schätzen wissend, welch' eine beneidenswerthe Stellung ich an der dortigen Bühne und -- in den Herzen der guten, herzigen Dresdener mein nannte.
Auf unsern Wunsch durften Pauli und ich in der "gefährlichen Tante" wieder auftreten. Es war uns, als wären wir uns diese kleine Genugthuung schuldig. Und wie empfingen uns die Dresdener!! Es war ein Freudenfest, als wären wir Jahre fort gewesen. Und doch trug ich nur eine garstige alte Haube und graue Locken und ein hundertjähriges unschönes Kleid ... Die Dresdener vermißten keinen Purpurhermelin, -- kein "Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n" -- ihnen war das Bild mehr werth, als der Rahmen, der gesunde Kern lieber, als die vergoldete taube Nußschale ...
Und ich könnte wirklich von Wien scheiden, ohne von seiner wahrsten und größten Künstlerin zu sprechen -- von Sophie Schröder?
Diesen Genuß habe ich mir bis zuletzt aufgespart.
Ich kannte Sophie Schröder schon seit 1826 und spielte damals mit ihr auf der Berliner Hofbühne in verschiedenen klassischen Stücken. Sie war seit 1815 am Wiener Burgtheater engagirt und damals auf einer Gastspielreise. Ihr Ruf als tragische Heldin und Helden¬ mutter war längst ein europäischer. Sie trat zuerst als Sappho in Grillparzer's Trauerspiel auf. Ich war in dem Stück nicht beschäftigt und erwartete im Parket des
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ſchätzen wiſſend, welch' eine beneidenswerthe Stellung ich an der dortigen Bühne und — in den Herzen der guten, herzigen Dresdener mein nannte.
Auf unſern Wunſch durften Pauli und ich in der »gefährlichen Tante« wieder auftreten. Es war uns, als wären wir uns dieſe kleine Genugthuung ſchuldig. Und wie empfingen uns die Dresdener!! Es war ein Freudenfeſt, als wären wir Jahre fort geweſen. Und doch trug ich nur eine garſtige alte Haube und graue Locken und ein hundertjähriges unſchönes Kleid … Die Dresdener vermißten keinen Purpurhermelin, — kein »Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n« — ihnen war das Bild mehr werth, als der Rahmen, der geſunde Kern lieber, als die vergoldete taube Nußſchale …
Und ich könnte wirklich von Wien ſcheiden, ohne von ſeiner wahrſten und größten Künſtlerin zu ſprechen — von Sophie Schröder?
Dieſen Genuß habe ich mir bis zuletzt aufgeſpart.
Ich kannte Sophie Schröder ſchon ſeit 1826 und ſpielte damals mit ihr auf der Berliner Hofbühne in verſchiedenen klaſſiſchen Stücken. Sie war ſeit 1815 am Wiener Burgtheater engagirt und damals auf einer Gaſtſpielreiſe. Ihr Ruf als tragiſche Heldin und Helden¬ mutter war längſt ein europäiſcher. Sie trat zuerſt als Sappho in Grillparzer's Trauerſpiel auf. Ich war in dem Stück nicht beſchäftigt und erwartete im Parket des
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ſchätzen wiſſend, welch' eine beneidenswerthe Stellung ich
an der dortigen Bühne und — in den Herzen der guten,
herzigen Dresdener mein nannte.
Auf unſern Wunſch durften Pauli und ich in der
»gefährlichen Tante« wieder auftreten. Es war uns,
als wären wir uns dieſe kleine Genugthuung ſchuldig.
Und wie empfingen uns die Dresdener!! Es war ein
Freudenfeſt, als wären wir Jahre fort geweſen. Und
doch trug ich nur eine garſtige alte Haube und graue
Locken und ein hundertjähriges unſchönes Kleid … Die
Dresdener vermißten keinen Purpurhermelin, — kein
»Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n« — ihnen war das Bild
mehr werth, als der Rahmen, der geſunde Kern
lieber, als die vergoldete taube Nußſchale …
Und ich könnte wirklich von Wien ſcheiden, ohne
von ſeiner wahrſten und größten Künſtlerin zu ſprechen
— von Sophie Schröder?
Dieſen Genuß habe ich mir bis zuletzt aufgeſpart.
Ich kannte Sophie Schröder ſchon ſeit 1826 und
ſpielte damals mit ihr auf der Berliner Hofbühne in
verſchiedenen klaſſiſchen Stücken. Sie war ſeit 1815 am
Wiener Burgtheater engagirt und damals auf einer
Gaſtſpielreiſe. Ihr Ruf als tragiſche Heldin und Helden¬
mutter war längſt ein europäiſcher. Sie trat zuerſt als
Sappho in Grillparzer's Trauerſpiel auf. Ich war in
dem Stück nicht beſchäftigt und erwartete im Parket des
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/351>, abgerufen am 17.05.2024.
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