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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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können höchstens doch nur als Nebenwirkungen der Kunst in Betracht pba_541.002
kommen: das "Vergnügen selbst, das die Kunst gewährt", ist allein das pba_541.003
Vergnügen der durch die bloße Wahrnehmung -- Aisthesis -- befriedigten pba_541.004
Empfindung, ohne daß diese Befriedigung etwa der Billigung pba_541.005
durch die Vernunft erst bedürfte, ja so völlig unbekümmert um diese pba_541.006
letztere, daß das ästhetische "Vergnügen" sehr oft als der gefährlichste pba_541.007
Feind sich den "moralischen Gefühlen" entgegenstellt.

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Wie grundverderblich aber dieser falsche Schluß für den ganzen pba_541.009
Verlauf der Untersuchung, für Schillers ganze ästhetische Theorie ist, pba_541.010
tritt schon in dem unmittelbar folgenden Absatz überzeugend hervor, pba_541.011
der das "freie Vergnügen" definiert. Hier ist nicht ein einziges Wort pba_541.012
richtig!

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"Die Mittel, wodurch die Kunst ihren Zweck erreicht, sind so pba_541.014
vielfach,
als es überhaupt Quellen eines freien Vergnügens gibt."

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Das gute Handeln sowie das richtige Erkennen sind Quellen pba_541.016
"freien" Vergnügens in Schillers Sinn; aber sowohl das rein moralische, pba_541.017
wie das rein dianoetische Vergnügen sind der Kunst völlig pba_541.018
fremd. Die Kunst erreicht ihren Zweck nur durch ein einziges Mittel: pba_541.019
durch reine Thätigkeit der sinnlichen Wahrnehmung, vollendete pba_541.020
Energie der Aisthesis!
Nur insofern es gelingt den Gehalt pba_541.021
jener anderen "freien" Thätigkeiten dieser einzigen Quelle des künstlerischen pba_541.022
Vergnügens zuzuleiten, kann er zum Gegenstande desselben umgeschaffen pba_541.023
werden. Die Thätigkeit der Vernunft und des Verstandes, die pba_541.024
eigentliche Arbeit der moralischen und logischen Erkenntniskräfte, ist pba_541.025
also aus der Kunst ausgeschlossen: das hindert nicht, daß die Kunst pba_541.026
von den Resultaten derselben recht eigentlich angefüllt sein pba_541.027
kann.
Die gewaltige Aufgabe des Künstlers ist es, diese Resultate zu pba_541.028
Gegenständen sinnlich wahrnehmbarer Nachahmung zu pba_541.029
machen,
einer Nachahmung, die vermögend sei Empfindungen pba_541.030
und Seelenzustände unmittelbar und zwar richtig bestimmt pba_541.031
zu erregen.

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Daher ist der nächste Satz Schillers: "frei ist dasjenige Vergnügen, pba_541.033
wobei die geistigen Kräfte, Vernunft und Einbildungskraft thätig pba_541.034
sind", insofern damit Wesen und Wirkung der Kunst bezeichnet sein pba_541.035
soll, ebenfalls unrichtig. Die "Einbildungskraft" ist nur eine von pba_541.036
den Hülfsmächten der Kunst, die sie nur da anruft, wo ihre Mittel pba_541.037
unmittelbarer sinnlicher Einwirkung nicht ausreichen. Die "Vernunftthätigkeit" pba_541.038
darf sie im eigentlichen Sinne niemals in Anspruch nehmen. pba_541.039
Hier dürfte es jedoch erforderlich sein einem Trugschluß vorzubeugen. pba_541.040
Wie oft erreicht nicht die Poesie ihre höchsten Wirkungen, indem sie die

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können höchstens doch nur als Nebenwirkungen der Kunst in Betracht pba_541.002
kommen: das „Vergnügen selbst, das die Kunst gewährt“, ist allein das pba_541.003
Vergnügen der durch die bloße WahrnehmungAisthesis — befriedigten pba_541.004
Empfindung, ohne daß diese Befriedigung etwa der Billigung pba_541.005
durch die Vernunft erst bedürfte, ja so völlig unbekümmert um diese pba_541.006
letztere, daß das ästhetische „Vergnügen“ sehr oft als der gefährlichste pba_541.007
Feind sich den „moralischen Gefühlen“ entgegenstellt.

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Wie grundverderblich aber dieser falsche Schluß für den ganzen pba_541.009
Verlauf der Untersuchung, für Schillers ganze ästhetische Theorie ist, pba_541.010
tritt schon in dem unmittelbar folgenden Absatz überzeugend hervor, pba_541.011
der das „freie Vergnügen“ definiert. Hier ist nicht ein einziges Wort pba_541.012
richtig!

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„Die Mittel, wodurch die Kunst ihren Zweck erreicht, sind so pba_541.014
vielfach,
als es überhaupt Quellen eines freien Vergnügens gibt.“

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Das gute Handeln sowie das richtige Erkennen sind Quellen pba_541.016
„freien“ Vergnügens in Schillers Sinn; aber sowohl das rein moralische, pba_541.017
wie das rein dianoetische Vergnügen sind der Kunst völlig pba_541.018
fremd. Die Kunst erreicht ihren Zweck nur durch ein einziges Mittel: pba_541.019
durch reine Thätigkeit der sinnlichen Wahrnehmung, vollendete pba_541.020
Energie der Aisthesis!
Nur insofern es gelingt den Gehalt pba_541.021
jener anderen „freien“ Thätigkeiten dieser einzigen Quelle des künstlerischen pba_541.022
Vergnügens zuzuleiten, kann er zum Gegenstande desselben umgeschaffen pba_541.023
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eigentliche Arbeit der moralischen und logischen Erkenntniskräfte, ist pba_541.025
also aus der Kunst ausgeschlossen: das hindert nicht, daß die Kunst pba_541.026
von den Resultaten derselben recht eigentlich angefüllt sein pba_541.027
kann.
Die gewaltige Aufgabe des Künstlers ist es, diese Resultate zu pba_541.028
Gegenständen sinnlich wahrnehmbarer Nachahmung zu pba_541.029
machen,
einer Nachahmung, die vermögend sei Empfindungen pba_541.030
und Seelenzustände unmittelbar und zwar richtig bestimmt pba_541.031
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Daher ist der nächste Satz Schillers: „frei ist dasjenige Vergnügen, pba_541.033
wobei die geistigen Kräfte, Vernunft und Einbildungskraft thätig pba_541.034
sind“, insofern damit Wesen und Wirkung der Kunst bezeichnet sein pba_541.035
soll, ebenfalls unrichtig. Die „Einbildungskraft“ ist nur eine von pba_541.036
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unmittelbarer sinnlicher Einwirkung nicht ausreichen. Die „Vernunftthätigkeitpba_541.038
darf sie im eigentlichen Sinne niemals in Anspruch nehmen. pba_541.039
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/559>, abgerufen am 23.11.2024.