pba_132.001 viduelle Verstimmungen über persönliche Erfahrungen des Weimarer pba_132.002 General-Superintendenten, vielleicht auch berechtigte, aber um dichterisch pba_132.003 allgemein wirksam im Epigramm verwertet zu werden, dazu hätte im pba_132.004 ersten Teil die Erwartung rege gemacht werden müssen durch die Exposition pba_132.005 desjenigen speziellen Verfahrens oder derjenigen Denkungsweise pba_132.006 der so schlimm charakterisierten Konsistorialräte, welche für den vernichtenden pba_132.007 Aufschluß empfänglich zu machen geeignet wäre. Das Gedicht pba_132.008 würde dadurch nicht allein verständlich geworden sein, sondern es hätte pba_132.009 sich damit aus einer bloßen Gehässigkeit, die es jetzt ist, in ein wirkliches pba_132.010 Epigramm verwandelt, dessen satirische Uebertreibung als Stachel pba_132.011 des Witzes und nicht als Schmähung gewirkt hätte.
pba_132.012 Denn das Epigramm will und soll seinen Gegenstand nur von pba_132.013 einer Seite betrachten; eben um dessentwillen ist die Kürze eine seiner pba_132.014 wesentlichen Eigenschaften; wo sich bei den ausgezeichnetsten Epigrammatisten pba_132.015 längere Epigramme finden, da fällt diese größere Ausdehnung pba_132.016 fast ausschließlich dem ersten Teile, der die "Erwartung" rege macht, pba_132.017 zu und setzt sich in den bei weitem meisten Fällen aus einer Häufung pba_132.018 von Bezeichnungen zusammen, die sämtlich eine und dieselbe Seite der pba_132.019 Sache nur um so schärfer und ausschließlicher hervorkehren. Lessing hat pba_132.020 gezeigt, daß in einer Gattung von Epigrammen, die er die hyperbolischepba_132.021 nennt, sogar auf diese Ausführlichkeit alles ankommt; in den pba_132.022 beiden Beispielen aus dem Martial (XI, 18 und VIII, 33), die pba_132.023 er anführt, beruht die Wirkung auf der Vorstellung äußerster Kleinheit, pba_132.024 die in dem ersten Teil durch eine Reihe sich steigernder Hyperbeln hervorgebracht pba_132.025 wird und welche die kurze Lösung vorbereitet, durch die jetzt pba_132.026 erst das Epigramm seine ethische Färbung erhält. So schließt das erste pba_132.027 derselben, nachdem es sich in Metaphern der Winzigkeit des von Lupus pba_132.028 dem Dichter geschenkten Landgütchens erschöpft hat:
pba_132.029
Errasti, Lupe, littera sed una:pba_132.030 Nam quo tempore praedium dedisti,pba_132.031 Mallem tu mihi prandium dedisses.
pba_132.032
Und in ähnlicher Weise das andere:
pba_132.033
Quid tibi cum phiala, ligulam cum mittere possis,pba_132.034 Mittere cum possis vel cochleare mihi?pba_132.035 Magna nimis loquimur, cochleam cum mittere possis;pba_132.036 Denique cum possis mittere, Paule, nihil.
pba_132.037
Mit Recht hebt Lessing hervor, daß Martial sich mit der bloßen Hyperbel pba_132.038 nicht begnügt, sondern "fast immer von der Hyperbel noch zu einer pba_132.039 Betrachtung fortgehet, die mehr hinter sich hat;" diese Be-
pba_132.001 viduelle Verstimmungen über persönliche Erfahrungen des Weimarer pba_132.002 General-Superintendenten, vielleicht auch berechtigte, aber um dichterisch pba_132.003 allgemein wirksam im Epigramm verwertet zu werden, dazu hätte im pba_132.004 ersten Teil die Erwartung rege gemacht werden müssen durch die Exposition pba_132.005 desjenigen speziellen Verfahrens oder derjenigen Denkungsweise pba_132.006 der so schlimm charakterisierten Konsistorialräte, welche für den vernichtenden pba_132.007 Aufschluß empfänglich zu machen geeignet wäre. Das Gedicht pba_132.008 würde dadurch nicht allein verständlich geworden sein, sondern es hätte pba_132.009 sich damit aus einer bloßen Gehässigkeit, die es jetzt ist, in ein wirkliches pba_132.010 Epigramm verwandelt, dessen satirische Uebertreibung als Stachel pba_132.011 des Witzes und nicht als Schmähung gewirkt hätte.
pba_132.012 Denn das Epigramm will und soll seinen Gegenstand nur von pba_132.013 einer Seite betrachten; eben um dessentwillen ist die Kürze eine seiner pba_132.014 wesentlichen Eigenschaften; wo sich bei den ausgezeichnetsten Epigrammatisten pba_132.015 längere Epigramme finden, da fällt diese größere Ausdehnung pba_132.016 fast ausschließlich dem ersten Teile, der die „Erwartung“ rege macht, pba_132.017 zu und setzt sich in den bei weitem meisten Fällen aus einer Häufung pba_132.018 von Bezeichnungen zusammen, die sämtlich eine und dieselbe Seite der pba_132.019 Sache nur um so schärfer und ausschließlicher hervorkehren. Lessing hat pba_132.020 gezeigt, daß in einer Gattung von Epigrammen, die er die hyperbolischepba_132.021 nennt, sogar auf diese Ausführlichkeit alles ankommt; in den pba_132.022 beiden Beispielen aus dem Martial (XI, 18 und VIII, 33), die pba_132.023 er anführt, beruht die Wirkung auf der Vorstellung äußerster Kleinheit, pba_132.024 die in dem ersten Teil durch eine Reihe sich steigernder Hyperbeln hervorgebracht pba_132.025 wird und welche die kurze Lösung vorbereitet, durch die jetzt pba_132.026 erst das Epigramm seine ethische Färbung erhält. So schließt das erste pba_132.027 derselben, nachdem es sich in Metaphern der Winzigkeit des von Lupus pba_132.028 dem Dichter geschenkten Landgütchens erschöpft hat:
pba_132.029
Errasti, Lupe, littera sed una:pba_132.030 Nam quo tempore praedium dedisti,pba_132.031 Mallem tu mihi prandium dedisses.
pba_132.032
Und in ähnlicher Weise das andere:
pba_132.033
Quid tibi cum phiala, ligulam cum mittere possis,pba_132.034 Mittere cum possis vel cochleare mihi?pba_132.035 Magna nimis loquimur, cochleam cum mittere possis;pba_132.036 Denique cum possis mittere, Paule, nihil.
pba_132.037
Mit Recht hebt Lessing hervor, daß Martial sich mit der bloßen Hyperbel pba_132.038 nicht begnügt, sondern „fast immer von der Hyperbel noch zu einer pba_132.039 Betrachtung fortgehet, die mehr hinter sich hat;“ diese Be-
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viduelle Verstimmungen über persönliche Erfahrungen des Weimarer pba_132.002
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Und in ähnlicher Weise das andere:
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Quid tibi cum phiala, ligulam cum mittere possis, pba_132.034
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Mit Recht hebt Lessing hervor, daß Martial sich mit der bloßen Hyperbel pba_132.038
nicht begnügt, sondern „fast immer von der Hyperbel noch zu einer pba_132.039
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/150>, abgerufen am 25.11.2024.
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