Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite
pba_475.001
Denn sage, wenn ein Götterspruch dem Vater einst pba_475.002
Erscholl, er werde fallen durch des Sohnes Hand, pba_475.003
Wie kannst du billig diese Schuld vorwerfen mir, pba_475.004
Der noch des Lebens Keime nicht vom Vater noch pba_475.005
Der Mutter hatte, nein, noch ungeboren war?

pba_475.006
Ebenso heißt es weiter in der Gegenrede des Ödipus (v. 997 ff.):

pba_475.007
toiauta mentoi kautos eiseben kaka, pba_475.008
theon agonton. ois ego oude ten patros pba_475.009
psukhen an oipai zosan anteipein emoi. pba_475.010
"Jn solches Unheil aber stürzt' auch ich hinein pba_475.011
Durch Götterleitung, und der Geist des Vaters selbst, pba_475.012
Zum Lichte kehrend, glaub' ich, widerspräch es nicht."

pba_475.013
Dagegen nun aber die Worte der Antigone, mit denen sie den pba_475.014
tiefgekränkten Vater bewegen will dem Polyneikes zu verzeihen (v. 1195 ff.):

pba_475.015
su d' eis ekeina, me ta nun, aposkopei, pba_475.016
patroa kai metroa pemath' apathes; pba_475.017
k\an keina leusses, oid' ego, gnosei kakou pba_475.018
thumou teleuten, os kake prosgignetai. pba_475.019
"Du aber wende deinen Blick auf jenes Leid, pba_475.020
Das Leid von deinen Eltern, das du duldetest; pba_475.021
Und schaust du hierauf, weiß ich, wird's dir offenbar, pba_475.022
Welch' schlimmes Ende schlimmer Zorn zu nehmen liebt."

pba_475.023
Auch hier ist die deutsche Übersetzung (Donner) wieder unzulänglich, pba_475.024
aber freilich schwer zu verbessern. "Schlimmer Zorn" gibt in Anwendung pba_475.025
auf die Geschichte des Laios keinen Sinn; das griechische pba_475.026
kakos thumos, wofür kurz zuvor thumos oxus gesagt ist, bezeichnet pba_475.027
das Verhängnisvolle des "raschen Sinnes", "vorschnell entschlossener, pba_475.028
leidenschaftlich-jäher Gemütsart
", die menschlichem pba_475.029
und selbst göttlichem Einspruch schwer zugänglich ist. Solch "schneller pba_475.030
Mut
" ist der "Fehler" (amartia) des Ödipus, wie er das Verderben pba_475.031
seines Vaters war, der den Sohn, den er in Mißachtung des Götterspruchs pba_475.032
gewonnen, in Mißachtung göttlicher und menschlicher Gesetze pba_475.033
jammervollem Tode preisgab, der in jäher Hitze den begegnenden Fremdling pba_475.034
mit toddrohendem Streiche anfiel. Das alles, wie das weiterhin pba_475.035
Kommende, hatten die Götter als künftig Geschehendes vorausgesehen, pba_475.036
nicht etwa es bestimmt und herbeigeführt, völlig in Übereinstimmung pba_475.037
mit dem Worte des Kreon im "König Ödipus":

pba_475.038
ai de toiaitai phuseis pba_475.039
autais dikaios eisin algistai pherein. pba_475.040
"Solcher Art Naturen sind pba_475.041
Sich selbst mit Recht unleidlich und die herbste Qual."
pba_475.001
Denn sage, wenn ein Götterspruch dem Vater einst pba_475.002
Erscholl, er werde fallen durch des Sohnes Hand, pba_475.003
Wie kannst du billig diese Schuld vorwerfen mir, pba_475.004
Der noch des Lebens Keime nicht vom Vater noch pba_475.005
Der Mutter hatte, nein, noch ungeboren war?

