Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_572.001 Weh, weh! Zu der jetzigen Pein noch die Qual pba_572.011 2 Die die Zukunft bringt! Wo seh' ich das Ziel? pba_572.012 Wann erscheint mir das Ende der Mühsal? pba_572.013 Jedoch was sag' ich? Weiß ich alles doch vorher pba_572.014 Genau, was mir bevorsteht; unerwartet wird pba_572.015 Kein Leid mir kommen. Aber das verhängte Los, pba_572.016 So leicht als möglich muß es tragen, wer erkennt: pba_572.017 Nichts hilft's zu streiten wider die Notwendigkeit! pba_572.018 1 pba_572.029 S. V. 309: pba_572.030 gignoske sauton kai metharmosai tropous pba_572.031 neous. 2 pba_572.032
S. V. 98 ff.: pba_572.033 pheu, pheu, to paron to t'eperkhomenon pba_572.034 pema stenakho, pe pote mokhthon pba_572.035 khre termata tond' epiteilai. pba_572.036 kaitoi ti phemi; panta prouxepistamai pba_572.037 skethros ta mellont', oude moi potainion pba_572.038 pem' ouden exei. ten pepromenen de khre pba_572.039 aisan pherein os Rasta, gignoskonth' oti pba_572.040 to tes anagkes est' aderiton sthenos. pba_572.001 Weh, weh! Zu der jetzigen Pein noch die Qual pba_572.011 2 Die die Zukunft bringt! Wo seh' ich das Ziel? pba_572.012 Wann erscheint mir das Ende der Mühsal? pba_572.013 Jedoch was sag' ich? Weiß ich alles doch vorher pba_572.014 Genau, was mir bevorsteht; unerwartet wird pba_572.015 Kein Leid mir kommen. Aber das verhängte Los, pba_572.016 So leicht als möglich muß es tragen, wer erkennt: pba_572.017 Nichts hilft's zu streiten wider die Notwendigkeit! pba_572.018 1 pba_572.029 S. V. 309: pba_572.030 γίγνωσκε σαυτὸν καὶ μεθάρμοσαι τρόπους pba_572.031 νέους. 2 pba_572.032
S. V. 98 ff.: pba_572.033 φεῦ, φεῦ, τὸ παρὸν τό τ'ἐπερχόμενον pba_572.034 πῆμα στενάχω, πῆ ποτε μόχθων pba_572.035 χρὴ τέρματα τῶνδ' ἐπιτεῖλαι. pba_572.036 καίτοι τί φημι; πάντα προὐξεπίσταμαι pba_572.037 σκεθρῶς τὰ μέλλοντ', οὐδέ μοι ποταίνιον pba_572.038 πῆμ' οὐδὲν ἥξει. τὴν πεπρωμένην δὲ χρὴ pba_572.039 αἶσαν φέρειν ὡς ῥᾷστα, γιγνώσκονθ' ὅτι pba_572.040 τὸ τῆς ἀνάγκης ἔστ' ἀδήριτον σθένος. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0590" n="572"/><lb n="pba_572.001"/> höher berechtigten Ordnung gefügt hat, der Vertreter der Selbsterkenntnis, <lb n="pba_572.002"/> Selbstbeschränkung und freiwilligen Unterordnung gegenüber dem unbezähmbaren <lb n="pba_572.003"/> Stolz des sich allein vertrauenden Eigenwillens: „Erkenne <lb n="pba_572.004"/> selbst dich, wandle dich zu neuem Sinn!“<note xml:id="pba_572_1" place="foot" n="1"><lb n="pba_572.029"/> S. V. 309: <lb n="pba_572.030"/> <lg><l><foreign xml:lang="grc">γίγνωσκε σαυτὸν καὶ μεθάρμοσαι τρόπους</foreign></l><lb n="pba_572.031"/><l><foreign xml:lang="grc">νέους</foreign>.</l></lg></note> „Wirf deinen Trotz ab! <lb n="pba_572.005"/> Zähme deine Zunge! Beuge dich!