Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_124.001 Als dem Lykos zuerst entsproßt war unter den Schläfen pba_124.002 pba_124.007Jugendlich-männliche Zier, schor er den glänzenden Flaum, pba_124.003 Weihte als Erstlingsgeschenk ihn Phöbus und betete: "Lass' einst pba_124.004 Also mich weißes Gelock scheeren vom bleichenden Haupt!" pba_124.005 Solches gewähre: doch so, daß er jetzt dem Künftigen gleiche, pba_124.006 Daß er der Jetzige sei, künftig vom Alter beschneit. Das zweite, dem Lucian angehörende Epigramm (VI, 164) ist zwar von pba_124.008
"Euch .... weiht Lucillius, im Meere gerettet, sein Haupthaar hier?" pba_124.017 Glaukos und Nereus und der Jno Sohn Melicertes pba_124.026 pba_124.029Und dem Kroniden der Flut und Samothraces Kabir'n pba_124.027 Schor Lucillius, ich, aus dem Meere gerettet, zur Weihe pba_124.028 Mir die Haare vom Kopf: anderes habe ich nichts. Man kann außer diesem ironischen Gegensatz noch die weitere humoristische pba_124.030 pba_124.036 pba_124.001 Als dem Lykos zuerst entsproßt war unter den Schläfen pba_124.002 pba_124.007Jugendlich-männliche Zier, schor er den glänzenden Flaum, pba_124.003 Weihte als Erstlingsgeschenk ihn Phöbus und betete: „Lass' einst pba_124.004 Also mich weißes Gelock scheeren vom bleichenden Haupt!“ pba_124.005 Solches gewähre: doch so, daß er jetzt dem Künftigen gleiche, pba_124.006 Daß er der Jetzige sei, künftig vom Alter beschneit. Das zweite, dem Lucian angehörende Epigramm (VI, 164) ist zwar von pba_124.008
„Euch .... weiht Lucillius, im Meere gerettet, sein Haupthaar hier?“ pba_124.017 Glaukos und Nereus und der Jno Sohn Melicertes pba_124.026 pba_124.029Und dem Kroniden der Flut und Samothraces Kabir'n pba_124.027 Schor Lucillius, ich, aus dem Meere gerettet, zur Weihe pba_124.028 Mir die Haare vom Kopf: anderes habe ich nichts. Man kann außer diesem ironischen Gegensatz noch die weitere humoristische pba_124.030 pba_124.036 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0142" n="124"/> <lb n="pba_124.001"/> <lg> <l>Als dem Lykos zuerst entsproßt war unter den Schläfen</l> <lb n="pba_124.002"/> <l> Jugendlich-männliche Zier, schor er den glänzenden Flaum,</l> <lb n="pba_124.003"/> <l>Weihte als Erstlingsgeschenk ihn Phöbus und betete: „Lass' einst</l> <lb n="pba_124.004"/> <l> Also mich weißes Gelock scheeren vom bleichenden Haupt!“</l> <lb n="pba_124.005"/> <l>Solches gewähre: doch so, daß er jetzt dem Künftigen gleiche,</l> <lb n="pba_124.006"/> <l> Daß er der Jetzige sei, künftig vom Alter beschneit.</l> </lg> <lb n="pba_124.007"/> <p>Das zweite, dem <hi rendition="#g">Lucian</hi> angehörende Epigramm (VI, 164) ist zwar von <lb n="pba_124.008"/> Herder vollständig wiedergegeben, auch dem Sinne nach richtig übersetzt, <lb n="pba_124.009"/> aber wieder ungenau und gerade an der entscheidenden Stelle derart, <lb n="pba_124.010"/> daß es matt und farblos geworden, und das epigrammatische Acumen <lb n="pba_124.011"/> abgestumpft ist:</p> <lb n="pba_124.012"/> <p> <hi rendition="#aq"> <lg> <l><foreign xml:lang="grc">Γλαύκῳ καὶ Νηρῆϊ καὶ Ἰνώῳ Μελικέρτῃ</foreign>,</l> <lb n="pba_124.013"/> <l><foreign xml:lang="grc">καὶ βυθίῳ Κρονίδῃ καὶ Σαμόθρᾳξι θεοῖς</foreign>,</l> <lb n="pba_124.014"/> <l> <foreign xml:lang="grc">σωθεὶς ἐκ πελάγους Λουκίλλιος ὧδε κέκαρμαι</foreign> </l> <lb n="pba_124.015"/> <l><foreign xml:lang="grc">τὰς τρίχας ἐκ κεφαλῆς·</foreign><foreign xml:lang="grc">ἄλλο γὰρ οὐδὲν ἔχω</foreign>.</l> </lg> </hi> </p> <lb n="pba_124.016"/> <p>„Euch .... weiht Lucillius, im Meere gerettet, sein Haupthaar hier?“ <lb n="pba_124.017"/> Damit ist freilich das Epigramm verwischt, das weit entfernt von der <lb n="pba_124.018"/> „Würde eines einfachen, rührenden Denkmals“, vielmehr mit offenbarer <lb n="pba_124.019"/> Jronie seine Pointe in dem komischen Gegensatz hat zwischen der pomphaft <lb n="pba_124.020"/> gehäuften Anrufung so vieler Götter in dem ersten, die Erwartung <lb n="pba_124.021"/> erregenden Teil und der Geringfügigkeit des ihnen dargebrachten Weihgeschenks, <lb n="pba_124.022"/> von dem der Aufschluß berichtet. Der aus dem Schiffbruch <lb n="pba_124.023"/> Gerettete hat nichts zu geben, als was ihm allein geblieben, die Haare <lb n="pba_124.024"/> vom Kopfe:</p> <lb n="pba_124.025"/> <lg> <l>Glaukos und Nereus und der Jno Sohn Melicertes</l> <lb n="pba_124.026"/> <l> Und dem Kroniden der Flut und Samothraces Kabir'n</l> <lb n="pba_124.027"/> <l>Schor Lucillius, ich, aus dem Meere gerettet, zur Weihe</l> <lb n="pba_124.028"/> <l> Mir die Haare vom Kopf: anderes habe ich nichts.