pba_475.006
Ebenso heißt es weiter in der Gegenrede des Ödipus (v. 997 ff.):

pba_475.007
τοιαῦτα μέντοι καὐτὸς εἰςέβην κακά, pba_475.008
θεῶν ἀγόντων. οἷς ἐγὼ οὐδὲ τὴν πατρὸς pba_475.009
ψυχὴν ἄν οἶπαι ζὡσαν ἀντειπεῖν ἐμοί. pba_475.010
„Jn solches Unheil aber stürzt' auch ich hinein pba_475.011
Durch Götterleitung, und der Geist des Vaters selbst, pba_475.012
Zum Lichte kehrend, glaub' ich, widerspräch es nicht.“

pba_475.013
Dagegen nun aber die Worte der Antigone, mit denen sie den pba_475.014
tiefgekränkten Vater bewegen will dem Polyneikes zu verzeihen (v. 1195 ff.):

pba_475.015
σὺ δ' εἰς ἐκεῖνα, μὴ τὰ νῦν, ἀποσκόπει, pba_475.016
πατρῷα καὶ μητρῷα πήμαθ' ἄπαθες· pba_475.017
κ\̓αν κεῖνα λεύσσῃς, οἶδ' ἐγώ, γνώσει κακοῦ pba_475.018
θυμοῦ τελευτὴν, ὡς κακὴ προσγίγνεται. pba_475.019
„Du aber wende deinen Blick auf jenes Leid, pba_475.020
Das Leid von deinen Eltern, das du duldetest; pba_475.021
Und schaust du hierauf, weiß ich, wird's dir offenbar, pba_475.022
Welch' schlimmes Ende schlimmer Zorn zu nehmen liebt.“

pba_475.023
Auch hier ist die deutsche Übersetzung (Donner) wieder unzulänglich, pba_475.024
aber freilich schwer zu verbessern. „Schlimmer Zorn“ gibt in Anwendung pba_475.025
auf die Geschichte des Laïos keinen Sinn; das griechische pba_475.026
κακὸς θυμός, wofür kurz zuvor θυμὸς ὀξύς gesagt ist, bezeichnet pba_475.027
das Verhängnisvolle des „raschen Sinnes“, „vorschnell entschlossener, pba_475.028
leidenschaftlich-jäher Gemütsart
“, die menschlichem pba_475.029
und selbst göttlichem Einspruch schwer zugänglich ist. Solch „schneller pba_475.030
Mut
“ ist der „Fehler“ (ἁμαρτία) des Ödipus, wie er das Verderben pba_475.031
seines Vaters war, der den Sohn, den er in Mißachtung des Götterspruchs pba_475.032
gewonnen, in Mißachtung göttlicher und menschlicher Gesetze pba_475.033
jammervollem Tode preisgab, der in jäher Hitze den begegnenden Fremdling pba_475.034
mit toddrohendem Streiche anfiel. Das alles, wie das weiterhin pba_475.035
Kommende, hatten die Götter als künftig Geschehendes vorausgesehen, pba_475.036
nicht etwa es bestimmt und herbeigeführt, völlig in Übereinstimmung pba_475.037
mit dem Worte des Kreon im „König Ödipus“:

pba_475.038
αἱ δὲ τοιαῖται φύσεις pba_475.039
αὑταῖς δικαίως εἰσὶν ἄλγισται φέρειν. pba_475.040
„Solcher Art Naturen sind pba_475.041
Sich selbst mit Recht unleidlich und die herbste Qual.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0493" n="475"/>
        <lb n="pba_475.001"/>
        <lg>
          <l>Denn sage, wenn ein Götterspruch dem Vater einst</l>
          <lb n="pba_475.002"/>
          <l>Erscholl, er werde fallen durch des Sohnes Hand,</l>
          <lb n="pba_475.003"/>
          <l>Wie kannst du billig diese Schuld vorwerfen mir,</l>
          <lb n="pba_475.004"/>
          <l>Der noch des Lebens Keime nicht vom Vater noch</l>
          <lb n="pba_475.005"/>
          <l>Der Mutter hatte, nein, noch ungeboren war?</l>
        </lg>
        <p><lb n="pba_475.006"/>
Ebenso heißt es weiter in der Gegenrede des Ödipus (v. 997 ff.):</p>
        <lb n="pba_475.007"/>
        <lg>
          <l> <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03BF;&#x03B9;&#x03B1;&#x1FE6;&#x03C4;&#x03B1; &#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03B9; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x1F78;&#x03C2; &#x03B5;&#x1F30;&#x03C2;&#x03AD;&#x03B2;&#x03B7;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x03BA;&#x03AC;</foreign>,</hi> </l>
          <lb n="pba_475.008"/>
          <l> <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="grc">&#x03B8;&#x03B5;&#x1FF6;&#x03BD; &#x1F00;&#x03B3;&#x03CC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03C9;&#x03BD;</foreign>. <foreign xml:lang="grc">&#x03BF;&#x1F37;&#x03C2; &#x1F10;&#x03B3;&#x1F7C; &#x03BF;&#x1F50;&#x03B4;&#x1F72; &#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03C1;&#x1F78;&#x03C2;</foreign></hi> </l>
          <lb n="pba_475.009"/>
          <l><hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="grc">&#x03C8;&#x03C5;&#x03C7;&#x1F74;&#x03BD; &#x1F04;&#x03BD; &#x03BF;&#x1F36;&#x03C0;&#x03B1;&#x03B9; &#x03B6;&#x1F61;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD; &#x1F00;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C0;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03BD; &#x1F10;&#x03BC;&#x03BF;&#x03AF;</foreign></hi>.</l>
          <lb n="pba_475.010"/>
          <l>&#x201E;Jn solches Unheil aber stürzt' auch ich hinein</l>
          <lb n="pba_475.011"/>
          <l>Durch Götterleitung, und der Geist des Vaters selbst,</l>
          <lb n="pba_475.012"/>
          <l>Zum Lichte kehrend, glaub' ich, widerspräch es nicht.&#x201C;</l>
        </lg>
        <p><lb n="pba_475.013"/>
Dagegen nun aber die Worte der <hi rendition="#g">Antigone,</hi> mit denen sie den <lb n="pba_475.014"/>
tiefgekränkten Vater bewegen will dem Polyneikes zu verzeihen (v. 1195 ff.):</p>
        <lb n="pba_475.015"/>
        <lg>
          <l> <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="grc">&#x03C3;&#x1F7A; &#x03B4;' &#x03B5;&#x1F30;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BA;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03BD;&#x03B1;, &#x03BC;&#x1F74; &#x03C4;&#x1F70; &#x03BD;&#x1FE6;&#x03BD;, &#x1F00;&#x03C0;&#x03BF;&#x03C3;&#x03BA;&#x03CC;&#x03C0;&#x03B5;&#x03B9;</foreign>,</hi> </l>
          <lb n="pba_475.016"/>
          <l> <hi rendition="#aq">
              <foreign xml:lang="grc">&#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03C1;&#x1FF7;&#x03B1; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03BC;&#x03B7;&#x03C4;&#x03C1;&#x1FF7;&#x03B1; &#x03C0;&#x03AE;&#x03BC;&#x03B1;&#x03B8;' &#x1F04;&#x03C0;&#x03B1;&#x03B8;&#x03B5;&#x03C2;&#x0387;</foreign>
            </hi> </l>
