pba_625.001 es ist eine Schuld, die er der Natur zahlt! Aber er büßt die pba_625.002 That, er zahlt die Schuld, er gewährt der Natur ihr volles Recht!pba_625.003 Ein Orestes, der das nicht thäte, den nicht "des Herzens Entsetzen" pba_625.004 zum Opfer der Erinnyen machte, wäre kein tragischer Held. Ein pba_625.005 harter Politiker wäre er, dem vielleicht in Herrschaft und Sieg eine pba_625.006 Zeit lang glänzender Erfolg zur Seite stehen würde, bis den Gefühllosen pba_625.007 und der Hoheit der Jdee Fremden von einer andern Seite her pba_625.008 Sturz und Verderben ereilen würde. Der tiefe, bis zum Wahnsinn pba_625.009 quälende Schmerz des Orestes ist das eine Moment seiner Reinigung; pba_625.010 das zweite sein festes, hingebendes Vertrauen auf die Gottheit, die er pba_625.011 glaubt. Seine Sühnung und Freisprechung ist keine leere Form, sondern pba_625.012 sie hat den tiefen Sinn, daß auch das fernere Leben des Mannes pba_625.013 von frommer Furcht und heiliger Scheu der Götter erfüllt sein wird, pba_625.014 bei denen er Zuflucht gefunden hat. So läßt der Dichter ihn sprechen, pba_625.015 nachdem seine Freisprechung erfolgt ist:
pba_625.016
O Pallas, o du meines Hauses Retterin!pba_625.017 Jn meine Heimat hast mich Heimatlosen dupba_625.018 Zurückgeführet! Heißen wird's in Hellas nun:pba_625.019 Der Mann von Argos ist Argeier wieder, wohntpba_625.020 Jn seines Vaters Habe wieder; Pallas gab'spba_625.021 Und Phoibos und der dritte allvollendendepba_625.022 Zeus Soter, der vielehrend meines Vaters Lospba_625.023 Wohl sieht der Mutter Vertreter dort, doch mich bewahrt!
pba_625.024 Die Stimmen der Richter sind gleich, aber Athene gibt den Ausschlag pba_625.025 zu Gunsten des Rechtes der neuen Götter gegen die ausschließliche, pba_625.026 ausnahmslose Geltung der durch die Erinnyen vertretenen, blinden pba_625.027 Blutrache. Aber nicht soll die Furcht vor ihrer uralten Macht aufhören. pba_625.028 An die Stelle der blutigen Rache, die fortzeugend immer neue pba_625.029 Greuel gebiert, soll ein geordnetes Gericht treten, das höchste und pba_625.030 heiligste, das der Götter Wille und Gesetz auf Erden vertritt. Den pba_625.031 Erinnyen aber oder vielmehr den "Eumeniden", wie die "Freundlichen" pba_625.032 (euphrones) besser genannt werden, wird auf das feierlichste durch pba_625.033 Athene die ewige, unverbrüchliche Geltung ihres Rechtes verbürgt. Ja pba_625.034 noch mehr! Während sie sonst mit Grausen gefürchtet und verhaßt pba_625.035 waren, sollen sie jetzt geachtet und verehrt werden; was bedeutet das pba_625.036 anders, als dies: aus angstvollem Grauen soll heilige Ehrfurcht werden, pba_625.037 aus grausendem Entsetzen fromme Scheu, die echte, kathartisch geläuterte pba_625.038 Furcht. Die alte Furcht soll abgethan sein!
pba_625.039 Am meisten entgegen der dumpfen, schreckhaften Furchtbarkeit der pba_625.040 in grauenhafter Gestalt erscheinenden Gorgonen ist der Gott, dem lautere
pba_625.001 es ist eine Schuld, die er der Natur zahlt! Aber er büßt die pba_625.002 That, er zahlt die Schuld, er gewährt der Natur ihr volles Recht!pba_625.003 Ein Orestes, der das nicht thäte, den nicht „des Herzens Entsetzen“ pba_625.004 zum Opfer der Erinnyen machte, wäre kein tragischer Held. Ein pba_625.005 harter Politiker wäre er, dem vielleicht in Herrschaft und Sieg eine pba_625.006 Zeit lang glänzender Erfolg zur Seite stehen würde, bis den Gefühllosen pba_625.007 und der Hoheit der Jdee Fremden von einer andern Seite her pba_625.008 Sturz und Verderben ereilen würde. Der tiefe, bis zum Wahnsinn pba_625.009 quälende Schmerz des Orestes ist das eine Moment seiner Reinigung; pba_625.010 das zweite sein festes, hingebendes Vertrauen auf die Gottheit, die er pba_625.011 glaubt. Seine Sühnung und Freisprechung ist keine leere Form, sondern pba_625.012 sie hat den tiefen Sinn, daß auch das fernere Leben des Mannes pba_625.013 von frommer Furcht und heiliger Scheu der Götter erfüllt sein wird, pba_625.014 bei denen er Zuflucht gefunden hat. So läßt der Dichter ihn sprechen, pba_625.015 nachdem seine Freisprechung erfolgt ist:
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/643>, abgerufen am 23.11.2024.
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