Als ich aber das verdutzte, verlegene Gesicht unseres Enthusiasten sah, mußte ich doch lachen. Und meine alte Gutmüthigkeit überwog wieder. Ich reichte dem Besuch die Hand und sagte: "Ich will versuchen, Lola's Theater- Tante zu spielen. Ich will sie heute noch auf der Probe ansprechen -- so recht ehrbar, würdevoll und tanten¬ haft ..."
Ich ging um 10 Uhr in die Probe des Lustspiels: "Die Wasserkur". Aber ich kam noch viel zu früh. Lola Montez war immer noch nicht fertig mit ihren neuen Arrangements und Draperien und Attitüden. Endlich fiel die Beleuchtung strahlend genug auf ihr "lebendes Bild" und sie konnte zum spanischen National¬ tanze hervorchassiren. Ihr Tanzen war eigenthümlich. Sie tanzte weder kunstvoll, noch elegant und graziös. Ihre Pas kamen ruckweise, quecksilbern hervor, wie mit Hemmschuhen. Aber ihre Sprünge waren kühn, über¬ raschend, feurig -- und sie sah wunderbar schön beim Tanzen aus. Ich hatte Muße, sie von der Coulisse aus anzuschauen. Ihre Gestalt war zu hager, um voll¬ kommen schön zu sein, aber ihr feiner, mädchenhafter Kopf mit dem rabenschwarzen, glänzenden Haar, die durchsichtige, zarte Blässe des jungen Gesichts mit den regelmäßigen edlen Zügen, und vor Allem ihre Augen -- ihre großen, tiefblauen, leuchtenden Augen und ihr liebliches Lächeln waren berauschend schön. Und dies wunderbare Gemisch von Kindlichkeit, Uebermuth, auf¬ blitzender Glut und ungebändigtem Trotz in ihrem ganzen
Als ich aber das verdutzte, verlegene Geſicht unſeres Enthuſiaſten ſah, mußte ich doch lachen. Und meine alte Gutmüthigkeit überwog wieder. Ich reichte dem Beſuch die Hand und ſagte: »Ich will verſuchen, Lola's Theater- Tante zu ſpielen. Ich will ſie heute noch auf der Probe anſprechen — ſo recht ehrbar, würdevoll und tanten¬ haft …«
Ich ging um 10 Uhr in die Probe des Luſtſpiels: »Die Waſſerkur«. Aber ich kam noch viel zu früh. Lola Montez war immer noch nicht fertig mit ihren neuen Arrangements und Draperien und Attitüden. Endlich fiel die Beleuchtung ſtrahlend genug auf ihr »lebendes Bild« und ſie konnte zum ſpaniſchen National¬ tanze hervorchaſſiren. Ihr Tanzen war eigenthümlich. Sie tanzte weder kunſtvoll, noch elegant und graziös. Ihre Pas kamen ruckweiſe, queckſilbern hervor, wie mit Hemmſchuhen. Aber ihre Sprünge waren kühn, über¬ raſchend, feurig — und ſie ſah wunderbar ſchön beim Tanzen aus. Ich hatte Muße, ſie von der Couliſſe aus anzuſchauen. Ihre Geſtalt war zu hager, um voll¬ kommen ſchön zu ſein, aber ihr feiner, mädchenhafter Kopf mit dem rabenſchwarzen, glänzenden Haar, die durchſichtige, zarte Bläſſe des jungen Geſichts mit den regelmäßigen edlen Zügen, und vor Allem ihre Augen — ihre großen, tiefblauen, leuchtenden Augen und ihr liebliches Lächeln waren berauſchend ſchön. Und dies wunderbare Gemiſch von Kindlichkeit, Uebermuth, auf¬ blitzender Glut und ungebändigtem Trotz in ihrem ganzen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0480"n="452"/><p>Als ich aber das verdutzte, verlegene Geſicht unſeres<lb/>
Enthuſiaſten ſah, mußte ich doch lachen. Und meine alte<lb/>
