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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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lichen Wiener Art den Gedanken Worte: "Unser Ge¬
schäftsführer ist heut wieder einmal e bissel -- verruckt!
Sonst ein seelenguter, auch kluger Herr, -- aber hier
im Oberstübchen geht es manchmal drunter und drüber
und zum Dirigenten für ein Theatervölkchen fehlt ihm
eine gute Portion Energie und kaltes Blut!" -- Dann
schlug er plötzlich in das höchste Pathos um: "Wir fahren
halt auf dem Meer fremder Verhältnisse, und wissen
nicht, ob's Schifflein glücklich landen wird! -- aber um
uns zu stärken vor den herannahenden Kämpfen, wollen
wir Leidensgefährten -- -- (in Wiener Mundart) jetzt
echte Wiener Rahmstrudel essen."

Für mich war dies genügend, um in tolles Lachen
auszubrechen; die andern mußten mit einstimmen, selbst
die kleine ernste Frau, und nun weidete ich mich förmlich
an Spitzeder's unerschöpflicher, liebenswürdiger Laune,
die dem Komiker bald in Berlin auf Befehl des Königs
24 Stunden Arrest eintragen sollte. Während des
russisch-türkischen Krieges extemporirte er nämlich im
Königstädter Theater: "Die Fuselmänner gegen die
Muselmänner ..." und eine preußische Königstochter
war ja Kaiserin der Fuselmänner. -- Als wir mit Cham¬
pagner auf glückliches Landen des Schiffes anstießen,
kam ein Bote von Kunowsky mit einem Bleistiftzettel
an mich: "Verehrteste! Ich vergaß zu erinnern, daß Sie
morgen durchaus den Herren Aktionären Besuche abstatten
müssen; hier die Adresse -- von den verheiratheten Mata¬
doren. Abends erwartet meine Frau Sie mit der werthen

lichen Wiener Art den Gedanken Worte: »Unſer Ge¬
ſchäftsführer iſt heut wieder einmal e biſſel — verruckt!
Sonſt ein ſeelenguter, auch kluger Herr, — aber hier
im Oberſtübchen geht es manchmal drunter und drüber
und zum Dirigenten für ein Theatervölkchen fehlt ihm
eine gute Portion Energie und kaltes Blut!« — Dann
ſchlug er plötzlich in das höchſte Pathos um: »Wir fahren
halt auf dem Meer fremder Verhältniſſe, und wiſſen
nicht, ob's Schifflein glücklich landen wird! — aber um
uns zu ſtärken vor den herannahenden Kämpfen, wollen
wir Leidensgefährten — — (in Wiener Mundart) jetzt
echte Wiener Rahmſtrudel eſſen.«

Für mich war dies genügend, um in tolles Lachen
auszubrechen; die andern mußten mit einſtimmen, ſelbſt
die kleine ernſte Frau, und nun weidete ich mich förmlich
an Spitzeder's unerſchöpflicher, liebenswürdiger Laune,
die dem Komiker bald in Berlin auf Befehl des Königs
24 Stunden Arreſt eintragen ſollte. Während des
ruſſiſch-türkiſchen Krieges extemporirte er nämlich im
Königſtädter Theater: »Die Fuſelmänner gegen die
Muſelmänner …« und eine preußiſche Königſtochter
war ja Kaiſerin der Fuſelmänner. — Als wir mit Cham¬
pagner auf glückliches Landen des Schiffes anſtießen,
kam ein Bote von Kunowsky mit einem Bleiſtiftzettel
an mich: »Verehrteſte! Ich vergaß zu erinnern, daß Sie
morgen durchaus den Herren Aktionären Beſuche abſtatten
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[43/0071] lichen Wiener Art den Gedanken Worte: »Unſer Ge¬ ſchäftsführer iſt heut wieder einmal e biſſel — verruckt! Sonſt ein ſeelenguter, auch kluger Herr, — aber hier im Oberſtübchen geht es manchmal drunter und drüber und zum Dirigenten für ein Theatervölkchen fehlt ihm eine gute Portion Energie und kaltes Blut!« — Dann ſchlug er plötzlich in das höchſte Pathos um: »Wir fahren halt auf dem Meer fremder Verhältniſſe, und wiſſen nicht, ob's Schifflein glücklich landen wird! — aber um uns zu ſtärken vor den herannahenden Kämpfen, wollen wir Leidensgefährten — — (in Wiener Mundart) jetzt echte Wiener Rahmſtrudel eſſen.« Für mich war dies genügend, um in tolles Lachen auszubrechen; die andern mußten mit einſtimmen, ſelbſt die kleine ernſte Frau, und nun weidete ich mich förmlich an Spitzeder's unerſchöpflicher, liebenswürdiger Laune, die dem Komiker bald in Berlin auf Befehl des Königs 24 Stunden Arreſt eintragen ſollte. Während des ruſſiſch-türkiſchen Krieges extemporirte er nämlich im Königſtädter Theater: »Die Fuſelmänner gegen die Muſelmänner …« und eine preußiſche Königſtochter war ja Kaiſerin der Fuſelmänner. — Als wir mit Cham¬ pagner auf glückliches Landen des Schiffes anſtießen, kam ein Bote von Kunowsky mit einem Bleiſtiftzettel an mich: »Verehrteſte! Ich vergaß zu erinnern, daß Sie morgen durchaus den Herren Aktionären Beſuche abſtatten müſſen; hier die Adreſſe — von den verheiratheten Mata¬ doren. Abends erwartet meine Frau Sie mit der werthen

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/71>, abgerufen am 22.11.2024.