Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Opfer nicht an. Ich eile zum Intendanten, daß die
Vorstellung abbestellt wird ..."

"Halt! Halt! erst noch eine Künstlerpetition bei un¬
serem Doktor Eisenbart, kurirt die Leut' nach seiner
Art. Sicher hat er irgend eine Parforcekur in Petto,
die den Fliegenden bis morgen Abend -- wenn auch
nicht gründlich, so doch ein wenig in die Flucht schlagen
wird. Liebster, goldenster Doktor, lassen Sie die ganze
Armee Ihrer Kunst anrücken, ich will ja geduldig die
garstigsten Mittel hinabschlucken, unter Opodeldoc und
spanischen Fliegen Ihr Loblied singen -- habe ich doch
schon einmal siedenden Talg getrunken, um am andern
Abend nur spielen zu können ..."

"Talg -- siedenden Talg getrunken?" riefen der
Dichter entsetzt und der Doktor ungläubig aus.

Und ich erzählte:

"Es war in Riga. Ich hatte versprochen, am fol¬
genden Abend zum Benefiz eines wackeren Kollegen und
überreichen Familienvaters die "Preciosa" zu spielen, zu
tanzen und -- singen. Und ich war am Morgen
nach einer winterlichen Tanzgesellschaft mit einer totalen
Heiserkeit aufgewacht. Kein klares Wort wollte über
meine Lippen. Ich ließ sogleich den Direktor Dölle und
den Benefizianten von diesem wortlosen Hinderniß be¬
nachrichtigen. Beide stürmten mit einander heran. Der
arme Benefiziant war mehr todt als lebendig. Er hatte
nicht nur die meisten Logen- und Parketplätze schon glück¬
lich verkauft, sondern auch mit der ungewöhnlich reichen

Opfer nicht an. Ich eile zum Intendanten, daß die
Vorſtellung abbeſtellt wird …«

»Halt! Halt! erſt noch eine Künſtlerpetition bei un¬
ſerem Doktor Eiſenbart, kurirt die Leut' nach ſeiner
Art. Sicher hat er irgend eine Parforcekur in Petto,
die den Fliegenden bis morgen Abend — wenn auch
nicht gründlich, ſo doch ein wenig in die Flucht ſchlagen
wird. Liebſter, goldenſter Doktor, laſſen Sie die ganze
Armee Ihrer Kunſt anrücken, ich will ja geduldig die
garſtigſten Mittel hinabſchlucken, unter Opodeldoc und
ſpaniſchen Fliegen Ihr Loblied ſingen — habe ich doch
ſchon einmal ſiedenden Talg getrunken, um am andern
Abend nur ſpielen zu können …«

»Talg — ſiedenden Talg getrunken?« riefen der
Dichter entſetzt und der Doktor ungläubig aus.

Und ich erzählte:

»Es war in Riga. Ich hatte verſprochen, am fol¬
genden Abend zum Benefiz eines wackeren Kollegen und
überreichen Familienvaters die »Precioſa« zu ſpielen, zu
tanzen und — ſingen. Und ich war am Morgen
nach einer winterlichen Tanzgeſellſchaft mit einer totalen
Heiſerkeit aufgewacht. Kein klares Wort wollte über
meine Lippen. Ich ließ ſogleich den Direktor Dölle und
den Benefizianten von dieſem wortloſen Hinderniß be¬
nachrichtigen. Beide ſtürmten mit einander heran. Der
arme Benefiziant war mehr todt als lebendig. Er hatte
nicht nur die meiſten Logen- und Parketplätze ſchon glück¬
lich verkauft, ſondern auch mit der ungewöhnlich reichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0490" n="462"/>
Opfer nicht an. Ich eile zum Intendanten, daß die<lb/>
Vor&#x017F;tellung abbe&#x017F;tellt wird &#x2026;«</p><lb/>
        <p>»Halt! Halt! er&#x017F;t noch eine Kün&#x017F;tlerpetition bei un¬<lb/>
&#x017F;erem Doktor Ei&#x017F;enbart, kurirt die Leut' nach &#x017F;einer<lb/>
Art. Sicher hat er irgend eine Parforcekur in Petto,<lb/>
die den Fliegenden bis morgen Abend &#x2014; wenn auch<lb/>
nicht gründlich, &#x017F;o doch ein wenig in die Flucht &#x017F;chlagen<lb/>
wird. Lieb&#x017F;ter, golden&#x017F;ter Doktor, la&#x017F;&#x017F;en Sie die ganze<lb/>
Armee Ihrer Kun&#x017F;t anrücken, ich will ja geduldig die<lb/>
gar&#x017F;tig&#x017F;ten Mittel hinab&#x017F;chlucken, unter Opodeldoc und<lb/>
&#x017F;pani&#x017F;chen Fliegen Ihr Loblied &#x017F;ingen &#x2014; habe ich doch<lb/>
&#x017F;chon einmal &#x017F;iedenden Talg getrunken, um am andern<lb/>
Abend nur &#x017F;pielen zu können &#x2026;«</p><lb/>
        <p>»Talg &#x2014; &#x017F;iedenden Talg getrunken?« riefen der<lb/>
Dichter ent&#x017F;etzt und der Doktor ungläubig aus.</p><lb/>
        <p>Und ich erzählte:</p><lb/>
        <p>»Es war in Riga. Ich hatte ver&#x017F;prochen, am fol¬<lb/>
genden Abend zum Benefiz eines wackeren Kollegen und<lb/>
überreichen Familienvaters die »Precio&#x017F;a« zu &#x017F;pielen, zu<lb/>
tanzen und &#x2014; &#x017F;ingen. Und ich war am Morgen<lb/>
nach einer winterlichen Tanzge&#x017F;ell&#x017F;chaft mit einer totalen<lb/>
Hei&#x017F;erkeit aufgewacht. Kein klares Wort wollte über<lb/>
meine Lippen. Ich ließ &#x017F;ogleich den Direktor Dölle und<lb/>
den Benefizianten von die&#x017F;em wortlo&#x017F;en Hinderniß be¬<lb/>
nachrichtigen. Beide &#x017F;türmten mit einander heran. Der<lb/>
arme Benefiziant war mehr todt als lebendig. Er hatte<lb/>
nicht nur die mei&#x017F;ten Logen- und Parketplätze &#x017F;chon glück¬<lb/>
lich verkauft, &#x017F;ondern auch mit der ungewöhnlich reichen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[462/0490] Opfer nicht an. Ich eile zum Intendanten, daß die Vorſtellung abbeſtellt wird …« »Halt! Halt! erſt noch eine Künſtlerpetition bei un¬ ſerem Doktor Eiſenbart, kurirt die Leut' nach ſeiner Art. Sicher hat er irgend eine Parforcekur in Petto, die den Fliegenden bis morgen Abend — wenn auch nicht gründlich, ſo doch ein wenig in die Flucht ſchlagen wird. Liebſter, goldenſter Doktor, laſſen Sie die ganze Armee Ihrer Kunſt anrücken, ich will ja geduldig die garſtigſten Mittel hinabſchlucken, unter Opodeldoc und ſpaniſchen Fliegen Ihr Loblied ſingen — habe ich doch ſchon einmal ſiedenden Talg getrunken, um am andern Abend nur ſpielen zu können …« »Talg — ſiedenden Talg getrunken?« riefen der Dichter entſetzt und der Doktor ungläubig aus. Und ich erzählte: »Es war in Riga. Ich hatte verſprochen, am fol¬ genden Abend zum Benefiz eines wackeren Kollegen und überreichen Familienvaters die »Precioſa« zu ſpielen, zu tanzen und — ſingen. Und ich war am Morgen nach einer winterlichen Tanzgeſellſchaft mit einer totalen Heiſerkeit aufgewacht. Kein klares Wort wollte über meine Lippen. Ich ließ ſogleich den Direktor Dölle und den Benefizianten von dieſem wortloſen Hinderniß be¬ nachrichtigen. Beide ſtürmten mit einander heran. Der arme Benefiziant war mehr todt als lebendig. Er hatte nicht nur die meiſten Logen- und Parketplätze ſchon glück¬ lich verkauft, ſondern auch mit der ungewöhnlich reichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/490
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/490>, abgerufen am 25.11.2024.