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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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mancherlei Wunderbares sich ereignet. So ist nach des Aristoteles Urteil pba_277.002
die Komposition der Jlias einfach und pathetisch.

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Andrerseits wird, wo in der inneren Handlung leidenschaftliche Jmpulse pba_277.004
als bestimmend keine oder nur eine geringe Rolle spielen, dagegen pba_277.005
das Ethos herrschend ist, die feste, ständige Gemütsart und Gesinnungsweise, pba_277.006
deswegen das pathetisch-leidvolle Element zwar keineswegs pba_277.007
ausgeschlossen sein, aber es wird erstlich nicht den Grundcharakter der pba_277.008
Handlung bilden, nicht dem Gedicht, als Ganzes genommen, seine pba_277.009
Färbung geben; sodann aber wird die bewegende Ursache desselben statt pba_277.010
in der inneren in der äußeren Handlung liegen müssen, also in Handlungen, pba_277.011
welche zu der eigentlichen Handlung von außen hinzutretend für pba_277.012
dieselbe bedingend werden, so daß also der Gang derselben statt einfach pba_277.013
zu sein ein verwickelter wird, mögen diese hinzutretenden Handlungen pba_277.014
nun vor der eigentlichen Handlung liegen, oder neben derselben hinlaufen pba_277.015
oder auch während derselben eingreifen, wie in der Odyssee. Die pba_277.016
wirksamsten Formen, in welchen sich solche Verwickelungen äußern, sind pba_277.017
nach des Aristoteles überzeugender Lehre die der Erkennung und die pba_277.018
der Peripetie, des plötzlichen, unglücklichen Umschlages der Handlung pba_277.019
in das Gegenteil des von dem Handelnden Gewollten und Erwarteten.1 pba_277.020
Deshalb wird die Komposition der Odyssee von Aristoteles mit Recht pba_277.021
als verwickelt und ethisch bezeichnet.2

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Jmmer aber liegt die eigentliche Wirkungskraft des Epos in pba_277.023
dem Gegenstande seiner Nachahmung und dem mit demselben verbundenen pba_277.024
Nachahmungszweck, in der Handlung, welche die reinen Schicksalsempfindungen pba_277.025
zur Geltung zu bringen geeignet ist.
Jn pba_277.026
einer solchen ist Ethos immer enthalten, auch wenn dasselbe nicht durch pba_277.027
eine besonders diesem Zweck gewidmete Darstellungsweise zum Ausdruck pba_277.028
gebracht wird, was, nach dem Obigen, ja doch nur unter gewissen Umständen pba_277.029
aus der Komposition der Handlung als Forderung hervorgeht; pba_277.030
so heißt es im Beginn des 15. Kapitels bei Aristoteles: exei de ethos pba_277.031
(sc.: o muthos) ean ... poie phaneron o logos \e e praxis pba_277.032
proairesin tina, khreston de ean khresten: "Die Fabel der pba_277.033
Dichtung wird Ethos enthalten, wenn ... die Darstellung oder die (vorgestellte) pba_277.034
Handlung eine Willensentscheidung kundmacht, und zwar ein pba_277.035
gutes Ethos, wenn die Willensentscheidung eine gute ist." Eher aber pba_277.036
kann der Mangel in der Nachahmung des Ethos ertragen werden als

1 pba_277.037
Vgl. hierzu Aristoteles, Poet. Kap. 13 und 14; denn die hier enthaltenen pba_277.038
Bestimmungen haben für das Epos ebensowohl Geltung als für die Tragödie.
2 pba_277.039
a. a. O. Kap. 24.

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mancherlei Wunderbares sich ereignet. So ist nach des Aristoteles Urteil pba_277.002
die Komposition der Jlias einfach und pathetisch.

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Andrerseits wird, wo in der inneren Handlung leidenschaftliche Jmpulse pba_277.004
als bestimmend keine oder nur eine geringe Rolle spielen, dagegen pba_277.005
das Ethos herrschend ist, die feste, ständige Gemütsart und Gesinnungsweise, pba_277.006
deswegen das pathetisch-leidvolle Element zwar keineswegs pba_277.007
ausgeschlossen sein, aber es wird erstlich nicht den Grundcharakter der pba_277.008
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oder auch während derselben eingreifen, wie in der Odyssee. Die pba_277.016
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nach des Aristoteles überzeugender Lehre die der Erkennung und die pba_277.018
der Peripetie, des plötzlichen, unglücklichen Umschlages der Handlung pba_277.019
in das Gegenteil des von dem Handelnden Gewollten und Erwarteten.1 pba_277.020
Deshalb wird die Komposition der Odyssee von Aristoteles mit Recht pba_277.021
als verwickelt und ethisch bezeichnet.2

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Jmmer aber liegt die eigentliche Wirkungskraft des Epos in pba_277.023
dem Gegenstande seiner Nachahmung und dem mit demselben verbundenen pba_277.024
Nachahmungszweck, in der Handlung, welche die reinen Schicksalsempfindungen pba_277.025
zur Geltung zu bringen geeignet ist.
Jn pba_277.026
einer solchen ist Ethos immer enthalten, auch wenn dasselbe nicht durch pba_277.027
eine besonders diesem Zweck gewidmete Darstellungsweise zum Ausdruck pba_277.028
gebracht wird, was, nach dem Obigen, ja doch nur unter gewissen Umständen pba_277.029
aus der Komposition der Handlung als Forderung hervorgeht; pba_277.030
so heißt es im Beginn des 15. Kapitels bei Aristoteles: ἕξει δὲ ἦθος pba_277.031
(sc.: ὁ μῦθος) ἐὰν ... ποιῇ φανερὸνλόγος \̓η ἡ πρᾶξις pba_277.032
προαίρεσίν τινα, χρηστὸν δὲ ἐὰν χρηστήν: „Die Fabel der pba_277.033
Dichtung wird Ethos enthalten, wenn ... die Darstellung oder die (vorgestellte) pba_277.034
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gutes Ethos, wenn die Willensentscheidung eine gute ist.“ Eher aber pba_277.036
kann der Mangel in der Nachahmung des Ethos ertragen werden als

1 pba_277.037
Vgl. hierzu Aristoteles, Poet. Kap. 13 und 14; denn die hier enthaltenen pba_277.038
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/295>, abgerufen am 22.11.2024.