Blumen, Gedichten überschüttet, zierliche Brieftauben flatterten auf die Bühne -- aber Wilhelmine Schröder und ich hatten der scheidenden Künstlerin eine noch größere Huldigung als Ueberraschung vorbereitet. Am letzten Aktschluß trat ich vor auf die Bühne, im wei߬ rosigen Musengewande, Blumen im Haar, und sprach zu dargebotenen Blumen bewegt Abschiedsverse. Der Sängerin traten Thränen in die Augen -- da lockte sie eine melodische Stimme auf der anderen Seite: es war Wilhelmine Schröder, ebenfalls als Muse, der Kunst¬ schwester mit innigen Worten einen vollen Lorberkranz reichend ... Erschüttert sank die scheidende Sängerin der noch berühmteren Nebenbuhlerin in die Arme und ich hörte sie schluchzend flüstern: "Und daß Sie -- gerade Sie, mein Scheiden so herrlich verschönen ... wie beglückt es mich!" -- "Dürfte auch ich einst so der Bühne Lebe¬ wohl sagen!" war die Antwort Wilhelmine Schröder's.
Das überraschte Haus nahm gerührt und entzückt den innigsten und stürmischsten Antheil an dieser Scheide¬ ßene im Jahr 1841. Es jubelte jetzt nicht nur der scheidenden Sabatier, es jubelte jetzt auch der großherzigen Schröder zu.
Im folgenden Jahre sollten die Dresdener ein ganz anderes Bild auf ihren geliebten Brettern sehen -- eine spanische Tänzerin. Die damals noch wenig berühmte und noch weniger berüchtigte Lola Montez war in Dresden
Blumen, Gedichten überſchüttet, zierliche Brieftauben flatterten auf die Bühne — aber Wilhelmine Schröder und ich hatten der ſcheidenden Künſtlerin eine noch größere Huldigung als Ueberraſchung vorbereitet. Am letzten Aktſchluß trat ich vor auf die Bühne, im wei߬ roſigen Muſengewande, Blumen im Haar, und ſprach zu dargebotenen Blumen bewegt Abſchiedsverſe. Der Sängerin traten Thränen in die Augen — da lockte ſie eine melodiſche Stimme auf der anderen Seite: es war Wilhelmine Schröder, ebenfalls als Muſe, der Kunſt¬ ſchweſter mit innigen Worten einen vollen Lorberkranz reichend … Erſchüttert ſank die ſcheidende Sängerin der noch berühmteren Nebenbuhlerin in die Arme und ich hörte ſie ſchluchzend flüſtern: »Und daß Sie — gerade Sie, mein Scheiden ſo herrlich verſchönen … wie beglückt es mich!« — »Dürfte auch ich einſt ſo der Bühne Lebe¬ wohl ſagen!« war die Antwort Wilhelmine Schröder's.
Das überraſchte Haus nahm gerührt und entzückt den innigſten und ſtürmiſchſten Antheil an dieſer Scheide¬ ſzene im Jahr 1841. Es jubelte jetzt nicht nur der ſcheidenden Sabatier, es jubelte jetzt auch der großherzigen Schröder zu.
Im folgenden Jahre ſollten die Dresdener ein ganz anderes Bild auf ihren geliebten Brettern ſehen — eine ſpaniſche Tänzerin. Die damals noch wenig berühmte und noch weniger berüchtigte Lola Montez war in Dresden
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Blumen, Gedichten überſchüttet, zierliche Brieftauben
flatterten auf die Bühne — aber Wilhelmine Schröder
und ich hatten der ſcheidenden Künſtlerin eine noch
größere Huldigung als Ueberraſchung vorbereitet. Am
letzten Aktſchluß trat ich vor auf die Bühne, im wei߬
roſigen Muſengewande, Blumen im Haar, und ſprach
zu dargebotenen Blumen bewegt Abſchiedsverſe. Der
Sängerin traten Thränen in die Augen — da lockte ſie
eine melodiſche Stimme auf der anderen Seite: es war
Wilhelmine Schröder, ebenfalls als Muſe, der Kunſt¬
ſchweſter mit innigen Worten einen vollen Lorberkranz
reichend … Erſchüttert ſank die ſcheidende Sängerin der
noch berühmteren Nebenbuhlerin in die Arme und ich
hörte ſie ſchluchzend flüſtern: »Und daß Sie — gerade
Sie, mein Scheiden ſo herrlich verſchönen … wie beglückt
es mich!« — »Dürfte auch ich einſt ſo der Bühne Lebe¬
wohl ſagen!« war die Antwort Wilhelmine Schröder's.
Das überraſchte Haus nahm gerührt und entzückt
den innigſten und ſtürmiſchſten Antheil an dieſer Scheide¬
ſzene im Jahr 1841. Es jubelte jetzt nicht nur der
ſcheidenden Sabatier, es jubelte jetzt auch der großherzigen
Schröder zu.
Im folgenden Jahre ſollten die Dresdener ein ganz
anderes Bild auf ihren geliebten Brettern ſehen — eine
ſpaniſche Tänzerin. Die damals noch wenig berühmte
und noch weniger berüchtigte Lola Montez war in Dresden
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/475>, abgerufen am 18.05.2024.
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