          <lb n="pba_475.017"/>
          <l> <hi rendition="#aq">
              <foreign xml:lang="grc"> <hi rendition="#g">&#x03BA;\&#x0313;&#x03B1;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03BD;&#x03B1; &#x03BB;&#x03B5;&#x03CD;&#x03C3;&#x03C3;&#x1FC3;&#x03C2;, &#x03BF;&#x1F36;&#x03B4;' &#x1F10;&#x03B3;&#x03CE;, &#x03B3;&#x03BD;&#x03CE;&#x03C3;&#x03B5;&#x03B9; &#x03BA;&#x03B1;&#x03BA;&#x03BF;&#x1FE6;</hi> </foreign>
            </hi> </l>
          <lb n="pba_475.018"/>
          <l> <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="grc"><hi rendition="#g">&#x03B8;&#x03C5;&#x03BC;&#x03BF;&#x1FE6; &#x03C4;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B5;&#x03C5;&#x03C4;&#x1F74;&#x03BD;, &#x1F61;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x03BA;&#x1F74; &#x03C0;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C3;&#x03B3;&#x03AF;&#x03B3;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</hi></foreign>.</hi> </l>
          <lb n="pba_475.019"/>
          <l>&#x201E;Du aber wende deinen Blick auf jenes Leid,</l>
          <lb n="pba_475.020"/>
          <l>Das Leid von deinen Eltern, das du duldetest;</l>
          <lb n="pba_475.021"/>
          <l> <hi rendition="#g">Und schaust du hierauf, weiß ich, wird's dir offenbar,</hi> </l>
          <lb n="pba_475.022"/>
          <l><hi rendition="#g">Welch' schlimmes Ende schlimmer Zorn zu nehmen liebt</hi>.&#x201C;</l>
        </lg>
        <p><lb n="pba_475.023"/>
Auch hier ist die deutsche Übersetzung (Donner) wieder unzulänglich, <lb n="pba_475.024"/>
aber freilich schwer zu verbessern. &#x201E;<hi rendition="#g">Schlimmer Zorn</hi>&#x201C; gibt in Anwendung <lb n="pba_475.025"/>
auf die Geschichte des Laïos keinen Sinn; das griechische <lb n="pba_475.026"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03BA;&#x03B1;&#x03BA;&#x1F78;&#x03C2; &#x03B8;&#x03C5;&#x03BC;&#x03CC;&#x03C2;</foreign>, wofür kurz zuvor <foreign xml:lang="grc">&#x03B8;&#x03C5;&#x03BC;&#x1F78;&#x03C2; &#x1F40;&#x03BE;&#x03CD;&#x03C2;</foreign> gesagt ist, bezeichnet <lb n="pba_475.027"/>
das <hi rendition="#g">Verhängnisvolle</hi> des &#x201E;<hi rendition="#g">raschen Sinnes</hi>&#x201C;, &#x201E;<hi rendition="#g">vorschnell entschlossener, <lb n="pba_475.028"/>
leidenschaftlich-jäher Gemütsart</hi>&#x201C;, die menschlichem <lb n="pba_475.029"/>
und selbst göttlichem Einspruch schwer zugänglich ist. Solch &#x201E;<hi rendition="#g">schneller <lb n="pba_475.030"/>
Mut</hi>&#x201C; ist der &#x201E;<hi rendition="#g">Fehler</hi>&#x201C; (<foreign xml:lang="grc">&#x1F01;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C1;&#x03C4;&#x03AF;&#x03B1;</foreign>) des Ödipus, wie er das Verderben <lb n="pba_475.031"/>
seines Vaters war, der den Sohn, den er in Mißachtung des Götterspruchs <lb n="pba_475.032"/>
gewonnen, in Mißachtung göttlicher und menschlicher Gesetze <lb n="pba_475.033"/>
jammervollem Tode preisgab, der in jäher Hitze den begegnenden Fremdling <lb n="pba_475.034"/>
mit toddrohendem Streiche anfiel. Das alles, wie das weiterhin <lb n="pba_475.035"/>
Kommende, hatten die Götter als künftig Geschehendes vorausgesehen, <lb n="pba_475.036"/>
nicht etwa es bestimmt und herbeigeführt, völlig in Übereinstimmung <lb n="pba_475.037"/>
mit dem Worte des Kreon im &#x201E;König Ödipus&#x201C;:</p>
        <lb n="pba_475.038"/>
        <lg>
          <l> <hi rendition="#aq">
              <foreign xml:lang="grc">&#x03B1;&#x1F31; &#x03B4;&#x1F72; &#x03C4;&#x03BF;&#x03B9;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C6;&#x03CD;&#x03C3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C2;</foreign>
