pba_127.001 der gnomischen und satirischen Gattung: sie kann sich sowohl der einen pba_127.002 als der andern vorzugsweise zuneigen. Die das Ethos erzeugende Reflexion pba_127.003 oder Beobachtung kann entweder direkt ausgesprochen sein, pba_127.004 als Lösung der nach der betreffenden Seite hin erregten Spannung: pba_127.005 dann entsteht der Sinnspruch, durch den das Epigramm der gnomischen pba_127.006 Dichtung verwandt ist. Oder der Gedanke wird indirekt durch pba_127.007 den komischen Kontrast zwischen Erwartung und Aufschluß hervorgerufen: pba_127.008 dann entsteht das satirisch-humoristische oder auch einfach pba_127.009 komische Epigramm. Weitere Verschiedenheiten möchte es im Epigramm pba_127.010 nicht geben, es sei denn, daß es seine Natur in wesentlichen pba_127.011 Stücken ändert und damit in andere Dichtungsarten überschlägt; von pba_127.012 solchen Pseudo-Epigrammen soll im Weiteren noch gehandelt werden. pba_127.013 Die übliche Einteilung nach dem Jnhalt, wie z. B. in der palatinischen pba_127.014 Anthologie, ist lediglich äußerlicher Natur; in jeder dieser Abteilungen, pba_127.015 seien es nun Grabschriften oder Dedikationen, Liebesepigramme oder pba_127.016 Trinksprüche, darstellende (epideictica) oder ermahnende (protreptica) pba_127.017 Epigramme, Aufschriften auf Statuen oder andere Kunstwerke, können pba_127.018 naturgemäß beide Hauptarten vertreten sein, und beide kommen thatsächlich pba_127.019 überall vor.
pba_127.020 Nur insofern ist in der Behandlungsweise ein durchgehender Unterschied pba_127.021 vorhanden, als jener erste, die Erwartung erregende Teil des pba_127.022 Epigramms entweder die Erzählung eines wirklichen oder als wirklich pba_127.023 angenommenen Vorfalls, ebenso die Darstellung eines konkreten Dinges pba_127.024 enthalten oder auch die Reflexion durch die unmittelbare, abstrakte Bezeichnung pba_127.025 eines Spannung hervorrufenden Gedankens in Bewegung setzen pba_127.026 kann. Beide Arten des Verfahrens können sowohl in der gnomischen pba_127.027 als in der satirisch-humoristischen Gattung stattfinden: doch hat naturgemäß pba_127.028 in dieser jene erstere, in jener die letztere den Vorzug.
pba_127.029 Jn allen Fällen aber wird der hauptsächlich durch das Epigramm pba_127.030 erzeugte geistige Vorgang, die zur Nachahmung des Ethos berufene Reflexion, pba_127.031 ein Werk der anschauenden Kraft sein müssen, eine durch den pba_127.032 Augenschein unmittelbar und fast spontan sich einstellende Ueberführung; pba_127.033 niemals darf sie als ein abstraktes Resultat logisch-dialektischer Schlußfolgerung pba_127.034 sich ergeben. Wie kann das geschehen auch bei abstrakter pba_127.035 Fassung der beiden Teile des Epigramms? Dadurch, daß es sich allenthalben pba_127.036 und ausnahmslos des Mittels der Vergleichung bedient: auf pba_127.037 dem Vergleich durch den Augenschein beruht überall jenes Grundverhältnis pba_127.038 von Erwartung und Aufschluß, und zwar so, daß entweder pba_127.039 in dem offenbar Unähnlichen das überraschend Aehnliche aufgezeigt pba_127.040 wird, oder in dem unzweifelhaft Aehnlichen handgreiflich
pba_127.001 der gnomischen und satirischen Gattung: sie kann sich sowohl der einen pba_127.002 als der andern vorzugsweise zuneigen. Die das Ethos erzeugende Reflexion pba_127.003 oder Beobachtung kann entweder direkt ausgesprochen sein, pba_127.004 als Lösung der nach der betreffenden Seite hin erregten Spannung: pba_127.005 dann entsteht der Sinnspruch, durch den das Epigramm der gnomischen pba_127.006 Dichtung verwandt ist. Oder der Gedanke wird indirekt durch pba_127.007 den komischen Kontrast zwischen Erwartung und Aufschluß hervorgerufen: pba_127.008 dann entsteht das satirisch-humoristische oder auch einfach pba_127.009 komische Epigramm. Weitere Verschiedenheiten möchte es im Epigramm pba_127.010 nicht geben, es sei denn, daß es seine Natur in wesentlichen pba_127.011 Stücken ändert und damit in andere Dichtungsarten überschlägt; von pba_127.012 solchen Pseudo-Epigrammen soll im Weiteren noch gehandelt werden. pba_127.013 Die übliche Einteilung nach dem Jnhalt, wie z. B. in der palatinischen pba_127.014 Anthologie, ist lediglich äußerlicher Natur; in jeder dieser Abteilungen, pba_127.015 seien es nun Grabschriften oder Dedikationen, Liebesepigramme oder pba_127.016 Trinksprüche, darstellende (epideictica) oder ermahnende (protreptica) pba_127.017 Epigramme, Aufschriften auf Statuen oder andere Kunstwerke, können pba_127.018 naturgemäß beide Hauptarten vertreten sein, und beide kommen thatsächlich pba_127.019 überall vor.
