noch nach. So lieb' ich meine Komödianten. Aber nun Frieden, Brauseköpfchen ..."
Ja, wenn Tieck solche Töne anschlug, dann war er unwiderstehlich.
Aber sie wurden immer seltener, als ich nicht immer und immer wieder gegen meine Ueberzeugung ihm solche Esmeralda-Opfer bringen wollte, um meiner Selbstachtung als Künstlerin willen nicht bringen durfte.
Das größte Opfer brachte ich dem alten Drama¬ turgen, als ich auf seinen immer wiederkehrenden drin¬ genden Wunsch die Lady Macbeth zu spielen übernahm -- ich, mit meinem Lustspielgesicht, mit meiner fröh¬ lichen Stimme, mit meinem Konversationston die ent¬ setzliche blutige Lady Macbeth!
"Pah! nichts leichter, als dem abzuhelfen!" -- sagte Tieck leichthin. "Die Stimme, die Töne muß eine echte Komödiantin ganz nach Bedürfniß aus ihrem Innern heraufzaubern können, und was das Lustspielgesicht an¬ belangt, so lassen Sie sich eine schwarze Perrücke machen, färben die Augenbrauen schwarz, schminken sich grau¬ weiß und sparen die Energielinien an den Mundwinkeln und zwischen den Augenbrauen nicht ..."
Da aber erklärte ich fest: "Nein, Herr Hofrath, als Karrikatur soll mich Dresden denn doch nicht sehen. Ihnen zu Liebe will ich die Rolle übernehmen und an Studium und Fleiß es nicht fehlen lassen -- aber ich weiß es nur zu gut: ich habe nicht das Zeug zu einer Lady Macbeth -- ich falle durch ..."
noch nach. So lieb' ich meine Komödianten. Aber nun Frieden, Brauſeköpfchen …«
Ja, wenn Tieck ſolche Töne anſchlug, dann war er unwiderſtehlich.
Aber ſie wurden immer ſeltener, als ich nicht immer und immer wieder gegen meine Ueberzeugung ihm ſolche Esmeralda-Opfer bringen wollte, um meiner Selbſtachtung als Künſtlerin willen nicht bringen durfte.
Das größte Opfer brachte ich dem alten Drama¬ turgen, als ich auf ſeinen immer wiederkehrenden drin¬ genden Wunſch die Lady Macbeth zu ſpielen übernahm — ich, mit meinem Luſtſpielgeſicht, mit meiner fröh¬ lichen Stimme, mit meinem Konverſationston die ent¬ ſetzliche blutige Lady Macbeth!
»Pah! nichts leichter, als dem abzuhelfen!« — ſagte Tieck leichthin. »Die Stimme, die Töne muß eine echte Komödiantin ganz nach Bedürfniß aus ihrem Innern heraufzaubern können, und was das Luſtſpielgeſicht an¬ belangt, ſo laſſen Sie ſich eine ſchwarze Perrücke machen, färben die Augenbrauen ſchwarz, ſchminken ſich grau¬ weiß und ſparen die Energielinien an den Mundwinkeln und zwiſchen den Augenbrauen nicht …«
Da aber erklärte ich feſt: »Nein, Herr Hofrath, als Karrikatur ſoll mich Dresden denn doch nicht ſehen. Ihnen zu Liebe will ich die Rolle übernehmen und an Studium und Fleiß es nicht fehlen laſſen — aber ich weiß es nur zu gut: ich habe nicht das Zeug zu einer Lady Macbeth — ich falle durch …«
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noch nach. So lieb' ich meine Komödianten. Aber nun
Frieden, Brauſeköpfchen …«
Ja, wenn Tieck ſolche Töne anſchlug, dann war er
unwiderſtehlich.
Aber ſie wurden immer ſeltener, als ich nicht immer
und immer wieder gegen meine Ueberzeugung ihm ſolche
Esmeralda-Opfer bringen wollte, um meiner Selbſtachtung
als Künſtlerin willen nicht bringen durfte.
Das größte Opfer brachte ich dem alten Drama¬
turgen, als ich auf ſeinen immer wiederkehrenden drin¬
genden Wunſch die Lady Macbeth zu ſpielen übernahm
— ich, mit meinem Luſtſpielgeſicht, mit meiner fröh¬
lichen Stimme, mit meinem Konverſationston die ent¬
ſetzliche blutige Lady Macbeth!
»Pah! nichts leichter, als dem abzuhelfen!« — ſagte
Tieck leichthin. »Die Stimme, die Töne muß eine echte
Komödiantin ganz nach Bedürfniß aus ihrem Innern
heraufzaubern können, und was das Luſtſpielgeſicht an¬
belangt, ſo laſſen Sie ſich eine ſchwarze Perrücke machen,
färben die Augenbrauen ſchwarz, ſchminken ſich grau¬
weiß und ſparen die Energielinien an den Mundwinkeln
und zwiſchen den Augenbrauen nicht …«
Da aber erklärte ich feſt: »Nein, Herr Hofrath,
als Karrikatur ſoll mich Dresden denn doch nicht ſehen.
Ihnen zu Liebe will ich die Rolle übernehmen und an
Studium und Fleiß es nicht fehlen laſſen — aber ich
weiß es nur zu gut: ich habe nicht das Zeug zu einer
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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