pba_209.001 wohl bekannt geblieben. Die Erinnerung an den Hingang des geliebten pba_209.002 Freundes und wie das hatte so kommen können, ergriff ihn von neuem pba_209.003 und stimmte ihn auf das wehmütigste. Ernst stand er an den Baum pba_209.004 gelehnt, der, wie ihm schien, hätte mittrauern sollen, und der gleichwohl pba_209.005 dastand, so herrlich erblüht wie jemals. -- Aber gerade das erinnerte pba_209.006 ihn bald an die ewigen Gesetze und leitete den Zug seiner Gedanken also:
pba_209.007 Die göttliche Ordnung -- Themis -- nach welcher die uranfänglichen pba_209.008 Verteilerinnen -- Moirai -- einem Jeden geteilt, daß aus dem pba_209.009 All ein schönes Ganzes, ein Kosmos ward, wird nimmer zerstört werden. pba_209.010 Dafür sorgen der die Ordnungen kennt und versteht, der allschauende pba_209.011 Zeus, die Bestimmung -- Heimarmene -- und die Notwendigkeit pba_209.012 -- Ananke --, dafür die Ausgleicherin von Recht und Pflicht -- Dike --, pba_209.013 der jede Übertretung der Berechtigung in Recht und Pflicht anheimfällt. pba_209.014 Jhr zur Seite steht der moralische Unwille der Götter und Menschen pba_209.015 über Unbill und Überhebung, die ernste Nemesis, und in ihrem Dienst pba_209.016 die strafvollführenden Erinnyen, von denen Heraklitus sagte: und wenn pba_209.017 die Sonne ihre angewiesene Bahn verlassen wollte, die Erinnyen würden pba_209.018 sie zu finden wissen. Und nicht nur die helle Sonne werden sie zu pba_209.019 finden wissen, auch was im Dunkeln schleicht und das Dunkle sucht, pba_209.020 finden sie aus, die "im Dunkel schreitenden" Göttinnen. -- Meine Trübsal pba_209.021 aber, gehört sie nicht auch in die ewige Ordnung?
pba_209.022 Hier wurde er aufmerksam auf sich selbst. Er wußte nicht gleich, pba_209.023 was es war, was in seiner Seele sich hervordrängte und zu gestalten pba_209.024 suchte. Es war aber ein geistliches Lied des Sophokles, woran seine pba_209.025 letzten Gedanken ihn erinnert hatten. Es gelang ihm, sich die Worte pba_209.026 herzustellen:
pba_209.027 ""Deine Macht, o Zeus, wer der Menschen vermöchte übertretend pba_209.028 sie zu hemmen? die weder der Schlaf ergreift, der alles altert, noch der pba_209.029 Götter unermüdliche Monden: sondern unalternd in Zeit ein Herrscher pba_209.030 wohnst du in des Olympus heiterem Strahlenglanz. Doch hinfort und pba_209.031 in Zukunft wie vordem gilt das Gesetz: dem Leben der Sterblichenpba_209.032 geht längere Frist nimmer dahin frei von Trübsal.""
pba_209.033 Er sah in die scheidende Sonne. Die Horen, lächelte er, bringen pba_209.034 die Nacht. Sind sie den Tag uns jemals schuldig geblieben?"
pba_209.035 Und derselbe Autor an einer andern Stelle:1 "Was die Götter pba_209.036 thun, infolge einer Moira thun und vollziehen, vielleicht einer noch pba_209.037 schuldigen Ausgleichungsmoira thun, wird als selbstverständliches Menschenlos, pba_209.038 dem man in Frömmigkeit sich zu fügen hat, dahingenommen: je
1pba_209.039 Lehrs a. a. O. "Zeus und die Moira" S. 215.