pba_127.020 Nur insofern ist in der Behandlungsweise ein durchgehender Unterschied pba_127.021 vorhanden, als jener erste, die Erwartung erregende Teil des pba_127.022 Epigramms entweder die Erzählung eines wirklichen oder als wirklich pba_127.023 angenommenen Vorfalls, ebenso die Darstellung eines konkreten Dinges pba_127.024 enthalten oder auch die Reflexion durch die unmittelbare, abstrakte Bezeichnung pba_127.025 eines Spannung hervorrufenden Gedankens in Bewegung setzen pba_127.026 kann. Beide Arten des Verfahrens können sowohl in der gnomischen pba_127.027 als in der satirisch-humoristischen Gattung stattfinden: doch hat naturgemäß pba_127.028 in dieser jene erstere, in jener die letztere den Vorzug.
pba_127.029 Jn allen Fällen aber wird der hauptsächlich durch das Epigramm pba_127.030 erzeugte geistige Vorgang, die zur Nachahmung des Ethos berufene Reflexion, pba_127.031 ein Werk der anschauenden Kraft sein müssen, eine durch den pba_127.032 Augenschein unmittelbar und fast spontan sich einstellende Ueberführung; pba_127.033 niemals darf sie als ein abstraktes Resultat logisch-dialektischer Schlußfolgerung pba_127.034 sich ergeben. Wie kann das geschehen auch bei abstrakter pba_127.035 Fassung der beiden Teile des Epigramms? Dadurch, daß es sich allenthalben pba_127.036 und ausnahmslos des Mittels der Vergleichung bedient: auf pba_127.037 dem Vergleich durch den Augenschein beruht überall jenes Grundverhältnis pba_127.038 von Erwartung und Aufschluß, und zwar so, daß entweder pba_127.039 in dem offenbar Unähnlichen das überraschend Aehnliche aufgezeigt pba_127.040 wird, oder in dem unzweifelhaft Aehnlichen handgreiflich
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der gnomischen und satirischen Gattung: sie kann sich sowohl der einen pba_127.002
als der andern vorzugsweise zuneigen. Die das Ethos erzeugende Reflexion pba_127.003
oder Beobachtung kann entweder direkt ausgesprochen sein, pba_127.004
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dann entsteht der Sinnspruch, durch den das Epigramm der gnomischen pba_127.006
Dichtung verwandt ist. Oder der Gedanke wird indirekt durch pba_127.007
den komischen Kontrast zwischen Erwartung und Aufschluß hervorgerufen: pba_127.008
dann entsteht das satirisch-humoristische oder auch einfach pba_127.009
komische Epigramm. Weitere Verschiedenheiten möchte es im Epigramm pba_127.010
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solchen Pseudo-Epigrammen soll im Weiteren noch gehandelt werden. pba_127.013
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Anthologie, ist lediglich äußerlicher Natur; in jeder dieser Abteilungen, pba_127.015
seien es nun Grabschriften oder Dedikationen, Liebesepigramme oder pba_127.016
Trinksprüche, darstellende (epideictica) oder ermahnende (protreptica) pba_127.017
Epigramme, Aufschriften auf Statuen oder andere Kunstwerke, können pba_127.018
naturgemäß beide Hauptarten vertreten sein, und beide kommen thatsächlich pba_127.019
überall vor.
pba_127.020
Nur insofern ist in der Behandlungsweise ein durchgehender Unterschied pba_127.021
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pba_127.029
Jn allen Fällen aber wird der hauptsächlich durch das Epigramm pba_127.030
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wird, oder in dem unzweifelhaft Aehnlichen handgreiflich
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/145>, abgerufen am 23.11.2024.
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