            </hi> </l>
          <lb n="pba_475.039"/>
          <l><hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="grc">&#x03B1;&#x1F51;&#x03C4;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03C2; &#x03B4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03B1;&#x03AF;&#x03C9;&#x03C2; &#x03B5;&#x1F30;&#x03C3;&#x1F76;&#x03BD; &#x1F04;&#x03BB;&#x03B3;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C6;&#x03AD;&#x03C1;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;</foreign></hi>.</l>
          <lb n="pba_475.040"/>
          <l>  &#x201E;Solcher Art Naturen sind</l>
          <lb n="pba_475.041"/>
          <l>Sich selbst mit Recht unleidlich und die herbste Qual.&#x201C;</l>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0493] pba_475.001 Denn sage, wenn ein Götterspruch dem Vater einst pba_475.002 Erscholl, er werde fallen durch des Sohnes Hand, pba_475.003 Wie kannst du billig diese Schuld vorwerfen mir, pba_475.004 Der noch des Lebens Keime nicht vom Vater noch pba_475.005 Der Mutter hatte, nein, noch ungeboren war? pba_475.006 Ebenso heißt es weiter in der Gegenrede des Ödipus (v. 997 ff.): pba_475.007 τοιαῦτα μέντοι καὐτὸς εἰςέβην κακά, pba_475.008 θεῶν ἀγόντων. οἷς ἐγὼ οὐδὲ τὴν πατρὸς pba_475.009 ψυχὴν ἄν οἶπαι ζὡσαν ἀντειπεῖν ἐμοί. pba_475.010 „Jn solches Unheil aber stürzt' auch ich hinein pba_475.011 Durch Götterleitung, und der Geist des Vaters selbst, pba_475.012 Zum Lichte kehrend, glaub' ich, widerspräch es nicht.“ pba_475.013 Dagegen nun aber die Worte der Antigone, mit denen sie den pba_475.014 tiefgekränkten Vater bewegen will dem Polyneikes zu verzeihen (v. 1195 ff.): pba_475.015 σὺ δ' εἰς ἐκεῖνα, μὴ τὰ νῦν, ἀποσκόπει, pba_475.016 πατρῷα καὶ μητρῷα πήμαθ' ἄπαθες· pba_475.017 κ\̓αν κεῖνα λεύσσῃς, οἶδ' ἐγώ, γνώσει κακοῦ pba_475.018 θυμοῦ τελευτὴν, ὡς κακὴ προσγίγνεται. pba_475.019 „Du aber wende deinen Blick auf jenes Leid, pba_475.020 Das Leid von deinen Eltern, das du duldetest; pba_475.021 Und schaust du hierauf, weiß ich, wird's dir offenbar, pba_475.022 Welch' schlimmes Ende schlimmer Zorn zu nehmen liebt.“ pba_475.023 Auch hier ist die deutsche Übersetzung (Donner) wieder unzulänglich, pba_475.024 aber freilich schwer zu verbessern. „Schlimmer Zorn“ gibt in Anwendung pba_475.025 auf die Geschichte des Laïos keinen Sinn; das griechische pba_475.026 κακὸς θυμός, wofür kurz zuvor θυμὸς ὀξύς gesagt ist, bezeichnet pba_475.027 das Verhängnisvolle des „raschen Sinnes“, „vorschnell entschlossener, pba_475.028 leidenschaftlich-jäher Gemütsart“, die menschlichem pba_475.029 und selbst göttlichem Einspruch schwer zugänglich ist. Solch „schneller pba_475.030 Mut“ ist der „Fehler“ (ἁμαρτία) des Ödipus, wie er das Verderben pba_475.031 seines Vaters war, der den Sohn, den er in Mißachtung des Götterspruchs pba_475.032 gewonnen, in Mißachtung göttlicher und menschlicher Gesetze pba_475.033 jammervollem Tode preisgab, der in jäher Hitze den begegnenden Fremdling pba_475.034 mit toddrohendem Streiche anfiel. Das alles, wie das weiterhin pba_475.035 Kommende, hatten die Götter als künftig Geschehendes vorausgesehen, pba_475.036 nicht etwa es bestimmt und herbeigeführt, völlig in Übereinstimmung pba_475.037 mit dem Worte des Kreon im „König Ödipus“: pba_475.038 αἱ δὲ τοιαῖται φύσεις pba_475.039 αὑταῖς δικαίως εἰσὶν ἄλγισται φέρειν. pba_475.040 „Solcher Art Naturen sind pba_475.041 Sich selbst mit Recht unleidlich und die herbste Qual.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/493
Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/493>, abgerufen am 04.05.2024.