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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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brauchbar Überflüssige,
das Übermaß (uperbole tou pathematos) pba_442.002
also ist es auch hier, welches ausgeschieden wird -- genau wie in allen pba_442.003
andern Fällen der Katharsis -- und für diesen Prozeß kann eine pba_442.004
passendere deutsche Bezeichnung nicht gefunden werden, als in dem Ausdruck pba_442.005
"Läuterung".

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Diese Läuterung wird bewirkt durch die schöne Nachahmung des pba_442.007
Enthusiasmus in einer diesem Zwecke geweihten, künstlerischen Musik, pba_442.008
in den "heiligen Liedern". Das Übermäßige, Falsche, des individuellen, pba_442.009
mehr oder minder krankhaften Enthusiasmus fällt vor dem Eindruck des pba_442.010
echten, wahren in sich zusammen, und die Seele wird davon entlastet. pba_442.011
Freilich ist der eigentliche "Zweck", dem diese Lieder geweiht sind, immer pba_442.012
der, überhaupt die Entzückung des reinen, schönen Enthusiasmus hervorzubringen; pba_442.013
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die für sie einer Kur gleichkommt, so daß also für jene die pba_442.017
kathartische Wirkung "gleichsam eine Heilung" von Aristoteles genannt pba_442.018
werden konnte.

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Übrigens ist das alles nichts spezifisch Aristotelisches, nicht einmal pba_442.020
Hellenisches; es ist vielmehr die klare Definition der Wirkung einer jeden pba_442.021
Kunst, jedes Anschauens der Schönheit und auch jedes Erkennens der pba_442.022
Wahrheit.

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Auch haben die Alten den Aristoteles so und nicht anders pba_442.024
verstanden; das beweisen gerade die Äußerungen der Neuplatoniker, pba_442.025
auf welche sich Bernays für seine Theorie so unglücklich berufen hat, pba_442.026
nicht zum mindesten die Stelle bei Jamblichus, mit der die Beweisführung pba_442.027
der Bernaysschen Abhandlung zum Schluß noch einen ihrer pba_442.028
stärksten Trümpfe auszuspielen meint. Jamblichus kämpfte gegen die pba_442.029
aristotelische Katharsistheorie in der Musik lediglich, insofern von ihr pba_442.030
auf den Enthusiasmus Anwendung gemacht wird. Er erkennt pba_442.031
es als "natürlich und menschlich" an, daß die Musik die pba_442.032
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zum Fehlerhaften zu heilen
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Enthusiasmus nicht als einen Empfindungszustand, der überhaupt eines pba_442.036
Übermaßes, einer Abirrung oder fehlerhaften Wendung fähig wäre, pba_442.037
sondern er ist ihm ein unbedingt gotterfüllter Zustand, der in allen pba_442.038
Phasen normal und wünschenswert sei. Deswegen sagt er: bei ihm pba_442.039
"kann von keiner Ausscheidung, Abklärung, Heilung die Rede pba_442.040
sein; denn seinem Ursprunge nach erwächst er in uns nicht als eine

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brauchbar Überflüssige,
das Übermaß (ὑπερβολὴ τοῦ παθήματος) pba_442.002
also ist es auch hier, welches ausgeschieden wird — genau wie in allen pba_442.003
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Diese Läuterung wird bewirkt durch die schöne Nachahmung des pba_442.007
Enthusiasmus in einer diesem Zwecke geweihten, künstlerischen Musik, pba_442.008
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echten, wahren in sich zusammen, und die Seele wird davon entlastet. pba_442.011
Freilich ist der eigentliche „Zweck“, dem diese Lieder geweiht sind, immer pba_442.012
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Übrigens ist das alles nichts spezifisch Aristotelisches, nicht einmal pba_442.020
Hellenisches; es ist vielmehr die klare Definition der Wirkung einer jeden pba_442.021
Kunst, jedes Anschauens der Schönheit und auch jedes Erkennens der pba_442.022
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zum Fehlerhaften zu heilen
“: ἐμποιεῖν \̓η ἰατρεύειν τὰ πάθη pba_442.034
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/460>, abgerufen am 22.11.2024.