Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_443.001 pba_443.013 pba_443.017 pba_443.023 pba_443.026 1 pba_443.034
Will man noch weitere Bestätigung, so wird dieselbe durch einen Ausspruch pba_443.035 des Jamblichus, der in den Scholien des Syrianus zu der Metaph. d. Aristot. (op. pba_443.036 Arist. ed. Becker, V, 891 a 15) aufbewahrt ist, über die Wirkung der mathematischen pba_443.037 Beweismethode geliefert: "daß durch sie ein Organ in jedes Menschen Seele, das durch pba_443.038 andere Beschäftigungen verdorben und abgestumpft war, gereinigt und neu belebt pba_443.039 wird": opos ex auton organon ti tes ekastou psukhes ekkathairetai te kai anazopureitai, pba_443.040 apollumenon kai tuphloumenon upo ton allon epitedeumaton. pba_443.001 pba_443.013 pba_443.017 pba_443.023 pba_443.026 1 pba_443.034
Will man noch weitere Bestätigung, so wird dieselbe durch einen Ausspruch pba_443.035 des Jamblichus, der in den Scholien des Syrianus zu der Metaph. d. Aristot. (op. pba_443.036 Arist. ed. Becker, V, 891 a 15) aufbewahrt ist, über die Wirkung der mathematischen pba_443.037 Beweismethode geliefert: „daß durch sie ein Organ in jedes Menschen Seele, das durch pba_443.038 andere Beschäftigungen verdorben und abgestumpft war, gereinigt und neu belebt pba_443.039 wird“: ὄπως ἐξ αὐτῶν ὄργανόν τι τῆς ἑκάστου ψυχῆς ἐκκαθαίρεταί τε καὶ ἀναζωπυρεῖται, pba_443.040 ἀπολλύμενον καὶ τυφλούμενον ὑπὸ τῶν ἄλλων ἐπιτηδευμάτων. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0461" n="443"/><lb n="pba_443.001"/> Krankheitserscheinung oder irgendwie in Unmaß und belästigender Überfülle, <lb n="pba_443.002"/> sondern vom ersten Anbeginn und in seinem ganzen Verlauf ist <lb n="pba_443.003"/> er göttlich“: <foreign xml:lang="grc">ἀπέρασιν δὲ καὶ <hi rendition="#g">ἀποκάθαρσιν</hi> ἰατρείαν <hi rendition="#g">τε</hi> οὐδαμῶς</foreign> <lb n="pba_443.004"/> <foreign xml:lang="grc">αὐτὸ κλητέον·</foreign> <foreign xml:lang="grc">οὐδἐ γὰρ κατὰ νόσημά τε \̓η πλεονασμὸν \̓η <hi rendition="#g">περίττωμα</hi></foreign> <lb n="pba_443.005"/> <foreign xml:lang="grc">πρώτως ἐν ἡμῖν ἐμφύεται, θεία δὲ αὐτοῦ συνίσταται ἡ πᾶσα ἄνωθεν</foreign> <lb n="pba_443.006"/> <foreign xml:lang="grc">ἀρχὴ καὶ μεταβολή</foreign>. Jamblichus faßt die Katharsis in genauester Übereinstimmung <lb n="pba_443.007"/> mit allem, was in Obigem erörtert ist, als einen Vorgang <lb n="pba_443.008"/> auf, der das <hi rendition="#g">Überflüssige,</hi> Störende und also Erkrankung, Verschlechterung <lb n="pba_443.009"/> irgend welcher Art Hervorrufende aus einem Körper, einem <lb n="pba_443.010"/> Organ oder auch, übertragen, aus einem Bewegungsvorgange <hi rendition="#g">fortschafft,</hi> <lb n="pba_443.011"/> das <foreign xml:lang="grc">περίττωμα</foreign>: also auch er versteht darunter eine <hi rendition="#g">Läuterung, <lb n="pba_443.012"/> eine Reinigung.