turgen einstudirte, war Emil Devrient in Tieck's Augen und Munde der größte Mime seiner Zeit. Als aber Devrient des Gängelbandes und der ewigen, hundertmal gehörten Vorlesungen müde und immer müder wurde und immer seltener als Schüler und als Gast das Eck¬ haus am Altmarkte besuchte, als er dem alten Drama¬ turgen mehr und mehr als selbstständig denkender, schaffen¬ der, handelnder Künstler gegenübertrat ... da ward Tieck kühler und kühler und suchte auch Emil Devrient todt¬ zuschweigen. Daß ihm das in den Augen des Publikums und in den Augen aller echten Kunstfreunde und Künstler nicht gelang, verstimmte, erkältete, reizte Tieck nur noch mehr. Er hielt sich sogar nicht frei von Chi¬ kanen. Er studirte einem jungen, unreifen Anfänger eine von Devrient's liebenswürdigsten Charakterrollen ein, den "Landwirth" in dem gleichnamigen Stücke der Prinzessin Amalie von Sachsen, nur um den alten Landwirth zu kränken. Aber mit solchen kleinlichen Chikanen hatte Tieck selten Glück, auch diesmal nicht. Das Publikum lehnte den jungen Landwirth entschieden ab und forderte seinen alten, lieben, köstlichen Landwirth Devrient stür¬ misch zurück. In meiner Gegenwart sprach Tieck den Namen Emil Devrient selten aus, weder tadelnd, noch lobend. Er wußte, daß ich eine der enthusiastischsten Bewunderinnen von Devrient's Genialität und Liebens¬ würdigkeit war und stets eine Lanze für ihn bereit hatte. Nur zuweilen ging das alte, echte, kunstschwärmende Komödiantenherz mit Tieck durch und überwand kühn
turgen einſtudirte, war Emil Devrient in Tieck's Augen und Munde der größte Mime ſeiner Zeit. Als aber Devrient des Gängelbandes und der ewigen, hundertmal gehörten Vorleſungen müde und immer müder wurde und immer ſeltener als Schüler und als Gaſt das Eck¬ haus am Altmarkte beſuchte, als er dem alten Drama¬ turgen mehr und mehr als ſelbſtſtändig denkender, ſchaffen¬ der, handelnder Künſtler gegenübertrat … da ward Tieck kühler und kühler und ſuchte auch Emil Devrient todt¬ zuſchweigen. Daß ihm das in den Augen des Publikums und in den Augen aller echten Kunſtfreunde und Künſtler nicht gelang, verſtimmte, erkältete, reizte Tieck nur noch mehr. Er hielt ſich ſogar nicht frei von Chi¬ kanen. Er ſtudirte einem jungen, unreifen Anfänger eine von Devrient's liebenswürdigſten Charakterrollen ein, den »Landwirth« in dem gleichnamigen Stücke der Prinzeſſin Amalie von Sachſen, nur um den alten Landwirth zu kränken. Aber mit ſolchen kleinlichen Chikanen hatte Tieck ſelten Glück, auch diesmal nicht. Das Publikum lehnte den jungen Landwirth entſchieden ab und forderte ſeinen alten, lieben, köſtlichen Landwirth Devrient ſtür¬ miſch zurück. In meiner Gegenwart ſprach Tieck den Namen Emil Devrient ſelten aus, weder tadelnd, noch lobend. Er wußte, daß ich eine der enthuſiaſtiſchſten Bewunderinnen von Devrient's Genialität und Liebens¬ würdigkeit war und ſtets eine Lanze für ihn bereit hatte. Nur zuweilen ging das alte, echte, kunſtſchwärmende Komödiantenherz mit Tieck durch und überwand kühn
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turgen einſtudirte, war Emil Devrient in Tieck's Augen
und Munde der größte Mime ſeiner Zeit. Als aber
Devrient des Gängelbandes und der ewigen, hundertmal
gehörten Vorleſungen müde und immer müder wurde
und immer ſeltener als Schüler und als Gaſt das Eck¬
haus am Altmarkte beſuchte, als er dem alten Drama¬
turgen mehr und mehr als ſelbſtſtändig denkender, ſchaffen¬
der, handelnder Künſtler gegenübertrat … da ward Tieck
kühler und kühler und ſuchte auch Emil Devrient todt¬
zuſchweigen. Daß ihm das in den Augen des Publikums
und in den Augen aller echten Kunſtfreunde und
Künſtler nicht gelang, verſtimmte, erkältete, reizte Tieck
nur noch mehr. Er hielt ſich ſogar nicht frei von Chi¬
kanen. Er ſtudirte einem jungen, unreifen Anfänger eine
von Devrient's liebenswürdigſten Charakterrollen ein, den
»Landwirth« in dem gleichnamigen Stücke der Prinzeſſin
Amalie von Sachſen, nur um den alten Landwirth zu
kränken. Aber mit ſolchen kleinlichen Chikanen hatte
Tieck ſelten Glück, auch diesmal nicht. Das Publikum
lehnte den jungen Landwirth entſchieden ab und forderte
ſeinen alten, lieben, köſtlichen Landwirth Devrient ſtür¬
miſch zurück. In meiner Gegenwart ſprach Tieck den
Namen Emil Devrient ſelten aus, weder tadelnd, noch
lobend. Er wußte, daß ich eine der enthuſiaſtiſchſten
Bewunderinnen von Devrient's Genialität und Liebens¬
würdigkeit war und ſtets eine Lanze für ihn bereit hatte.
Nur zuweilen ging das alte, echte, kunſtſchwärmende
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/451>, abgerufen am 23.11.2024.
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