pba_209.001 wohl bekannt geblieben. Die Erinnerung an den Hingang des geliebten pba_209.002 Freundes und wie das hatte so kommen können, ergriff ihn von neuem pba_209.003 und stimmte ihn auf das wehmütigste. Ernst stand er an den Baum pba_209.004 gelehnt, der, wie ihm schien, hätte mittrauern sollen, und der gleichwohl pba_209.005 dastand, so herrlich erblüht wie jemals. — Aber gerade das erinnerte pba_209.006 ihn bald an die ewigen Gesetze und leitete den Zug seiner Gedanken also:
pba_209.007 Die göttliche Ordnung — Themis — nach welcher die uranfänglichen pba_209.008 Verteilerinnen — Moirai — einem Jeden geteilt, daß aus dem pba_209.009 All ein schönes Ganzes, ein Kosmos ward, wird nimmer zerstört werden. pba_209.010 Dafür sorgen der die Ordnungen kennt und versteht, der allschauende pba_209.011 Zeus, die Bestimmung — Heimarmene — und die Notwendigkeit pba_209.012 — Ananke —, dafür die Ausgleicherin von Recht und Pflicht — Dike —, pba_209.013 der jede Übertretung der Berechtigung in Recht und Pflicht anheimfällt. pba_209.014 Jhr zur Seite steht der moralische Unwille der Götter und Menschen pba_209.015 über Unbill und Überhebung, die ernste Nemesis, und in ihrem Dienst pba_209.016 die strafvollführenden Erinnyen, von denen Heraklitus sagte: und wenn pba_209.017 die Sonne ihre angewiesene Bahn verlassen wollte, die Erinnyen würden pba_209.018 sie zu finden wissen. Und nicht nur die helle Sonne werden sie zu pba_209.019 finden wissen, auch was im Dunkeln schleicht und das Dunkle sucht, pba_209.020 finden sie aus, die „im Dunkel schreitenden“ Göttinnen. — Meine Trübsal pba_209.021 aber, gehört sie nicht auch in die ewige Ordnung?
pba_209.022 Hier wurde er aufmerksam auf sich selbst. Er wußte nicht gleich, pba_209.023 was es war, was in seiner Seele sich hervordrängte und zu gestalten pba_209.024 suchte. Es war aber ein geistliches Lied des Sophokles, woran seine pba_209.025 letzten Gedanken ihn erinnert hatten. Es gelang ihm, sich die Worte pba_209.026 herzustellen:
pba_209.027 „„Deine Macht, o Zeus, wer der Menschen vermöchte übertretend pba_209.028 sie zu hemmen? die weder der Schlaf ergreift, der alles altert, noch der pba_209.029 Götter unermüdliche Monden: sondern unalternd in Zeit ein Herrscher pba_209.030 wohnst du in des Olympus heiterem Strahlenglanz. Doch hinfort und pba_209.031 in Zukunft wie vordem gilt das Gesetz: dem Leben der Sterblichenpba_209.032 geht längere Frist nimmer dahin frei von Trübsal.““
pba_209.033 Er sah in die scheidende Sonne. Die Horen, lächelte er, bringen pba_209.034 die Nacht. Sind sie den Tag uns jemals schuldig geblieben?“
pba_209.035 Und derselbe Autor an einer andern Stelle:1 „Was die Götter pba_209.036 thun, infolge einer Moira thun und vollziehen, vielleicht einer noch pba_209.037 schuldigen Ausgleichungsmoira thun, wird als selbstverständliches Menschenlos, pba_209.038 dem man in Frömmigkeit sich zu fügen hat, dahingenommen: je
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wohl bekannt geblieben. Die Erinnerung an den Hingang des geliebten pba_209.002
Freundes und wie das hatte so kommen können, ergriff ihn von neuem pba_209.003
und stimmte ihn auf das wehmütigste. Ernst stand er an den Baum pba_209.004
gelehnt, der, wie ihm schien, hätte mittrauern sollen, und der gleichwohl pba_209.005
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Die göttliche Ordnung — Themis — nach welcher die uranfänglichen pba_209.008
Verteilerinnen — Moirai — einem Jeden geteilt, daß aus dem pba_209.009
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Zeus, die Bestimmung — Heimarmene — und die Notwendigkeit pba_209.012
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in Zukunft wie vordem gilt das Gesetz: dem Leben der Sterblichen pba_209.032
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Er sah in die scheidende Sonne. Die Horen, lächelte er, bringen pba_209.034
die Nacht. Sind sie den Tag uns jemals schuldig geblieben?“
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Und derselbe Autor an einer andern Stelle: 1 „Was die Götter pba_209.036
thun, infolge einer Moira thun und vollziehen, vielleicht einer noch pba_209.037
schuldigen Ausgleichungsmoira thun, wird als selbstverständliches Menschenlos, pba_209.038
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/227>, abgerufen am 24.11.2024.
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