Als ich mich meinen Verehrern im reizenden, kost¬ baren Negligee präsentirte -- wurde dies funkelnagelneue Zauberwerk des Herrn von Bär nach Gebühr beklatscht.
Der Hauptmoment nahte. Mit Herzklopfen und unter Assistenz von reichlichen Weber'schen Seufzern stülpte ich die unglückselige Dormeuse auf die graue Haartour, warf das gelb und braun gestreifte hundert¬ jährige Tantenkleid über ... und die Todtenstille, die mich empfing, war wo möglich noch todtenstiller, als vorhin -- und das Enttäuschungs-A--a--a--ah schwoll zum Drommetenton an.
Pauli hatte ganz den Kopf verloren -- und fand ihn den Abend über auch nicht mehr wieder. Erst als wir die kleine Marie sorglich-zärtlich zu Bett brachten ... leise -- leise ... um das geliebte Kind nicht auf¬ zuwecken ... da erwärmten sich die Wiener Herzen und Hände und rauschender Beifall und Hervorruf lohnte den armen Dresdener Gästen.
Weber stand wie vom Alpdruck befreit da und drückte mir sogar herzlich die Hand, was er sonst nie gewagt hatte, und flüsterte: "Können von Glück sagen -- hätt's nimmer gedacht, daß es noch so gut abgehen würd' -- -- mit einem solchen Kleidel und solchem Ungethüm von Haub' und solchen erbärmlichen grauen Lockerl ... Aber wie würd's erst gegangen sein, wenn's sich so schön ge¬ macht hätten, wie ..."
"Wie an Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n!" fiel ich lachend
Erinnerungen etc. 21
Der arme Pauli ging noch immer leer aus.
Als ich mich meinen Verehrern im reizenden, koſt¬ baren Negligee präſentirte — wurde dies funkelnagelneue Zauberwerk des Herrn von Bär nach Gebühr beklatſcht.
Der Hauptmoment nahte. Mit Herzklopfen und unter Aſſiſtenz von reichlichen Weber'ſchen Seufzern ſtülpte ich die unglückſelige Dormeuſe auf die graue Haartour, warf das gelb und braun geſtreifte hundert¬ jährige Tantenkleid über … und die Todtenſtille, die mich empfing, war wo möglich noch todtenſtiller, als vorhin — und das Enttäuſchungs-A—a—a—ah ſchwoll zum Drommetenton an.
Pauli hatte ganz den Kopf verloren — und fand ihn den Abend über auch nicht mehr wieder. Erſt als wir die kleine Marie ſorglich-zärtlich zu Bett brachten … leiſe — leiſe … um das geliebte Kind nicht auf¬ zuwecken … da erwärmten ſich die Wiener Herzen und Hände und rauſchender Beifall und Hervorruf lohnte den armen Dresdener Gäſten.
Weber ſtand wie vom Alpdruck befreit da und drückte mir ſogar herzlich die Hand, was er ſonſt nie gewagt hatte, und flüſterte: »Können von Glück ſagen — hätt's nimmer gedacht, daß es noch ſo gut abgehen würd' — — mit einem ſolchen Kleidel und ſolchem Ungethüm von Haub' und ſolchen erbärmlichen grauen Lockerl … Aber wie würd's erſt gegangen ſein, wenn's ſich ſo ſchön ge¬ macht hätten, wie …«
»Wie an Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n!« fiel ich lachend
Erinnerungen ꝛc. 21
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Der arme Pauli ging noch immer leer aus.
Als ich mich meinen Verehrern im reizenden, koſt¬
baren Negligee präſentirte — wurde dies funkelnagelneue
Zauberwerk des Herrn von Bär nach Gebühr beklatſcht.
Der Hauptmoment nahte. Mit Herzklopfen und
unter Aſſiſtenz von reichlichen Weber'ſchen Seufzern
ſtülpte ich die unglückſelige Dormeuſe auf die graue
Haartour, warf das gelb und braun geſtreifte hundert¬
jährige Tantenkleid über … und die Todtenſtille, die
mich empfing, war wo möglich noch todtenſtiller, als
vorhin — und das Enttäuſchungs-A—a—a—ah ſchwoll
zum Drommetenton an.
Pauli hatte ganz den Kopf verloren — und fand
ihn den Abend über auch nicht mehr wieder. Erſt als
wir die kleine Marie ſorglich-zärtlich zu Bett brachten
… leiſe — leiſe … um das geliebte Kind nicht auf¬
zuwecken … da erwärmten ſich die Wiener Herzen und
Hände und rauſchender Beifall und Hervorruf lohnte
den armen Dresdener Gäſten.
Weber ſtand wie vom Alpdruck befreit da und drückte
mir ſogar herzlich die Hand, was er ſonſt nie gewagt
hatte, und flüſterte: »Können von Glück ſagen — hätt's
nimmer gedacht, daß es noch ſo gut abgehen würd' —
— mit einem ſolchen Kleidel und ſolchem Ungethüm von
Haub' und ſolchen erbärmlichen grauen Lockerl … Aber
wie würd's erſt gegangen ſein, wenn's ſich ſo ſchön ge¬
macht hätten, wie …«
»Wie an Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n!« fiel ich lachend
Erinnerungen ꝛc. 21
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/349>, abgerufen am 17.05.2024.
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