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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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älter war, als ihr Gatte. Allerliebst fand ich es von
ihr, daß sie ganz offen über dies Mißverhältniß der
Jahre sprach, und nichts klang herziger, als wenn sie
im Wiener Dialekt erzählte: "I han mei'm Mannerl
oft vorg'stellt, i sei halt a Bissel zu alt für ihn -- bah!
-- er wollt's nit glaub'n und so mußt' i ihn zuletzt nur
nehmen. Wir Beid' haben's auch nit bereut ..."

Das sah man deutlich in der heiteren, gemüthlichen
Häuslichkeit des liebenswürdigen Paares und an den
interessanten größeren Gesellschaftsabenden, an denen die
Wirthin ihre reizenden Lieder sang und wo selten her¬
vorragende Fremde fehlten.

Dresden hatte die Künstlerin auf der Bühne und
im Salon stets verehrt und ausgezeichnet. In Dresden
wollte die Sängerin, die auf ihren vielen Gastspielreisen
in aller Herren Ländern glänzende Triumphe gefeiert
hatte, von der Bühne Abschied nehmen. Mit richtiger
Selbsterkenntniß sagte sie zu mir: "Es ist Zeit -- es
ist die höchste Zeit! Ich könnte vielleicht mit demselben
Recht, wie andere Sängerinnen, noch einige Jahre sin¬
gen und auf den geliebten Brettern Gold- und Lorber-
Ernten halten ... aber es muß ein trauriges Gefühl sein,
die Rudera alter, glänzender Kunstzeiten um dieser Ver¬
gangenheit willen vom Publikum geduldet zu sehen.
Die größte Kunst des Künstlers ist es, zur richtigen
Stunde der öffentlichen Kunstübung zu entsagen ..."

An einem traulichen Abende waren wir näheren
Freunde bei Sabatiers, um über die Abschiedsrolle der

älter war, als ihr Gatte. Allerliebſt fand ich es von
ihr, daß ſie ganz offen über dies Mißverhältniß der
Jahre ſprach, und nichts klang herziger, als wenn ſie
im Wiener Dialekt erzählte: »I han mei'm Mannerl
oft vorg'ſtellt, i ſei halt a Biſſel zu alt für ihn — bah!
— er wollt's nit glaub'n und ſo mußt' i ihn zuletzt nur
nehmen. Wir Beid' haben's auch nit bereut …«

Das ſah man deutlich in der heiteren, gemüthlichen
Häuslichkeit des liebenswürdigen Paares und an den
intereſſanten größeren Geſellſchaftsabenden, an denen die
Wirthin ihre reizenden Lieder ſang und wo ſelten her¬
vorragende Fremde fehlten.

Dresden hatte die Künſtlerin auf der Bühne und
im Salon ſtets verehrt und ausgezeichnet. In Dresden
wollte die Sängerin, die auf ihren vielen Gaſtſpielreiſen
in aller Herren Ländern glänzende Triumphe gefeiert
hatte, von der Bühne Abſchied nehmen. Mit richtiger
Selbſterkenntniß ſagte ſie zu mir: »Es iſt Zeit — es
iſt die höchſte Zeit! Ich könnte vielleicht mit demſelben
Recht, wie andere Sängerinnen, noch einige Jahre ſin¬
gen und auf den geliebten Brettern Gold- und Lorber-
Ernten halten … aber es muß ein trauriges Gefühl ſein,
die Rudera alter, glänzender Kunſtzeiten um dieſer Ver¬
gangenheit willen vom Publikum geduldet zu ſehen.
Die größte Kunſt des Künſtlers iſt es, zur richtigen
Stunde der öffentlichen Kunſtübung zu entſagen …«

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[445/0473] älter war, als ihr Gatte. Allerliebſt fand ich es von ihr, daß ſie ganz offen über dies Mißverhältniß der Jahre ſprach, und nichts klang herziger, als wenn ſie im Wiener Dialekt erzählte: »I han mei'm Mannerl oft vorg'ſtellt, i ſei halt a Biſſel zu alt für ihn — bah! — er wollt's nit glaub'n und ſo mußt' i ihn zuletzt nur nehmen. Wir Beid' haben's auch nit bereut …« Das ſah man deutlich in der heiteren, gemüthlichen Häuslichkeit des liebenswürdigen Paares und an den intereſſanten größeren Geſellſchaftsabenden, an denen die Wirthin ihre reizenden Lieder ſang und wo ſelten her¬ vorragende Fremde fehlten. Dresden hatte die Künſtlerin auf der Bühne und im Salon ſtets verehrt und ausgezeichnet. In Dresden wollte die Sängerin, die auf ihren vielen Gaſtſpielreiſen in aller Herren Ländern glänzende Triumphe gefeiert hatte, von der Bühne Abſchied nehmen. Mit richtiger Selbſterkenntniß ſagte ſie zu mir: »Es iſt Zeit — es iſt die höchſte Zeit! Ich könnte vielleicht mit demſelben Recht, wie andere Sängerinnen, noch einige Jahre ſin¬ gen und auf den geliebten Brettern Gold- und Lorber- Ernten halten … aber es muß ein trauriges Gefühl ſein, die Rudera alter, glänzender Kunſtzeiten um dieſer Ver¬ gangenheit willen vom Publikum geduldet zu ſehen. Die größte Kunſt des Künſtlers iſt es, zur richtigen Stunde der öffentlichen Kunſtübung zu entſagen …« An einem traulichen Abende waren wir näheren Freunde bei Sabatiers, um über die Abſchiedsrolle der

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/473>, abgerufen am 22.11.2024.