alle häßlichen Hindernisse der verletzten Eigenliebe. Dann konnte er auch -- gerecht gegen den "Abtrünnigen" sein.
So ist mir eine kleine Unterredung mit Tieck unver¬ geßlich. Ich hatte zum ersten Mal den "Konradin" ge¬ spielt und war auch recht mit mir zufrieden. Als ich dann aber am andern Morgen zum alten Dramaturgen kam, um mir seinen Urtheilsspruch zu holen, empfing er mich mit den Worten: "Sie haben sich alle Mühe ge¬ geben, Gutes zu leisten, und das Meiste gelang Ihnen auch vortrefflich -- aber, Kind, wann werden Sie dem Devrient sein "Beherrschen der Szene, ablauschen? -- Diese edle Sicherheit, das durch und durch Fertige, Vollendete seines Spiels? Ja, auch gestern überstrahlte er in der kleinen Nebenrolle des Schwiegersohnes vom Herzog von Anjou Alle -- Alle, selbst den lieblichen Konradin."
Als aber ich einst in einer bösen Stunde Tieck's meiner Bewunderung für Emil Devrient's Künstlerschaft feurige Worte lieh und anfangs nicht bemerkte, daß der Dramaturg immer einsylbiger, kühler, verstimmter wurde, da sahen mich seine großen, sprechenden Augen zuletzt schier wie die des Blaubart an und er sagte kopfschüttelnd: "So werden auch Sie bald treulos werden ..."
"Ich -- treulos? -- und gegen Sie?" fiel ich er¬ schrocken ein. -- "Darf ich denn nicht das Verdienst Anderer anerkennen?"
Aber es traten doch immer tiefere Schatten zwischen uns. Ich war kein Kind mehr auf der Bühne und im
alle häßlichen Hinderniſſe der verletzten Eigenliebe. Dann konnte er auch — gerecht gegen den »Abtrünnigen« ſein.
So iſt mir eine kleine Unterredung mit Tieck unver¬ geßlich. Ich hatte zum erſten Mal den »Konradin« ge¬ ſpielt und war auch recht mit mir zufrieden. Als ich dann aber am andern Morgen zum alten Dramaturgen kam, um mir ſeinen Urtheilsſpruch zu holen, empfing er mich mit den Worten: »Sie haben ſich alle Mühe ge¬ geben, Gutes zu leiſten, und das Meiſte gelang Ihnen auch vortrefflich — aber, Kind, wann werden Sie dem Devrient ſein »Beherrſchen der Szene, ablauſchen? — Dieſe edle Sicherheit, das durch und durch Fertige, Vollendete ſeines Spiels? Ja, auch geſtern überſtrahlte er in der kleinen Nebenrolle des Schwiegerſohnes vom Herzog von Anjou Alle — Alle, ſelbſt den lieblichen Konradin.«
Als aber ich einſt in einer böſen Stunde Tieck's meiner Bewunderung für Emil Devrient's Künſtlerſchaft feurige Worte lieh und anfangs nicht bemerkte, daß der Dramaturg immer einſylbiger, kühler, verſtimmter wurde, da ſahen mich ſeine großen, ſprechenden Augen zuletzt ſchier wie die des Blaubart an und er ſagte kopfſchüttelnd: »So werden auch Sie bald treulos werden …«
»Ich — treulos? — und gegen Sie?« fiel ich er¬ ſchrocken ein. — »Darf ich denn nicht das Verdienſt Anderer anerkennen?«
Aber es traten doch immer tiefere Schatten zwiſchen uns. Ich war kein Kind mehr auf der Bühne und im
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alle häßlichen Hinderniſſe der verletzten Eigenliebe. Dann
konnte er auch — gerecht gegen den »Abtrünnigen« ſein.
So iſt mir eine kleine Unterredung mit Tieck unver¬
geßlich. Ich hatte zum erſten Mal den »Konradin« ge¬
ſpielt und war auch recht mit mir zufrieden. Als ich
dann aber am andern Morgen zum alten Dramaturgen
kam, um mir ſeinen Urtheilsſpruch zu holen, empfing er
mich mit den Worten: »Sie haben ſich alle Mühe ge¬
geben, Gutes zu leiſten, und das Meiſte gelang Ihnen
auch vortrefflich — aber, Kind, wann werden Sie dem
Devrient ſein »Beherrſchen der Szene, ablauſchen? —
Dieſe edle Sicherheit, das durch und durch Fertige,
Vollendete ſeines Spiels? Ja, auch geſtern überſtrahlte
er in der kleinen Nebenrolle des Schwiegerſohnes vom
Herzog von Anjou Alle — Alle, ſelbſt den lieblichen
Konradin.«
Als aber ich einſt in einer böſen Stunde Tieck's
meiner Bewunderung für Emil Devrient's Künſtlerſchaft
feurige Worte lieh und anfangs nicht bemerkte, daß der
Dramaturg immer einſylbiger, kühler, verſtimmter wurde,
da ſahen mich ſeine großen, ſprechenden Augen zuletzt
ſchier wie die des Blaubart an und er ſagte kopfſchüttelnd:
»So werden auch Sie bald treulos werden …«
»Ich — treulos? — und gegen Sie?« fiel ich er¬
ſchrocken ein. — »Darf ich denn nicht das Verdienſt
Anderer anerkennen?«
Aber es traten doch immer tiefere Schatten zwiſchen
uns. Ich war kein Kind mehr auf der Bühne und im
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/452>, abgerufen am 23.11.2024.
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