“ Aber wie wäre Prometheus zu erschüttern, <lb n="pba_572.006"/> dessen ganzes Wesen darin beruht, daß er eben jene „Harmonie“ <lb n="pba_572.007"/> des Zeus <hi rendition="#g">nicht</hi> anerkennt, in der er nur eine Gewaltherrschaft (<foreign xml:lang="grc">τυραννίδα</foreign>) <lb n="pba_572.008"/> erblickt! Seinen unabänderlichen Sinn gibt er gleich im ersten Monologe <lb n="pba_572.009"/> klar zu erkennen:</p> <lb n="pba_572.010"/> <lg> <l>Weh, weh! Zu der jetzigen Pein noch die Qual</l> <lb n="pba_572.011"/> <l>Die die Zukunft bringt! Wo seh' ich das Ziel?</l> <lb n="pba_572.012"/> <l>Wann erscheint mir das Ende der Mühsal?</l> <lb n="pba_572.013"/> <l>Jedoch was sag' ich? Weiß ich alles doch vorher</l> <lb n="pba_572.014"/> <l>Genau, was mir bevorsteht; unerwartet wird</l> <lb n="pba_572.015"/> <l>Kein Leid mir kommen. Aber das <hi rendition="#g">verhängte Los,</hi></l> <lb n="pba_572.016"/> <l>So leicht als möglich muß es tragen, wer erkennt:</l> <lb n="pba_572.017"/> <l>Nichts hilft's zu streiten wider die <hi rendition="#g">Notwendigkeit</hi>!</l> </lg> <note xml:id="pba_572_2" place="foot" n="2"><lb n="pba_572.032"/> S. V. 98 ff.: <lb n="pba_572.033"/> <lg><l><foreign xml:lang="grc">φεῦ, φεῦ, τὸ παρὸν τό τ</foreign>'<foreign xml:lang="grc">ἐπερχόμενον</foreign></l><lb n="pba_572.034"/><l><foreign xml:lang="grc">πῆμα στενάχω, πῆ ποτε μόχθων</foreign></l><lb n="pba_572.035"/><l><foreign xml:lang="grc">χρὴ τέρματα τῶνδ' ἐπιτεῖλαι</foreign>.</l><lb n="pba_572.036"/><l><foreign xml:lang="grc">καίτοι τί φημι</foreign><hi rendition="#i">;</hi><foreign xml:lang="grc">πάντα προὐξεπίσταμαι</foreign></l><lb n="pba_572.037"/><l><foreign xml:lang="grc">σκεθρῶς τὰ μέλλοντ', οὐδέ μοι ποταίνιον</foreign></l><lb n="pba_572.038"/><l><foreign xml:lang="grc">πῆμ' οὐδὲν ἥξει</foreign>. <foreign xml:lang="grc">τὴν πεπρωμένην δὲ χρὴ</foreign></l><lb n="pba_572.039"/><l><foreign xml:lang="grc">αἶσαν φέρειν ὡς ῥᾷστα, γιγνώσκονθ' ὅτι</foreign></l><lb n="pba_572.040"/><l><foreign xml:lang="grc">τὸ τῆς ἀνάγκης ἔστ' ἀδήριτον σθένος</foreign>.</l></lg> </note> <p><lb n="pba_572.018"/> Das <hi rendition="#g">wäre</hi> freilich jenes dunkle Verhängnis, jene unaufgeschlossene <lb n="pba_572.019"/> „Notwendigkeit“, die Schiller in der Schicksalsauffassung der antiken <lb n="pba_572.020"/> Tragödie für das letzte Wort hält. Der Kern der äschyleischen Prometheustragödie <lb n="pba_572.021"/> ist, daß diese Auffassung als die Zeus verhaßte, gottfeindliche <lb n="pba_572.022"/> ihren Träger ins Verderben stürzt: denn ganz wie Sophokles im ähnlichen <lb n="pba_572.023"/> Falle, macht Äschylus zwar das mythische Motiv zum Träger <lb n="pba_572.024"/> der Fabel, hier also den Feuerdiebstahl des Prometheus, zugleich aber <lb n="pba_572.025"/> zeigt er die damit gegebene tragische Hamartie durch die gesamte Handlung <lb n="pba_572.026"/> hin in lebendiger Wirksamkeit. Jener blinde Verhängnis- und <lb n="pba_572.027"/> Notwendigkeitsglaube ist eben die ewig sich wiederholende Grundformel, <lb n="pba_572.028"/> die der ohnehin der eigenen Natur und Sinnesrichtung zu folgen ent- </p> </div> </body> </text> </TEI> [572/0590]