</hi><note xml:id="pba_443_1" place="foot" n="1"><lb n="pba_443.034"/> Will man noch weitere Bestätigung, so wird dieselbe durch einen Ausspruch <lb n="pba_443.035"/> des Jamblichus, der in den Scholien des <hi rendition="#g">Syrianus</hi> zu der Metaph. d. Aristot. (op. <lb n="pba_443.036"/> Arist. ed. Becker, V, 891 <hi rendition="#sup">a</hi> 15) aufbewahrt ist, über die Wirkung der mathematischen <lb n="pba_443.037"/> Beweismethode geliefert: „daß durch sie ein Organ in jedes Menschen Seele, das durch <lb n="pba_443.038"/> andere Beschäftigungen verdorben und abgestumpft war, <hi rendition="#g">gereinigt</hi> und neu belebt <lb n="pba_443.039"/> wird“: <foreign xml:lang="grc">ὄπως ἐξ αὐτῶν ὄργανόν τι τῆς ἑκάστου ψυχῆς</foreign> <foreign xml:lang="grc"><hi rendition="#g">ἐκκαθαίρεταί</hi> τε καὶ ἀναζωπυρεῖται</foreign>, <lb n="pba_443.040"/> <foreign xml:lang="grc">ἀπολλύμενον καὶ τυφλούμενον ὑπὸ τῶν ἄλλων ἐπιτηδευμάτων</foreign>.</note></p> <p><lb n="pba_443.013"/> Nach dem <hi rendition="#g">philologischen</hi> Befunde der Sache — dessen kritische <lb n="pba_443.014"/> Darlegung hier nicht umgangen werden kann, da die Bernayssche <lb n="pba_443.015"/> Theorie noch immer wieder Verteidigung gefunden hat — stellt sich also <lb n="pba_443.016"/> heraus:</p> <p><lb n="pba_443.017"/> 1) Daß der Ausdruck „<hi rendition="#g">Katharsis</hi>“ ursprünglich dem medizinischen <lb n="pba_443.018"/> Gebiet angehört — eine offenkundige Thatsache, an der weder <lb n="pba_443.019"/> Lessing noch irgend ein anderer Erklärer jemals gezweifelt hat — und <lb n="pba_443.020"/> daß derselbe eine Ausscheidung des Überflüssigen und daher Schädlichen <lb n="pba_443.021"/> bedeutet; ebenso auch eine Fortwaschung des von außen störend Anhaftenden: <lb n="pba_443.022"/> in beiden Fällen also eine <hi rendition="#g">Reinigung.</hi></p> <p><lb n="pba_443.023"/> 2) Daß in demselben Sinne der Ausdruck auf ein <hi rendition="#g">technischindustrielles</hi> <lb n="pba_443.024"/> Verfahren übertragen wird: auf die „<hi rendition="#g">Läuterung</hi>“ <lb n="pba_443.025"/> des Eisens von fremden Bestandteilen.</p> <p><lb n="pba_443.026"/> 3) Daß abgesehen von der Übertragung auf das <hi rendition="#g">religiöse</hi> Gebiet, <lb n="pba_443.027"/> wo die Katharsis ebenso eine <hi rendition="#g">Fortwaschung</hi> des Befleckenden <lb n="pba_443.028"/> bedeutet, eine „<hi rendition="#g">Lustration</hi>“, die weitere Übertragung auf das <hi rendition="#g">ästhetische</hi> <lb n="pba_443.029"/> Gebiet stattfindet, wo, in dem gleichen Sinne wie in allen andern <lb n="pba_443.030"/> Fällen, eine <hi rendition="#g">Purifikation,</hi> eine <hi rendition="#g">Reinigung</hi> von schädlich Überflüssigem <lb n="pba_443.031"/> damit bezeichnet wird, die jedoch gleichnisweise statt an Körpern <lb n="pba_443.032"/> geschehend, an gewissen ästhetischen Vorgängen, an <hi rendition="#g">Empfindungsbewegungen</hi> <lb n="pba_443.033"/> sich vollziehend gedacht wird. Eine Empfindungsbewegung </p> </div> </body> </text> </TEI> [443/0461]
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Krankheitserscheinung oder irgendwie in Unmaß und belästigender Überfülle, pba_443.002
sondern vom ersten Anbeginn und in seinem ganzen Verlauf ist pba_443.003
