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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Bruder Max. Das laute Denken des alten Monarchen
hat uns manches Lächeln entlockt. Als ich (1834) in der
Wahnsinnßene der Ophelia sang:

"Wie erkenn' ich dein Treulieb
Vor den andern nun?
An dem Muschelhut und Stab
Und den Sandelschuh'n ..."
-- da sagte der König, dem dies Singen neu war, denn
meine Vorgängerin in der Rolle hatte die Worte ge¬
sprochen, ganz laut vor sich hin: "Ich glaube gar, sie
singt ..."

"Pst! Pst! Pst!" rief das Parterre.

Und da hörte ich den alten Herrn in seinem lieben
sächsischen Dialekt wiederum ganz laut, halb ärgerlich,
halb humoristisch, zu der Prinzessin Auguste sagen: "Na!
na! man werd' doch noch redden derfen!"

Es soll aus seinem sächsischen Munde auch sehr hübsch
geklungen haben, als der alte Herr die Prinzessin Marie
von Baden, jetzige Marquise Douglas, in die Polonaise
führte mit den Worten: "Prinzessin, Sie müssen nun
schon mit dem jüngsten Tänzer fürlieb nehmen!"

Prinz Johann, der jetzige König, der mir meine
Lady Macbeth so hübsch und geistvoll kritisirt hatte, be¬
suchte mit seiner Gemahlin meistens nur klassische Stücke.
Ein Lob aus dem Munde dieses gütigen Kunstfreundes
und geistreichen Kenners und Gelehrten war unser Stolz.

Es rührte mich tief, als ich (1840) Halm's Griseldis
gab und die Königin Marie, Friedrich August's Gemahlin,
weinen sah.

Bruder Max. Das laute Denken des alten Monarchen
hat uns manches Lächeln entlockt. Als ich (1834) in der
Wahnſinnſzene der Ophelia ſang:

»Wie erkenn' ich dein Treulieb
Vor den andern nun?
An dem Muſchelhut und Stab
Und den Sandelſchuh'n …«
— da ſagte der König, dem dies Singen neu war, denn
meine Vorgängerin in der Rolle hatte die Worte ge¬
ſprochen, ganz laut vor ſich hin: »Ich glaube gar, ſie
ſingt …«

»Pſt! Pſt! Pſt!« rief das Parterre.

Und da hörte ich den alten Herrn in ſeinem lieben
ſächſiſchen Dialekt wiederum ganz laut, halb ärgerlich,
halb humoriſtiſch, zu der Prinzeſſin Auguſte ſagen: »Na!
na! man werd' doch noch redden derfen!«

Es ſoll aus ſeinem ſächſiſchen Munde auch ſehr hübſch
geklungen haben, als der alte Herr die Prinzeſſin Marie
von Baden, jetzige Marquiſe Douglas, in die Polonaiſe
führte mit den Worten: »Prinzeſſin, Sie müſſen nun
ſchon mit dem jüngſten Tänzer fürlieb nehmen!«

Prinz Johann, der jetzige König, der mir meine
Lady Macbeth ſo hübſch und geiſtvoll kritiſirt hatte, be¬
ſuchte mit ſeiner Gemahlin meiſtens nur klaſſiſche Stücke.
Ein Lob aus dem Munde dieſes gütigen Kunſtfreundes
und geiſtreichen Kenners und Gelehrten war unſer Stolz.

Es rührte mich tief, als ich (1840) Halm's Griſeldis
gab und die Königin Marie, Friedrich Auguſt's Gemahlin,
weinen ſah.

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[437/0465] Bruder Max. Das laute Denken des alten Monarchen hat uns manches Lächeln entlockt. Als ich (1834) in der Wahnſinnſzene der Ophelia ſang: »Wie erkenn' ich dein Treulieb Vor den andern nun? An dem Muſchelhut und Stab Und den Sandelſchuh'n …« — da ſagte der König, dem dies Singen neu war, denn meine Vorgängerin in der Rolle hatte die Worte ge¬ ſprochen, ganz laut vor ſich hin: »Ich glaube gar, ſie ſingt …« »Pſt! Pſt! Pſt!« rief das Parterre. Und da hörte ich den alten Herrn in ſeinem lieben ſächſiſchen Dialekt wiederum ganz laut, halb ärgerlich, halb humoriſtiſch, zu der Prinzeſſin Auguſte ſagen: »Na! na! man werd' doch noch redden derfen!« Es ſoll aus ſeinem ſächſiſchen Munde auch ſehr hübſch geklungen haben, als der alte Herr die Prinzeſſin Marie von Baden, jetzige Marquiſe Douglas, in die Polonaiſe führte mit den Worten: »Prinzeſſin, Sie müſſen nun ſchon mit dem jüngſten Tänzer fürlieb nehmen!« Prinz Johann, der jetzige König, der mir meine Lady Macbeth ſo hübſch und geiſtvoll kritiſirt hatte, be¬ ſuchte mit ſeiner Gemahlin meiſtens nur klaſſiſche Stücke. Ein Lob aus dem Munde dieſes gütigen Kunſtfreundes und geiſtreichen Kenners und Gelehrten war unſer Stolz. Es rührte mich tief, als ich (1840) Halm's Griſeldis gab und die Königin Marie, Friedrich Auguſt's Gemahlin, weinen ſah.

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/465>, abgerufen am 18.05.2024.