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höher berechtigten Ordnung gefügt hat, der Vertreter der Selbsterkenntnis, pba_572.002
Selbstbeschränkung und freiwilligen Unterordnung gegenüber dem unbezähmbaren pba_572.003
Stolz des sich allein vertrauenden Eigenwillens: „Erkenne pba_572.004
selbst dich, wandle dich zu neuem Sinn!“ 1 „Wirf deinen Trotz ab! pba_572.005
Zähme deine Zunge! Beuge dich!“ Aber wie wäre Prometheus zu erschüttern, pba_572.006
dessen ganzes Wesen darin beruht, daß er eben jene „Harmonie“ pba_572.007
des Zeus nicht anerkennt, in der er nur eine Gewaltherrschaft (τυραννίδα) pba_572.008
erblickt! Seinen unabänderlichen Sinn gibt er gleich im ersten Monologe pba_572.009
klar zu erkennen:
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Weh, weh! Zu der jetzigen Pein noch die Qual pba_572.011
Die die Zukunft bringt! Wo seh' ich das Ziel? pba_572.012
Wann erscheint mir das Ende der Mühsal? pba_572.013
Jedoch was sag' ich? Weiß ich alles doch vorher pba_572.014
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Kein Leid mir kommen. Aber das verhängte Los, pba_572.016
So leicht als möglich muß es tragen, wer erkennt: pba_572.017
Nichts hilft's zu streiten wider die Notwendigkeit!
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Das wäre freilich jenes dunkle Verhängnis, jene unaufgeschlossene pba_572.019
„Notwendigkeit“, die Schiller in der Schicksalsauffassung der antiken pba_572.020
Tragödie für das letzte Wort hält. Der Kern der äschyleischen Prometheustragödie pba_572.021
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ihren Träger ins Verderben stürzt: denn ganz wie Sophokles im ähnlichen pba_572.023
Falle, macht Äschylus zwar das mythische Motiv zum Träger pba_572.024
der Fabel, hier also den Feuerdiebstahl des Prometheus, zugleich aber pba_572.025
zeigt er die damit gegebene tragische Hamartie durch die gesamte Handlung pba_572.026
hin in lebendiger Wirksamkeit. Jener blinde Verhängnis- und pba_572.027
Notwendigkeitsglaube ist eben die ewig sich wiederholende Grundformel, pba_572.028
die der ohnehin der eigenen Natur und Sinnesrichtung zu folgen ent-
1 pba_572.029
S. V. 309: pba_572.030
γίγνωσκε σαυτὸν καὶ μεθάρμοσαι τρόπους pba_572.031
νέους.
2 pba_572.032
S. V. 98 ff.: pba_572.033
φεῦ, φεῦ, τὸ παρὸν τό τ'ἐπερχόμενον pba_572.034
πῆμα στενάχω, πῆ ποτε μόχθων pba_572.035
χρὴ τέρματα τῶνδ' ἐπιτεῖλαι. pba_572.036
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σκεθρῶς τὰ μέλλοντ', οὐδέ μοι ποταίνιον pba_572.038
πῆμ' οὐδὲν ἥξει. τὴν πεπρωμένην δὲ χρὴ pba_572.039
αἶσαν φέρειν ὡς ῥᾷστα, γιγνώσκονθ' ὅτι pba_572.040
τὸ τῆς ἀνάγκης ἔστ' ἀδήριτον σθένος.
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