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Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.

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liebe eines einzigen Staates, und, wenn alsdann
im Herzen noch Raum ist, von der Sicherheit ei-
nes einzigen, durch Huldigung an ein Wappen oder
durch Glaubensgesetze abgesonderten, Volks.



Jch beschäftige mich jetzund mit einem Anliegen
der Menschheit! Der Schulstaub liegt seit
Jahrhunderten! Jung und Alt, was darinnen wan-
deln und athmen muß, wird krank im Gehirn;
eine zähe Rinde, wo Wahrheit und Gutes kaum
durchdringt, setzt sich um die Werkstatt der Ver-
nunft. Und in der Brust wird eine Schwindsucht der
Zufriedenheit und der Liebe zu Menschen, selbst in
Frühlingsjahren. Die meisten meiner Schwächen,
die ich selbst jetzund nicht verbergen kann, verdank
ich der Einathmung dieses Staubes, oder der Cur,
die gleichfalls, aber nur anders, meine Natur ge-
schwächt hat.

O wie mancher gehorsame Knab und sitt-
same Jüngling wiederholt in täglich verwünschten
Schulstunden die durch Striemen eingebläuten
Worte eines Gesandten Gottes, oder eines Weisen
unter den Menschen, und leider, um sie nie zu
verstehn, oder doch nie zu verehren, wenn er den
Meistern entwächst!

Das
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liebe eines einzigen Staates, und, wenn alsdann
im Herzen noch Raum iſt, von der Sicherheit ei-
nes einzigen, durch Huldigung an ein Wappen oder
durch Glaubensgeſetze abgeſonderten, Volks.



Jch beſchaͤftige mich jetzund mit einem Anliegen
der Menſchheit! Der Schulſtaub liegt ſeit
Jahrhunderten! Jung und Alt, was darinnen wan-
deln und athmen muß, wird krank im Gehirn;
eine zaͤhe Rinde, wo Wahrheit und Gutes kaum
durchdringt, ſetzt ſich um die Werkſtatt der Ver-
nunft. Und in der Bruſt wird eine Schwindſucht der
Zufriedenheit und der Liebe zu Menſchen, ſelbſt in
Fruͤhlingsjahren. Die meiſten meiner Schwaͤchen,
die ich ſelbſt jetzund nicht verbergen kann, verdank
ich der Einathmung dieſes Staubes, oder der Cur,
die gleichfalls, aber nur anders, meine Natur ge-
ſchwaͤcht hat.

O wie mancher gehorſame Knab und ſitt-
ſame Juͤngling wiederholt in taͤglich verwuͤnſchten
Schulſtunden die durch Striemen eingeblaͤuten
Worte eines Geſandten Gottes, oder eines Weiſen
unter den Menſchen, und leider, um ſie nie zu
verſtehn, oder doch nie zu verehren, wenn er den
Meiſtern entwaͤchſt!

Das
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[IX/0013] liebe eines einzigen Staates, und, wenn alsdann im Herzen noch Raum iſt, von der Sicherheit ei- nes einzigen, durch Huldigung an ein Wappen oder durch Glaubensgeſetze abgeſonderten, Volks. Jch beſchaͤftige mich jetzund mit einem Anliegen der Menſchheit! Der Schulſtaub liegt ſeit Jahrhunderten! Jung und Alt, was darinnen wan- deln und athmen muß, wird krank im Gehirn; eine zaͤhe Rinde, wo Wahrheit und Gutes kaum durchdringt, ſetzt ſich um die Werkſtatt der Ver- nunft. Und in der Bruſt wird eine Schwindſucht der Zufriedenheit und der Liebe zu Menſchen, ſelbſt in Fruͤhlingsjahren. Die meiſten meiner Schwaͤchen, die ich ſelbſt jetzund nicht verbergen kann, verdank ich der Einathmung dieſes Staubes, oder der Cur, die gleichfalls, aber nur anders, meine Natur ge- ſchwaͤcht hat. O wie mancher gehorſame Knab und ſitt- ſame Juͤngling wiederholt in taͤglich verwuͤnſchten Schulſtunden die durch Striemen eingeblaͤuten Worte eines Geſandten Gottes, oder eines Weiſen unter den Menſchen, und leider, um ſie nie zu verſtehn, oder doch nie zu verehren, wenn er den Meiſtern entwaͤchſt! Das a 5

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Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/13>, abgerufen am 29.03.2024.