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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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"Spotten Sie nur. Auch Sie werden bald von
Lola Montez bezaubert sein. Und wie ehrlich, wie naiv
offenherzig sie ist! Als ich sie gestern durch unsere Ge¬
mäldegalerie führte, sagte sie: Raphael und Correggio
langweilten sie durch ihre ewigen rothhaarigen Madonnen
-- dagegen blieb sie mit leuchtenden Augen vor den nur
mittelmäßig geklecksten Bildern eines spanischen "Stier¬
kampfes" und eines "Fandango" auf offener Straße von
Toledo stehen und klatschte vor Entzücken in die Hände
-- und vorgestern Abend gähnte sie laut bei der herr¬
lichen Tenorarie Moriani's und sagte: Lucia von Lammer¬
moor sei zum Einschlafen ..."

"Und das bewundern Sie -- der Dichter?"

"Ja, ich bewundere die reine, unverfälschte Natur
in diesem Mädchen. Sie ist noch nicht von unseren
ästhetischen Thees angekränkelt. Ich finde das originell,
frappant, kühn ..."

"Aber Dresden!"

"Ja, in unseren lauwarmen Lebensanschauungen
könnte das Alleinstehen, die Selbstständigkeit, die ganze
freimüthige, kühne Originalität der schönen Lola nicht
ganz so beurtheilt werden, und da komme ich, Sie zu
bitten, das holde Kind ein wenig unter Ihre Flügel zu
nehmen ..."

"Mit anderen Worten, ich soll die Theater-Tante
der schönen Spanierin machen? Ich, bis heute noch
immer Dresdens erste jugendliche Liebhaberin? Wirklich eine
eigenthümliche neue Rolle, die Sie mir da zuertheilen ..."

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»Spotten Sie nur. Auch Sie werden bald von
Lola Montez bezaubert ſein. Und wie ehrlich, wie naiv
offenherzig ſie iſt! Als ich ſie geſtern durch unſere Ge¬
mäldegalerie führte, ſagte ſie: Raphael und Correggio
langweilten ſie durch ihre ewigen rothhaarigen Madonnen
— dagegen blieb ſie mit leuchtenden Augen vor den nur
mittelmäßig gekleckſten Bildern eines ſpaniſchen »Stier¬
kampfes« und eines »Fandango« auf offener Straße von
Toledo ſtehen und klatſchte vor Entzücken in die Hände
— und vorgeſtern Abend gähnte ſie laut bei der herr¬
lichen Tenorarie Moriani's und ſagte: Lucia von Lammer¬
moor ſei zum Einſchlafen …«

»Und das bewundern Sie — der Dichter?«

»Ja, ich bewundere die reine, unverfälſchte Natur
in dieſem Mädchen. Sie iſt noch nicht von unſeren
äſthetiſchen Thees angekränkelt. Ich finde das originell,
frappant, kühn …«

»Aber Dresden!«

»Ja, in unſeren lauwarmen Lebensanſchauungen
könnte das Alleinſtehen, die Selbſtſtändigkeit, die ganze
freimüthige, kühne Originalität der ſchönen Lola nicht
ganz ſo beurtheilt werden, und da komme ich, Sie zu
bitten, das holde Kind ein wenig unter Ihre Flügel zu
nehmen …«

»Mit anderen Worten, ich ſoll die Theater-Tante
der ſchönen Spanierin machen? Ich, bis heute noch
immer Dresdens erſte jugendliche Liebhaberin? Wirklich eine
eigenthümliche neue Rolle, die Sie mir da zuertheilen …«

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[451/0479] »Spotten Sie nur. Auch Sie werden bald von Lola Montez bezaubert ſein. Und wie ehrlich, wie naiv offenherzig ſie iſt! Als ich ſie geſtern durch unſere Ge¬ mäldegalerie führte, ſagte ſie: Raphael und Correggio langweilten ſie durch ihre ewigen rothhaarigen Madonnen — dagegen blieb ſie mit leuchtenden Augen vor den nur mittelmäßig gekleckſten Bildern eines ſpaniſchen »Stier¬ kampfes« und eines »Fandango« auf offener Straße von Toledo ſtehen und klatſchte vor Entzücken in die Hände — und vorgeſtern Abend gähnte ſie laut bei der herr¬ lichen Tenorarie Moriani's und ſagte: Lucia von Lammer¬ moor ſei zum Einſchlafen …« »Und das bewundern Sie — der Dichter?« »Ja, ich bewundere die reine, unverfälſchte Natur in dieſem Mädchen. Sie iſt noch nicht von unſeren äſthetiſchen Thees angekränkelt. Ich finde das originell, frappant, kühn …« »Aber Dresden!« »Ja, in unſeren lauwarmen Lebensanſchauungen könnte das Alleinſtehen, die Selbſtſtändigkeit, die ganze freimüthige, kühne Originalität der ſchönen Lola nicht ganz ſo beurtheilt werden, und da komme ich, Sie zu bitten, das holde Kind ein wenig unter Ihre Flügel zu nehmen …« »Mit anderen Worten, ich ſoll die Theater-Tante der ſchönen Spanierin machen? Ich, bis heute noch immer Dresdens erſte jugendliche Liebhaberin? Wirklich eine eigenthümliche neue Rolle, die Sie mir da zuertheilen …« 29 *

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/479>, abgerufen am 18.05.2024.