles weiß/ das ge&#x017F;chehen<lb/>
i&#x017F;t/ und noch ge&#x017F;chehen &#x017F;oll.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>82. <hi rendition="#aq">Phil.</hi> Wie i&#x017F;t das Wi&#x017F;&#x017F;en und Wollen in<lb/>
GOtt unter&#x017F;chieden?</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">P&#x017F;ych.</hi> Gott weiß alles/ was ge&#x017F;chicht/ daß er will/<lb/>
daß ge&#x017F;chehen &#x017F;oll/ er will aber nicht/ daß alles ge-<lb/>
&#x017F;chehen &#x017F;olle/ daß er weiß/ daß es ge&#x017F;chehe/ al&#x017F;o daß<lb/>
das Wi&#x017F;&#x017F;en keine Noth&#x017F;a&#x0364;chlichkeit von dem Wil-<lb/>
len in GOtt macht/ noch nach &#x017F;ich ziehet. Nem-<lb/>
lich/ Gott weiß alles/ was er will/ er will aber nicht<lb/>
alles/ was er weiß. Er will/ daß alles gut &#x017F;ey/ alle<lb/>
&#x017F;elig werden/ er weiß aber/ daß etwas bo&#x0364;&#x017F;e wird/<lb/>
und einige nicht &#x017F;elig werden. Die nicht &#x017F;elig<lb/>
werden/ werden nicht darum nicht &#x017F;elig/ daß es<lb/>
GOtt nicht hat haben wollen/ noch daß er gewu&#x017F;t/<lb/>
daß &#x017F;ie nicht &#x017F;elig wu&#x0364;rden werden/ dann das Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en no&#x0364;htiget nicht/ &#x017F;ondern der Wille.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>83. <hi rendition="#aq">Phil.</hi> Wann GOtt nicht wolte/ daß ge&#x017F;chehe/ was<lb/>
er weiß/ daß ge&#x017F;chicht warum hindert ers nicht/<lb/>
daß was ge&#x017F;chicht/ nicht ge&#x017F;chehe?</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">P&#x017F;ych.</hi> Es i&#x017F;t &#x017F;chon oben ge&#x017F;agt/ daß das Wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
in GOtt/ de&#x017F;&#x017F;en Willen nicht <hi rendition="#aq">præjudicire,</hi> noch<lb/>
contrartire/ nun i&#x017F;t Gottes Wille/ daß der Men&#x017F;ch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C vij</fw><fw place="bottom" type="catch">einen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[61/0119] Seelen-Weißheit. ein Mondan dem Himmel iſt/ das verſtehe ich/ dann ich ſehe ihn/ daß er aber alle vier Wochen neu wird/ das weiß ich aus der Beobachtung. 81. Phil. Wie iſt Wiſſen und Weißheit in GOtt unterſchieden? Pſych. Daß GOtt alles verſtehet/ wie es an ſich ſelbſten iſt/ und daß er alles weiß/ das geſchehen iſt/ und noch geſchehen ſoll. 82. Phil. Wie iſt das Wiſſen und Wollen in GOtt unterſchieden? Pſych. Gott weiß alles/ was geſchicht/ daß er will/ daß geſchehen ſoll/ er will aber nicht/ daß alles ge- ſchehen ſolle/ daß er weiß/ daß es geſchehe/ alſo daß das Wiſſen keine Nothſaͤchlichkeit von dem Wil- len in GOtt macht/ noch nach ſich ziehet. Nem- lich/ Gott weiß alles/ was er will/ er will aber nicht alles/ was er weiß. Er will/ daß alles gut ſey/ alle ſelig werden/ er weiß aber/ daß etwas boͤſe wird/ und einige nicht ſelig werden. Die nicht ſelig werden/ werden nicht darum nicht ſelig/ daß es GOtt nicht hat haben wollen/ noch daß er gewuſt/ daß ſie nicht ſelig wuͤrden werden/ dann das Wiſ- ſen noͤhtiget nicht/ ſondern der Wille. 83. Phil. Wann GOtt nicht wolte/ daß geſchehe/ was er weiß/ daß geſchicht warum hindert ers nicht/ daß was geſchicht/ nicht geſchehe? Pſych. Es iſt ſchon oben geſagt/ daß das Wiſſen in GOtt/ deſſen Willen nicht præjudicire, noch contrartire/ nun iſt Gottes Wille/ daß der Menſch einen C vij

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/119
Zitationshilfe:	Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/119>, abgerufen am 27.04.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.