und genießen so recht froh und dankbar den Lebensabend. Die beiden ältesten Söhne*) sind schön verheirathet, auch Militärs, eine glückliche Familie.
Dann folgte ein reizender Maskenball, durch Sub¬ skribenten veranstaltet.
Bei Justizrath Ludolf -- eines der gastlichsten Häuser Berlins, und namentlich für Künstler, Gelehrte, Pro¬ fessoren eine wahre Heimath, -- hatten wir Ludwig Rell¬ stab -- den ehemaligen Lieutenant und gefürchtetsten Kritiker Berlins -- kennen gelernt. Ein junger, korpu¬ lenter, häßlicher -- und doch höchst einnehmender Mann. Seine etwas mongolischen Züge verrathen den regsten Geist, und durch die Brille blitzen klug forschende Augen. Er spricht bezaubernd. Rellstab soll gutmüthig sein, einen ehrenwerthen Charakter haben, aber den Dämon der Satyre nicht immer zu zügeln vermögen. Was er schreibt: -- trifft -- verwundet -- schadet -- selbst gegen seine Absicht. Ich bat ihn himmelhoch, mich nie zu loben -- lieber gnädigst zu tadeln**) .
Während einer Soiree bei Ludolfs wurde viel von dem bevorstehenden Maskenball gesprochen -- und nach
*) Der eine ist der durch die letzten Kriege so berühmte General Herwarth v. Bittenfeld.
**) Ludolfs Freundschaft büßte Rellstab durch sein satyrisches Buch: "Henriette, die schöne Sängerin" ein, das 1826 anonym in Leipzig erschien und der Sontag viele Thränen kostete. Es geißelt das da¬ malige Sontagfieber in Berlin, enthält aber auch eine Menge der unwahrsten und boshaftesten Angriffe gegen Henriette Sontag und
und genießen ſo recht froh und dankbar den Lebensabend. Die beiden älteſten Söhne*) ſind ſchön verheirathet, auch Militärs, eine glückliche Familie.
Dann folgte ein reizender Maskenball, durch Sub¬ ſkribenten veranſtaltet.
Bei Juſtizrath Ludolf — eines der gaſtlichſten Häuſer Berlins, und namentlich für Künſtler, Gelehrte, Pro¬ feſſoren eine wahre Heimath, — hatten wir Ludwig Rell¬ ſtab — den ehemaligen Lieutenant und gefürchtetſten Kritiker Berlins — kennen gelernt. Ein junger, korpu¬ lenter, häßlicher — und doch höchſt einnehmender Mann. Seine etwas mongoliſchen Züge verrathen den regſten Geiſt, und durch die Brille blitzen klug forſchende Augen. Er ſpricht bezaubernd. Rellſtab ſoll gutmüthig ſein, einen ehrenwerthen Charakter haben, aber den Dämon der Satyre nicht immer zu zügeln vermögen. Was er ſchreibt: — trifft — verwundet — ſchadet — ſelbſt gegen ſeine Abſicht. Ich bat ihn himmelhoch, mich nie zu loben — lieber gnädigſt zu tadeln**) .
Während einer Soirée bei Ludolfs wurde viel von dem bevorſtehenden Maskenball geſprochen — und nach
*) Der eine iſt der durch die letzten Kriege ſo berühmte General Herwarth v. Bittenfeld.
**) Ludolfs Freundſchaft büßte Rellſtab durch ſein ſatyriſches Buch: »Henriette, die ſchöne Sängerin« ein, das 1826 anonym in Leipzig erſchien und der Sontag viele Thränen koſtete. Es geißelt das da¬ malige Sontagfieber in Berlin, enthält aber auch eine Menge der unwahrſten und boshafteſten Angriffe gegen Henriette Sontag und
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und genießen ſo recht froh und dankbar den Lebensabend.
Die beiden älteſten Söhne *) ſind ſchön verheirathet, auch
Militärs, eine glückliche Familie.
Dann folgte ein reizender Maskenball, durch Sub¬
ſkribenten veranſtaltet.
Bei Juſtizrath Ludolf — eines der gaſtlichſten Häuſer
Berlins, und namentlich für Künſtler, Gelehrte, Pro¬
feſſoren eine wahre Heimath, — hatten wir Ludwig Rell¬
ſtab — den ehemaligen Lieutenant und gefürchtetſten
Kritiker Berlins — kennen gelernt. Ein junger, korpu¬
lenter, häßlicher — und doch höchſt einnehmender Mann.
Seine etwas mongoliſchen Züge verrathen den regſten
Geiſt, und durch die Brille blitzen klug forſchende Augen.
Er ſpricht bezaubernd. Rellſtab ſoll gutmüthig ſein,
einen ehrenwerthen Charakter haben, aber den Dämon
der Satyre nicht immer zu zügeln vermögen. Was er
ſchreibt: — trifft — verwundet — ſchadet — ſelbſt gegen
ſeine Abſicht. Ich bat ihn himmelhoch, mich nie zu loben
— lieber gnädigſt zu tadeln **) .
Während einer Soirée bei Ludolfs wurde viel von
dem bevorſtehenden Maskenball geſprochen — und nach
*)
Der eine iſt der durch die letzten Kriege ſo berühmte General
Herwarth v. Bittenfeld.
**) Ludolfs Freundſchaft büßte Rellſtab durch ſein ſatyriſches Buch:
»Henriette, die ſchöne Sängerin« ein, das 1826 anonym in Leipzig
erſchien und der Sontag viele Thränen koſtete. Es geißelt das da¬
malige Sontagfieber in Berlin, enthält aber auch eine Menge der
unwahrſten und boshafteſten Angriffe gegen Henriette Sontag und
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/130>, abgerufen am 07.07.2024.
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