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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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"Wo soll i die kleinen Lockerl für das g'fährliche
Tanterl ordnen? Hier in der Garderob oder im Hotel?"
fragte er mich jetzt voll Wichtigkeit.

"Gar nicht nöthig, lieber Weber. Ich hab' meine
Dresdener graue Haartour wohl verpackt mitgebracht --
Alles in bester Ordnung!"

"Graue Haartour unter dem feinen Spitzenhäuberl?"
rief er entsetzt.

"Nein, kein Spitzenhäuberl -- sondern eine recht¬
schaffene alte derbe Tantendormeuse!"

"Aber das wird ja schreckli ausschaun zu dem kost¬
baren weißen Atlaskleid mit der stolzen langen Schleppen!"

"O, sein Sie unbesorgt -- die Haube paßt zu
meinem gelb und braun gestreiften hundertjährigen Kleide
vortrefflich ..."

"Gelb und braun gestreift -- hundertjährig --
graue Haartour -- Urahnen-Dormeuse ... mi rührt der
Schlag!" schrie der kleine bewegliche Alte förmlich auf.

Ich mußte trotz dieses zweiten Stachels herzlich
lachen, besonders als Weber sentimental fortfuhr:

"Und Fräulein Karoline Müller schaut gerade als
Tante so schön und zart aus wie a Zuckerpupp'n --
wie a Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n ..."

"Aber, Weber, die gefährliche Tante darf ja gar
nicht wie a Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n aussehen -- sie
soll vielmehr durch ein recht ehrwürdiges tantenhaftes
Aussehen dem eigensinnigen Emmerling Vertrauen ein¬
flößen ..."

»Wo ſoll i die kleinen Lockerl für das g'fährliche
Tanterl ordnen? Hier in der Garderob oder im Hotel?«
fragte er mich jetzt voll Wichtigkeit.

»Gar nicht nöthig, lieber Weber. Ich hab' meine
Dresdener graue Haartour wohl verpackt mitgebracht —
Alles in beſter Ordnung!«

»Graue Haartour unter dem feinen Spitzenhäuberl?«
rief er entſetzt.

»Nein, kein Spitzenhäuberl — ſondern eine recht¬
ſchaffene alte derbe Tantendormeuſe!«

»Aber das wird ja ſchreckli ausſchaun zu dem koſt¬
baren weißen Atlaskleid mit der ſtolzen langen Schleppen!«

»O, ſein Sie unbeſorgt — die Haube paßt zu
meinem gelb und braun geſtreiften hundertjährigen Kleide
vortrefflich …«

»Gelb und braun geſtreift — hundertjährig —
graue Haartour — Urahnen-Dormeuſe … mi rührt der
Schlag!« ſchrie der kleine bewegliche Alte förmlich auf.

Ich mußte trotz dieſes zweiten Stachels herzlich
lachen, beſonders als Weber ſentimental fortfuhr:

»Und Fräulein Karoline Müller ſchaut gerade als
Tante ſo ſchön und zart aus wie a Zuckerpupp'n —
wie a Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n …«

»Aber, Weber, die gefährliche Tante darf ja gar
nicht wie a Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n ausſehen — ſie
ſoll vielmehr durch ein recht ehrwürdiges tantenhaftes
Ausſehen dem eigenſinnigen Emmerling Vertrauen ein¬
flößen …«

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[319/0347] »Wo ſoll i die kleinen Lockerl für das g'fährliche Tanterl ordnen? Hier in der Garderob oder im Hotel?« fragte er mich jetzt voll Wichtigkeit. »Gar nicht nöthig, lieber Weber. Ich hab' meine Dresdener graue Haartour wohl verpackt mitgebracht — Alles in beſter Ordnung!« »Graue Haartour unter dem feinen Spitzenhäuberl?« rief er entſetzt. »Nein, kein Spitzenhäuberl — ſondern eine recht¬ ſchaffene alte derbe Tantendormeuſe!« »Aber das wird ja ſchreckli ausſchaun zu dem koſt¬ baren weißen Atlaskleid mit der ſtolzen langen Schleppen!« »O, ſein Sie unbeſorgt — die Haube paßt zu meinem gelb und braun geſtreiften hundertjährigen Kleide vortrefflich …« »Gelb und braun geſtreift — hundertjährig — graue Haartour — Urahnen-Dormeuſe … mi rührt der Schlag!« ſchrie der kleine bewegliche Alte förmlich auf. Ich mußte trotz dieſes zweiten Stachels herzlich lachen, beſonders als Weber ſentimental fortfuhr: »Und Fräulein Karoline Müller ſchaut gerade als Tante ſo ſchön und zart aus wie a Zuckerpupp'n — wie a Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n …« »Aber, Weber, die gefährliche Tante darf ja gar nicht wie a Zuckerpupp'n zum Anbeiß'n ausſehen — ſie ſoll vielmehr durch ein recht ehrwürdiges tantenhaftes Ausſehen dem eigenſinnigen Emmerling Vertrauen ein¬ flößen …«

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/347>, abgerufen am 17.05.2024.