er göttlich“: ἀπέρασιν δὲ καὶ ἀποκάθαρσιν ἰατρείαν τε οὐδαμῶς pba_443.004
αὐτὸ κλητέον· οὐδἐ γὰρ κατὰ νόσημά τε \̓η πλεονασμὸν \̓η περίττωμα pba_443.005
πρώτως ἐν ἡμῖν ἐμφύεται, θεία δὲ αὐτοῦ συνίσταται ἡ πᾶσα ἄνωθεν pba_443.006
ἀρχὴ καὶ μεταβολή. Jamblichus faßt die Katharsis in genauester Übereinstimmung pba_443.007
mit allem, was in Obigem erörtert ist, als einen Vorgang pba_443.008
auf, der das Überflüssige, Störende und also Erkrankung, Verschlechterung pba_443.009
irgend welcher Art Hervorrufende aus einem Körper, einem pba_443.010
Organ oder auch, übertragen, aus einem Bewegungsvorgange fortschafft, pba_443.011
das περίττωμα: also auch er versteht darunter eine Läuterung, pba_443.012
eine Reinigung. 1
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Nach dem philologischen Befunde der Sache — dessen kritische pba_443.014
Darlegung hier nicht umgangen werden kann, da die Bernayssche pba_443.015
Theorie noch immer wieder Verteidigung gefunden hat — stellt sich also pba_443.016
heraus:
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1) Daß der Ausdruck „Katharsis“ ursprünglich dem medizinischen pba_443.018
Gebiet angehört — eine offenkundige Thatsache, an der weder pba_443.019
Lessing noch irgend ein anderer Erklärer jemals gezweifelt hat — und pba_443.020
daß derselbe eine Ausscheidung des Überflüssigen und daher Schädlichen pba_443.021
bedeutet; ebenso auch eine Fortwaschung des von außen störend Anhaftenden: pba_443.022
in beiden Fällen also eine Reinigung.
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2) Daß in demselben Sinne der Ausdruck auf ein technischindustrielles pba_443.024
Verfahren übertragen wird: auf die „Läuterung“ pba_443.025
des Eisens von fremden Bestandteilen.
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3) Daß abgesehen von der Übertragung auf das religiöse Gebiet, pba_443.027
wo die Katharsis ebenso eine Fortwaschung des Befleckenden pba_443.028
bedeutet, eine „Lustration“, die weitere Übertragung auf das ästhetische pba_443.029
Gebiet stattfindet, wo, in dem gleichen Sinne wie in allen andern pba_443.030
Fällen, eine Purifikation, eine Reinigung von schädlich Überflüssigem pba_443.031
damit bezeichnet wird, die jedoch gleichnisweise statt an Körpern pba_443.032
geschehend, an gewissen ästhetischen Vorgängen, an Empfindungsbewegungen pba_443.033
sich vollziehend gedacht wird. Eine Empfindungsbewegung
1 pba_443.034
Will man noch weitere Bestätigung, so wird dieselbe durch einen Ausspruch pba_443.035
des Jamblichus, der in den Scholien des Syrianus zu der Metaph. d. Aristot. (op. pba_443.036
Arist. ed. Becker, V, 891 a 15) aufbewahrt ist, über die Wirkung der mathematischen pba_443.037
Beweismethode geliefert: „daß durch sie ein Organ in jedes Menschen Seele, das durch pba_443.038
andere Beschäftigungen verdorben und abgestumpft war, gereinigt und neu belebt pba_443.039
wird“: ὄπως ἐξ αὐτῶν ὄργανόν τι τῆς ἑκάστου ψυχῆς ἐκκαθαίρεταί τε καὶ ἀναζωπυρεῖται, pba_443.040
ἀπολλύμενον καὶ τυφλούμενον ὑπὸ τῶν ἄλλων ἐπιτηδευμάτων.
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