</l> </lg> <lb n="pba_124.029"/> <p>Man kann außer diesem ironischen Gegensatz noch die weitere humoristische <lb n="pba_124.030"/> Wendung darin entdecken: wenn ihr vielen und großen Schutzgötter <lb n="pba_124.031"/> der Seefahrer mich nicht anders retten konntet, als indem ihr <lb n="pba_124.032"/> mir alles nahmt bis auf die Haare auf dem Kopf, so nehmt denn auch <lb n="pba_124.033"/> mit diesen vorlieb. Jn der Erwartung die Erfüllung des alten, frommen <lb n="pba_124.034"/> Brauchs, als Aufschluß die harmlos spottende Lösung: wieder die genaueste <lb n="pba_124.035"/> Bestätigung des Lessingschen Formgesetzes!</p> <p><lb n="pba_124.036"/> Ganz dasselbe gilt von den ersten drei Beispielen Herders, die alle <lb n="pba_124.037"/> ebenso laut für Lessing als gegen Herder zeugen. Alle drei sind Grabschriften, <lb n="pba_124.038"/> zwei angeblich der Sappho und die dritte die berühmte des <lb n="pba_124.039"/> Simonides auf die bei den Thermopylen gefallenen Spartaner. Hier </p> </div> </body> </text> </TEI> [124/0142]
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Als dem Lykos zuerst entsproßt war unter den Schläfen pba_124.002
Jugendlich-männliche Zier, schor er den glänzenden Flaum, pba_124.003
Weihte als Erstlingsgeschenk ihn Phöbus und betete: „Lass' einst pba_124.004
Also mich weißes Gelock scheeren vom bleichenden Haupt!“ pba_124.005
Solches gewähre: doch so, daß er jetzt dem Künftigen gleiche, pba_124.006
Daß er der Jetzige sei, künftig vom Alter beschneit.
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Das zweite, dem Lucian angehörende Epigramm (VI, 164) ist zwar von pba_124.008
Herder vollständig wiedergegeben, auch dem Sinne nach richtig übersetzt, pba_124.009
aber wieder ungenau und gerade an der entscheidenden Stelle derart, pba_124.010
daß es matt und farblos geworden, und das epigrammatische Acumen pba_124.011
abgestumpft ist:
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Γλαύκῳ καὶ Νηρῆϊ καὶ Ἰνώῳ Μελικέρτῃ, pba_124.013
καὶ βυθίῳ Κρονίδῃ καὶ Σαμόθρᾳξι θεοῖς, pba_124.014
σωθεὶς ἐκ πελάγους Λουκίλλιος ὧδε κέκαρμαι pba_124.015
τὰς τρίχας ἐκ κεφαλῆς· ἄλλο γὰρ οὐδὲν ἔχω.
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„Euch .... weiht Lucillius, im Meere gerettet, sein Haupthaar hier?“ pba_124.017
Damit ist freilich das Epigramm verwischt, das weit entfernt von der pba_124.018
„Würde eines einfachen, rührenden Denkmals“, vielmehr mit offenbarer pba_124.019
Jronie seine Pointe in dem komischen Gegensatz hat zwischen der pomphaft pba_124.020
gehäuften Anrufung so vieler Götter in dem ersten, die Erwartung pba_124.021
erregenden Teil und der Geringfügigkeit des ihnen dargebrachten Weihgeschenks, pba_124.022
von dem der Aufschluß berichtet. Der aus dem Schiffbruch pba_124.023
Gerettete hat nichts zu geben, als was ihm allein geblieben, die Haare pba_124.024
vom Kopfe:
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Glaukos und Nereus und der Jno Sohn Melicertes pba_124.026
Und dem Kroniden der Flut und Samothraces Kabir'n pba_124.027
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Mir die Haare vom Kopf: anderes habe ich nichts.
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Man kann außer diesem ironischen Gegensatz noch die weitere humoristische pba_124.030
Wendung darin entdecken: wenn ihr vielen und großen Schutzgötter pba_124.031
der Seefahrer mich nicht anders retten konntet, als indem ihr pba_124.032
mir alles nahmt bis auf die Haare auf dem Kopf, so nehmt denn auch pba_124.033
mit diesen vorlieb. Jn der Erwartung die Erfüllung des alten, frommen pba_124.034
Brauchs, als Aufschluß die harmlos spottende Lösung: wieder die genaueste pba_124.035
Bestätigung des Lessingschen Formgesetzes!
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Ganz dasselbe gilt von den ersten drei Beispielen Herders, die alle pba_124.037
ebenso laut für Lessing als gegen Herder zeugen. Alle drei sind Grabschriften, pba_124.038
zwei angeblich der Sappho und die dritte die berühmte des pba_124.039
Simonides auf die bei den Thermopylen gefallenen Spartaner. Hier
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