Gutmüthigkeit überwog wieder. Ich reichte dem Beſuch<lb/>
die Hand und ſagte: »Ich will verſuchen, Lola's Theater-<lb/>
Tante zu ſpielen. Ich will ſie heute noch auf der Probe<lb/>
anſprechen —ſo recht ehrbar, würdevoll und tanten¬<lb/>
haft …«</p><lb/><p>Ich ging um 10 Uhr in die Probe des Luſtſpiels:<lb/>
»Die Waſſerkur«. Aber ich kam noch viel zu früh.<lb/>
Lola Montez war immer noch nicht fertig mit ihren<lb/>
neuen Arrangements und Draperien und Attitüden.<lb/>
Endlich fiel die Beleuchtung ſtrahlend genug auf ihr<lb/>
»lebendes Bild« und ſie konnte zum ſpaniſchen National¬<lb/>
tanze hervorchaſſiren. Ihr Tanzen war eigenthümlich.<lb/>
Sie tanzte weder kunſtvoll, noch elegant und graziös.<lb/>
Ihre Pas kamen ruckweiſe, queckſilbern hervor, wie mit<lb/>
Hemmſchuhen. Aber ihre Sprünge waren kühn, über¬<lb/>
raſchend, feurig — und ſie ſah wunderbar ſchön beim<lb/>
Tanzen aus. Ich hatte Muße, ſie von der Couliſſe aus<lb/>
anzuſchauen. Ihre Geſtalt war zu hager, um voll¬<lb/>
kommen ſchön zu ſein, aber ihr feiner, mädchenhafter<lb/>
Kopf mit dem rabenſchwarzen, glänzenden Haar, die<lb/>
durchſichtige, zarte Bläſſe des jungen Geſichts mit den<lb/>
regelmäßigen edlen Zügen, und vor Allem ihre Augen<lb/>— ihre großen, tiefblauen, leuchtenden Augen und ihr<lb/>
liebliches Lächeln waren berauſchend ſchön. Und dies<lb/>
wunderbare Gemiſch von Kindlichkeit, Uebermuth, auf¬<lb/>
blitzender Glut und ungebändigtem Trotz in ihrem ganzen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[452/0480]
Als ich aber das verdutzte, verlegene Geſicht unſeres
Enthuſiaſten ſah, mußte ich doch lachen. Und meine alte
Gutmüthigkeit überwog wieder. Ich reichte dem Beſuch
die Hand und ſagte: »Ich will verſuchen, Lola's Theater-
Tante zu ſpielen. Ich will ſie heute noch auf der Probe
anſprechen — ſo recht ehrbar, würdevoll und tanten¬
haft …«
Ich ging um 10 Uhr in die Probe des Luſtſpiels:
»Die Waſſerkur«. Aber ich kam noch viel zu früh.
Lola Montez war immer noch nicht fertig mit ihren
neuen Arrangements und Draperien und Attitüden.
Endlich fiel die Beleuchtung ſtrahlend genug auf ihr
»lebendes Bild« und ſie konnte zum ſpaniſchen National¬
tanze hervorchaſſiren. Ihr Tanzen war eigenthümlich.
Sie tanzte weder kunſtvoll, noch elegant und graziös.
Ihre Pas kamen ruckweiſe, queckſilbern hervor, wie mit
Hemmſchuhen. Aber ihre Sprünge waren kühn, über¬
raſchend, feurig — und ſie ſah wunderbar ſchön beim
Tanzen aus. Ich hatte Muße, ſie von der Couliſſe aus
anzuſchauen. Ihre Geſtalt war zu hager, um voll¬
kommen ſchön zu ſein, aber ihr feiner, mädchenhafter
Kopf mit dem rabenſchwarzen, glänzenden Haar, die
durchſichtige, zarte Bläſſe des jungen Geſichts mit den
regelmäßigen edlen Zügen, und vor Allem ihre Augen
— ihre großen, tiefblauen, leuchtenden Augen und ihr
liebliches Lächeln waren berauſchend ſchön. Und dies
wunderbare Gemiſch von Kindlichkeit, Uebermuth, auf¬
blitzender Glut und ungebändigtem Trotz in ihrem ganzen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/480>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.